BGH: Rechtsmittel kann einseitig für erledigt erklärt werden

ZPO § 91a

Eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung ist zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung zu erzielen ist und zudem das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 20.12.2018 - I ZB 24/17 (LG Traunstein), BeckRS 2018, 38017

Anmerkung von 
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 07/2019 vom 05.04.2019

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Sachverhalt

Anfang 2017 weist das Vollstreckungsgericht eine gegen die Vollstreckung gerichtete Erinnerung des Schuldners S zurück. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde bleibt erfolglos. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt S seine Einwände weiter. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens nimmt G den Vollstreckungsauftrag zurück. S erklärt hat daraufhin die Erinnerung für erledigt und beantragt, G die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. G widerspricht der Erledigungserklärung. Fraglich ist insoweit unter anderem, ob S das Rechtsbeschwerdeverfahren überhaupt für erledigt erklärt konnte.

Entscheidung: Auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung kann zulässig sein

Der BGH bejaht diese Frage. Eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung sei zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis bestehe, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung zu erzielen sei (Hinweis auf BGH NJW-RR 2009, 855 Rn. 4), und zudem das erledigende Ereignis als solches außer Streit stehe (Hinweis auf BGH NJW-RR 2009, 855 Rn. 6 und BGH NJOZ 2005, 3992 [3993]).

So liege es im Fall. Für S bestehe ein besonderes Bedürfnis, eine ihn belastende Kostenentscheidung durch die einseitige Erledigungserklärung des Rechtsmittels zu vermeiden. G habe den Vollstreckungsauftrag zurückgenommen. Die Antragsrücknahme führe zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme. Dadurch sei die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels notwendige Beschwer nachträglich weggefallen. Die Beschwer müsse aber als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes ZPO-Rechtsmittel noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein; ihr Wegfall mache das Rechtsmittel unzulässig und führe zu dessen Verwerfung (Hinweis auf BGH DGVZ 2018, 249 Rn. 12 = FD-ZVR 2018, 408049 [Ls.]). Dem Schuldner bleibe allein die Erledigungserklärung seines Rechtsmittels, um der durch eine Verwerfung des Rechtsmittels drohenden Kostenlast zu entgehen (Hinweis auf BGH DGVZ 2018, 249 Rn. 10 = FD-ZVR 2018, 408049 [Ls.]).

Praxishinweis

Der IV. BGH-Zivilsenat ließ eine Erledigung des Rechtsmittels, grundsätzlich ohne eine generelle Entscheidung über die Rechtsmittelerledigungserklärung zu treffen, jedenfalls dann zu, wenn übereinstimmende Erledigungserklärungen vorliegen (BGH NJW 2009, 234 Rn. 4). Der I. Zivilsenat (BGH DGVZ 2018, 249 Rn. 12 = FD-ZVR 2018, 408049 [Ls.]) war diesbezüglich zuletzt unter Hinweis auf den VIII. Zivilsenat (BGH NJW-RR 2010, 19 Rn. 10) weniger zögerlich und klärte geradezu apodiktisch, die Erledigung eines Rechtsmittels sei gegeben, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig oder unbegründet werde, etwa – wie im Fall – durch den nachträglichen Wegfall der für das Rechtsmittel erforderlichen Beschwer (BGH DGVZ 2018, 249 Rn. 10 = FD-ZVR 2018, 408049 [Ls.]; BGH NJW-RR 2018, 384 Rn. 8 = FD-ZVR 2018, 402507 mAnm Toussaint). Es ist nicht erkennbar, dass diese Rechtsprechung nur für Sonderfälle gelten soll (für Sonderfälle vgl. BGH NJW-RR 2001, 1007 und BGH NJW 1998, 2453). Die Frage, ob ein Rechtsmittel für erledigt erklärt werden kann, dürfte damit im Rahmen des Leitsatzes grundsätzlich zu bejahen sein.

Redaktion beck-aktuell, 9. April 2019.