BGH: Einlegung der Berufung unter einer Bedingung

ZPO §§ 117 II, 517, 519 II

Die Prozesshandlung einer Partei, die von einer unzulässigen Bedingung abhängig gemacht wird, ist unwirksam. Das gilt auch für Rechtsmittel, die unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt werden. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 03.05.2018 - IX ZB 72/17, BeckRS 2018, 9386

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 14/2018 vom 20.07.2018

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Sachverhalt

B wird am 11.1.2017 verurteilt, an K 7.500 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Am letzten Tag der Berufungsfrist reicht B’s Prozessbevollmächtigter A einen vom 14.2.2017 datierenden und mit „Prozesskostenhilfeantrag und Berufung“ überschriebenen Schriftsatz ein, in welchem – wie es heißt – „zunächst“ Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt wird. Wörtlich heißt es weiter: „Im Falle der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe wird zugleich gegen das am 11.1.2017 verkündete und am 16.1.2017 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und beantragt, … die Klage abzuweisen“. Es folgt eine als solche bezeichnete Begründung, die von R‘s Unterschrift gedeckt ist. Auf Hinweis erklärt B, er habe die Erhebung der Berufung von der Bedingung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht. Der Schriftsatz vom 14.2.2017 sei als Berufungsschrift auszulegen – sofern Prozesskostenhilfe bewilligt werde.

Das OLG lehnt B’s Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ab. Der Beschluss wird R am 18.8.2017 zugestellt. Am 01.9.2017 beantragt B Wiedereinsetzung, legt Berufung ein, begründet die Berufung und beantragt erneut Prozesskostenhilfe. Mit einem weiteren Schriftsatz legt B sofortige Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss ein. B vertritt jetzt die Ansicht, bereits mit Schriftsatz vom 14.2.2017 unbedingt Berufung eingelegt zu haben. Das OLG sieht hierin eine Gegenvorstellung. Mit gesondertem Beschluss lehnt es den Antrag auf Wiedereinsetzung ab und verwirft die beiden Berufungen als unzulässig. Gegen diesen Beschluss legt B Rechtsbeschwerde ein und begründet diese. Ferner beantragt er Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Ohne Erfolg!

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH unzulässig! Eine Prozesshandlung, die von einer unzulässigen Bedingung abhängig gemacht werde, sei unwirksam. Das gelte auch für Rechtsmittel, die unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt würden (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2018, 497 Rn. 14 mAnm Elzer FD-ZVR 2018, 400359 und BGH NJOZ 2018, 435 Rn. 12 mAnm Toussaint FD-ZVR 2017, 393289). Die mit Schriftsatz vom 14.2.2017 eingelegte Berufung habe unter einer solchen unzulässigen Bedingung gestanden. Denn B habe nicht zum Ausdruck gebracht, die Berufung unabhängig vom Ausgang des Verfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, also zunächst auf eigene Kosten einlegen und durchführen zu wollen. Denn B habe ausdrücklich erklärt, „zunächst“ Prozesskostenhilfe beantragen zu wollen. Den mit „Berufung“ überschriebenen Teil des Schriftsatzes habe B ferner mit den Worten eingeleitet, die Berufung werde „im Falle der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe“ eingelegt. Dieser Formulierung lasse sich indes auch bei wohlwollender Auslegung nicht der unbedingte Wille zur Einlegung eines Rechtsmittels entnehmen.

Die mit Schriftsatz vom 1.9.2017 eingelegte zweite Berufung sei hingegen unzulässig, weil sie außerhalb der Frist des § 517 ZPO eingegangen sei. Der insoweit gestellte Wiedereinsetzungsantrag bleibe ohne Erfolg, weil B nicht ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten (§ 233 S. 1 ZPO). Eine Partei, die nicht in der Lage sei, für die Kosten eines Rechtsmittels aufzukommen, müsse nämlich unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe bei Gericht einreichen (Hinweis auf BGH NZI 2017, 688 Rn. 4 = FD-ZVR 2017, 393300 [Ls.] und BGH BeckRS 2017, 121974 Rn. 2 mAnm Elzer FD-ZVR 2017, 394660). Hieran fehle es aber. Denn die nach § 117 II ZPO zwingend erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen sei erst nach Ablauf der Berufungsfrist, nämlich am 20.2.2017, beim OLG eingegangen.

Praxishinweis

Die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe verbunden mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfülle, ist idR als unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln. Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt, ist in solchen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt; denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen.

Redaktion beck-aktuell, 23. Juli 2018.