Experten: Lediglich Einzelaspekte ehe- und familienpolitischer Leistungen sollten evaluiert werden

In einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Bundestages am 15.01.2019 zum Antrag der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/3174), die eine turnusmäßige Evaluation der ehe- und familienpolitischen Leistungen fordert, haben sich die Experten und Interessenvertreter derzeit gegen eine erneute umfassende Evaluation der familienpolitischen Leistungen ausgesprochen. Vielmehr sollten einzelne Aspekte und Fragestellungen, die bei der vom Bundesfinanz- und vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene "Gesamtevaluation der familienpolitischen Leistungen in Deutschland" aus dem Jahr 2014 nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, untersucht werden.

Monitoring-Verfahren zu zentralen Leistungen vorgeschlagen

So argumentierte etwa der Arbeitsmarktforscher Holger Bonin vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, dass die Gesamtevaluation die Datenbasis für eine evidenzbasierte Familienpolitik erheblich erweitert habe. Gegen eine erneute Gesamtevaluation spreche der Umstand, dass das System der ehe- und familienpolitischen Leistungen sich seitdem nicht verändert habe. Bonin sprach sich für ein Monitoring-Verfahren zu den zentralen 13 Leistungen aus, die rund 75% des finanziellen Volumens aller Leistungen abdecken. In einem solchen Monitoring-Verfahren könnten beispielsweise der demografische Wandel oder die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und deren Auswirkungen auf die Wirksamkeit der familienpolitischen Leistungen untersucht werden. Bonin verwies zudem darauf, dass die Kosten einer erneuten Gesamtevaluation in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Erkenntnissen stünden.

Untersuchung familienpolitischer Leistungen auf widersprüchliche Ziele angeregt

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen auch Andreas Aust vom Paritätischen Gesamtverband, Andreas Heimer vom Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos, Alexander Nöhring vom Zukunftsforum Familie, die Familien- und Bildungsökonomin Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sowie Matthias Dantlgraber vom Familienbund der Katholiken. Dantlgraber monierte, dass bei der Gesamtevaluation einseitig Leistungen unter dem übergeordneten Ziel der Erhöhung von Erwerbsarbeit geprüft worden seien. In künftigen Evaluationen sollte verstärkt das Ziel "Zeit für Familie" berücksichtigt werden. Katharina Spieß sprach sich für Untersuchungen zu der Frage aus, wo sich die Ziele von familienpolitischen Leistungen widersprechen. So ziele beispielsweise der Ausbau der Kinderbetreuung vor allem auf die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und somit auf eine Erhöhung der Erwerbsarbeit ab. Das Ehegattensplitting aber gebe eher einen Anreiz für Ehepartner, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen. Ebenfalls untersucht werden sollte, aus welchen Gründen Leistungen von Familien nicht abgerufen werden, sagte Spieß.

Wirksamkeit neu eingeführter Leistungen erst nach gewisser Zeit sichtbar

Die Sachverständigen verwiesen zudem darauf, dass die Politik auf die Ergebnisse der Gesamtevaluation von 2014 reagiert habe. Als Beispiele nannte Alexander Nöhring den weiteren Kita-Ausbau, die Reform des Unterhaltsvorschusses oder die Einführung des Elterngeld-Plus. Andreas Heimer warnte, dass eine Evaluation der seit 2014 eingeführten oder reformierten Leistungen erst nach einer gewissen Zeit Sinn mache. Politische Maßnahmen bräuchten Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Andreas Aust mahnte, dass entscheidende Erkenntnisse der Gesamtevaluation bis heute nicht berücksichtigt worden seien. So kämen die ehe- und familienpolitischen Leistungen bei sozial schwachen Gruppen sehr viel seltener an, soziale Unterschiede würden dadurch noch verstärkt. Es fehle an einer einheitlichen Definition für das Existenzminimum.

Redaktion beck-aktuell, 16. Januar 2019.