Kontakt mit Corona infiziertem Hotel-Mitarbeiter ist kein Reisemangel
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Das Amtsgericht Hannover hat am 12.04.2021 die Klage einer Familie gegen ein Hannoversches Reiseunternehmen auf Rückzahlung des Reisepreises und auf Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit sowie von Fahrtkosten als unbegründet abgewiesen. Nachdem ein Hotelmitarbeiter an Corona erkrankte, musste die Familie die Reise abbrechen. Darin liegt laut AG jedoch kein die Ansprüche begründender Reisemangel.

Clubmitarbeiter erkrankt an Corona

Die Klägerinnen buchten für den Zeitraum vom 26.06.2020 bis 06.07.2020 einen Cluburlaub in Österreich. Die Urlaubsanlage führte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Tests auf das SARS-COV2-Virus durch. Diese waren bis zur Anreise der Klägerinnen negativ. Nach der Anreise wurde ein Mitarbeiter des Clubs, vermutlich ein Mitarbeiter, der im Fahrradverleih tätig war, positiv auf das SARS-COV2-Virus getestet. Es bestand der Verdacht, dass sich die Klägerinnen angesteckt haben könnten. Die Klägerinnen wurden nach Darstellung des Reiseunternehmens von den lokalen Behörden vor die Wahl gestellt, den Rest des Urlaubs im Hotelzimmer in Quarantäne zu verbringen oder die Heimreise anzutreten, wobei ersteres nicht für die Klägerinnen in Betracht kam. Sie wurden dann durch behördliche Entscheidung vom 29.06.2020 angewiesen, die von ihnen gewünschte Heimreise auf der kürzest möglichen Route anzutreten.

AG: Kein Anspruch auf weitere Rückzahlung oder Schadenersatz

Die Beklagte zahlte nur einen Teil des Reisepreises zurück. Mit der Klage begehren die Klägerinnen die Rückzahlung des vollständigen Reisepreises sowie Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit und Ersatz der Fahrtkosten. Nach der Entscheidung des Amtsgerichts haben die Klägerinnen weder einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises noch auf eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Ersatz von Fahrtkosten. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB. Dies würde nämlich voraussetzen, dass ein Reisemangel nach § 651i Abs. 1 BGB vorlag, was aber nicht der Fall sei. Nach der Vorschrift liegen Reisemängel vor, wenn die Reise nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dass die Parteien eine konkrete Vereinbarung getroffen hätten, wonach Inhalt der Reise sein sollte, dass im Reisezeitraum kein Mitarbeiter der Urlaubsanlage an Covid-19 erkranken würde oder keine behördlichen Maßnahmen gegen die Klägerinnen verhängt werden würden, tragen die Klägerinnen nicht vor. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vereinbarung konkludent geschlossen werden sollte.

Abgrenzung des Reisemangels vom allgemeinen Lebensrisiko

Ein Mangel ergebe sich auch nicht aus § 651i Abs. 2 Satz 2 BGB, entschied das AG weiter. Danach liegt ein Reisemangel vor, wenn sich die Pauschalreise nicht zum vorausgesetzten Nutzen eignet, oder aber, wenn sie sich zwar für den gewöhnlichen Nutzen eignet, aber keine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann. In Bezug auf Erkrankungen, Unfälle und ähnliche Ereignisse gelte insoweit nach der Rechtsprechung, dass der bzw. die Reisende erwarten kann, dass er/sie durch die vom Reiseveranstalter beherrschbaren Umstände der Reise nicht geschädigt wird, beispielsweise nicht aufgrund des vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Essens erkrankt oder durch unterlassene Verkehrssicherungspflichten verunfallt, ebenso, dass er nicht durch Erfüllungsgehilfen des Veranstalters schuldhaft geschädigt wird.

Kontakt mit Corona unterfällt allgemeinem Lebensrisiko

Der Veranstalter müsse der Rechtsprechung nach dagegen nicht für Ereignisse einstehen, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind und außerhalb der von ihm geschuldeten Leistung geschehen. Ein Reisemangel ergebe sich danach nicht, denn die Klägerinnen hätten nach der Art der Pauschalreise nicht erwarten können, während ihrer Reise auf keine positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Menschen zu treffen und den daraus folgenden Beeinträchtigungen nicht ausgesetzt zu werden. Denn die Ursache der Beeinträchtigungen der Reise, also die Erkrankung eines Mitarbeiters der Urlaubsanlage, habe nicht in einem Umstand gelegen, den gerade die Beklagte als Reiseveranstalterin bzw. ihre Erfüllungsgehilfen habe beherrschen können. Es habe daher auch keine entsprechende vertragliche Erwartung der Klägerinnen bestanden. 

Mit Krankheiten durch verdorbene Verpflegung nicht vergleichbar

Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die behördliche Anweisung auf dem Kontakt der Klägerinnen zu einer positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Person beruht habe und ein solcher Kontakt in der Urlaubsanlage sowohl zu Mitarbeiter/innen als auch anderen Reisenden hätte erfolgen können. In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung habe sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht und es sei keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders, als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, welche nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt werde, beruhe die Erkrankung des Mitarbeiters und die behördliche Entscheidung hier nämlich nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte habe beherrschen können und der bzw. dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden könne.

Keine Pflichtverletzung durch Erkrankung eines Erfüllungsgehilfen

Ein Reisemangel ergebe sich auch nicht daraus, dass die infizierte Person ein Mitarbeiter der Urlaubsanlage und kein Dritter gewesen sei. Soweit die Rechtsprechung bei bestimmten Sachverhalten, in denen sich an sich ein allgemeine Lebensrisiko verwirkliche (z. B. bei Diebstählen oder sexuellen Belästigungen) einen Reisemangel annehme, wenn die Beeinträchtigung durch einen Mitarbeiter der Hotelanlage erfolge, dagegen nicht, wenn sie durch einen Dritten im Urlaubsland erfolge, so habe dies seinen Grund darin, dass vertraglich die berechtigte Erwartung bestehe, nicht durch den Reiseveranstalter selbst bzw. seine Erfüllungsgehilfen schuldhaft geschädigt zu werden, insbesondere da der Reiseveranstalter durch Auswahl und Überwachung seiner Erfüllungsgehilfen auch Einfluss darauf nehmen könne. Da hier aber weder vorgetragen sei, noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der betroffene Mitarbeiter schuldhaft die eigene Erkrankung verursacht hat, sei keine vertraglich berechtigte Erwartung verletzt worden.

AG Hannover, Urteil vom 12.04.2021 - 570 C 12046/20

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2021.