AG Bielefeld: Geltendmachung von Ansprüchen aus Unfall durch Vater und Tochter als getrennte Angelegenheiten

StVG § 7 I; VVG § 115; RVG §§ 7, 15; BRAO § 3 III

Wird ein Rechtsanwalt von Vater und volljähriger Tochter mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus demselben Unfall beauftragt, können die Rechtsanwaltskosten als gesonderte Angelegenheiten getrennt abgerechnet werden. Voraussetzung ist nach einem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld, dass die Ansprüche unterschiedliche Schadenpositionen betreffen und die Aufträge und Vollmachten zu verschiedenen Zeitpunkten erteilt wurden. Eine einheitliche Angelegenheit liege demgegenüber vor, wenn ein Auftrag, ein Tätigkeitsrahmen sowie ein innerer Zusammenhang vorliegen. Fehle einer dieser Voraussetzungen, liegen mehrere Angelegenheiten vor.

AG Bielefeld, Urteil vom 29.09.2017 - 401 C 158/17, BeckRS 2017, 139600

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 3/2018 vom 15.02.2018

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Sachverhalt

Der Vater der Klägerin beauftragte den jetzigen Prozessbevollmächtigten am 12.09.2016 mit der Geltendmachung seiner materiellen Schäden und unterzeichnete an diesem Tag auch die Vollmacht. Die volljährige Tochter beauftragte den Anwalt am 20.12.2016 und unterzeichnete an diesem Tag die Vollmacht. Bei den geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich um Ansprüche wegen gesundheitlicher Schäden aus demselben Verkehrsunfall.

Der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners addierte die beiden Erledigungswerte der Ansprüche von Vater und Tochter und erstattete bezogen auf diesem Gegenstandswert die Anwaltsgebühren. Die Tochter macht geltend, dass dem Anwalt mehrere Angelegenheiten übertragen worden seien und diese getrennt zu berechnen und zu ersetzen seien.

Rechtliche Wertung

Das Gericht weist darauf hin, dass hier zwei verschiedene Angelegenheiten vorliegen, weil die zwei Aufträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten erteilt worden seien. Es lägen auch unterschiedliche Rechtsgutverletzungen vor, gegen die auch völlig verschiedene Einwendungen erhoben werden könnten.

Hinzu komme, dass aus Sicht des Anwalts berufsrechtliche Bedenken bestünden, wenn er die Sache als eine Angelegenheit auffasse. Denn dann kämen dem Vater möglicherweise sensible Daten über die Klägerin zur Kenntnis.

Praxishinweis

Zu den angesprochenen Problemen kommt noch hinzu, dass die Verschiedenartigkeit der erhobenen Ansprüche auch dazu führt, dass unter Umständen ganz verschiedene Verjährungsfristen zu beachten sind. Wird beim Sachschaden vom gegnerischen Versicherer ein Teil zum Beispiel nicht reguliert, dann ist es, zumal bei kleineren Differenzbeträgen, durchaus richtig, mit der Geltendmachung des Restes noch zuzuwarten, bis auch die «zweite Angelegenheit» für abschließende Erledigungen reif ist.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Anwaltsfehler am besten dadurch vermieden werden können, dass auch getrennt in zwei verschiedenen Angelegenheiten korrespondiert wird.

Redaktion beck-aktuell, 22. Februar 2018.