Klage gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarung erfolglos

Der gewerkschaftliche Anspruch auf Unterlassung der Durchführung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen erfordert eine unmittelbare und zwingende Tarifgebundenheit des in Anspruch genommenen Arbeitgebers an die maßgebenden Tarifbestimmungen. Endet diese, kann das Recht auf koalitionsgemäße Betätigung durch von diesem Tarifvertrag abweichende betriebliche Regelungen nicht mehr beeinträchtigt werden, so das Bundesarbeitsgericht.

Gewerkschaft klagte erfolglos gegen Betriebsvereinbarung

Die Arbeitgeberin betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Dieser vereinbarte mit der antragstellenden und einer weiteren Gewerkschaft Tarifverträge, welche Regelungen zur Dienst- und Schichtplanung mit unterschiedlich ausgestalteten Tariföffnungsklauseln vorsahen. Die Tarifvertragsparteien hatten eine Anwendung des § 4a Abs. 2 TVG bis zum 31.12.2020 abbedungen. Im Jahr 2019 schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Einsatzplanung. Die antragstellende Gewerkschaft nahm die Arbeitgeberin auf Unterlassung der Durchführung dieser Betriebsvereinbarung in Anspruch, weil die Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße und ihre Koalitionsfreiheit verletze. Die Vorinstanzen wiesen die Anträge ab. Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens vereinbarte die Gewerkschaft mit der Arbeitgeberin Nachfolgetarifverträge.

BAG weist Rechtsbeschwerde zurück 

Das BAG hat die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft zurückgewiesen. Es bestehe kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG in Bezug auf die streitigen Tarifverträge, weil diese bereits durch Nachfolgetarifverträge abgelöst worden seien. Die Gewerkschaft könne ihren Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 23 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit § 77 Abs. 3 BetrVG stützen. Ob ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG begründen kann, müsse das BAG nicht entscheiden. Die Betriebsvereinbarung verstoße zwar gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die Schicht- und Einsatzplanung bereits im Tarifvertrag der antragstellenden Gewerkschaft geregelt gewesen sei. In Anbetracht der schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die sich im Fall der Anwendbarkeit kollidierender Tarifverträge mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen stellen, habe das LAG aber einen groben Verstoß in nicht zu beanstandender Weise verneint. Auf die von der Gewerkschaft angeführte Verfassungswidrigkeit des § 4a TVG komme es für die Entscheidung des Senats nicht an.

BAG, Beschluss vom 25.01.2023 - 4 ABR 4/22

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2023.