AG Frankfurt am Main erklärt Vorerkrankungsklausel einer Reiserücktrittsversicherung für unwirksam

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat eine Vorerkrankungsklausel in einer Reiserücktrittskostenversicherung, die den Versicherungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen für bekannte "medizinische Zustände" ausschloss, für intransparent und unwirksam erklärt. Die Klausel lasse nicht erkennen, was unter einem "medizinischen Zustand" zu verstehen sei (Urteil vom 13.05.2019, Az.: 3330/18 (24)).

Kläger machte Stornierungskosten gegen Reiserücktrittsversicherer geltend

Der Kläger hatte ein Hotelzimmer auf Capri zum Preis von 2550 Euro gebucht. Kurz darauf begab er sich wegen akuter Rückenbeschwerden zu einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, der einen akuten "Hexenschuss" diagnostizierte. Aufgrund der Erkrankung musste der Kläger die Reise stornieren und den vollen Buchungspreis als Stornierungskosten entrichten. Mit der Klage machte er die Stornierungskosten gegen die Beklagte geltend, bei der er über seine Kreditkarte gegen das Risiko abgesichert war, eine Reise wegen Krankheit stornieren zu müssen.

Vorerkrankungsklausel schloss Versicherungsschutz für bekannte "medizinische Zustände" aus

"Kosten infolge von Vorerkrankungen" waren dabei aber vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Der Begriff "Vorerkrankung" war in den Versicherungsbedingungen folgendermaßen definiert: "Vorerkrankung" bedeutet: Ein bereits vorher bekannter medizinischer Zustand, der Ihnen bekannt war, als Sie Ihre C… Card und andere Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten bzw. vor der Buchung Ihrer Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, und weswegen Sie:

  • während der letzten 12 Monate einen Krankenhausaufenthalt hatten, Testergebnis erwarten oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung stehen,
  • innerhalb der letzten 3 Monate begonnen haben, Medikamente einzunehmen, oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben haben,
  • alle 12 Monate oder häufig eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigen,
  • die Prognose "unheilbar" und/oder "chronisch" erhalten haben.“

Versicherer: Schutz wegen chronischer Erkrankung ausgeschlossen

Die beklagte Versicherung berief sich darauf, dass Leistungen aufgrund der verwendeten Vorerkrankungsklausel ausgeschlossen seien. Der Kläger habe bereits vor Buchung der Reise an einer chronischen Erkrankung der Wirbelsäule gelitten, die regelmäßig behandelt worden sei. Das AG hat der Klage stattgegeben. Die von der Versicherung verwendete Vorerkrankungsklausel sei nicht klar und verständlich und deshalb unwirksam. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot, das verlange, dass Ausschlussklauseln dem Versicherten bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung der Klausel vor Augen führten, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlange.

AG: Begriff des "medizinischen Zustands" unklar

Diesen Anforderungen genüge die verwendete Klausel nicht. Denn sie schließe den Versicherungsschutz für der versicherten Person bekannte "medizinische Zustände" insgesamt aus. Dabei sei aber nicht erkennbar, was einen "medizinischen Zustand" ausmache. Im Gegensatz zu den geläufigen Bezeichnungen "Erkrankung" und "Befund" liefere die Wendung "medizinischer Zustand" keinen Anhaltspunkt dazu, ob ein entsprechender Zustand pathologisch, behandlungsbedürftig oder risikobehaftet in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalls sein müsse.

Weitere Umschreibungen verstärken Unklarheit

Laut AG führen auch die in der Klausel weiter enthaltenen Erläuterungen nicht zu hinreichender Klarheit, sondern verstärken die Unklarheit des Begriffs "medizinischer Zustand" noch, statt ihn zu verdeutlichen. Es sei schon nicht klar, ob es sich bei den durch Aufzählungszeichen gegliederten Umschreibungen lediglich um Beispiele oder um abschließende Tatbestandsmerkmale handele. Es trete hinzu, dass ein Versicherter auch die maßgeblichen Ausschlusszeiträume nach den ersten drei Aufzählungszeichen der Klausel nicht festlegen könne, denn es bleibe unklar, ob diese an den Buchungszeitpunkt oder an den Eintritt des Versicherungsfalls anknüpften.

AG Frankfurt a. M., Urteil vom 13.05.2019 - 3330/18

Redaktion beck-aktuell, 3. Juni 2019.