BGH: Klageänderung nach Schluss der mündlichen Verhandlung

ZPO §§ 256 II, 261 II, 283 S. 1, 297, 296 S. 2, 522 II, 524 IV; EGZPO § 26 Nr. 8 S. 1

Die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz ist unzulässig. Sachanträge müssen spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Schriftsatznachlass gewährt worden ist. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 07.11.2017 - XI ZR 529/17, BeckRS 2017, 133092

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 01/2018 vom 12.01.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Zivilverfahrensrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Zivilverfahrensrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Zivilverfahrensrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Kläger K erhebt eine Klage auf Rückzahlung einer an die Beklagte B geleisteten „Vorfälligkeitsentschädigung“ iHv 8.221,15 EUR nebst Zinsen aus abgetretenem Recht. Am 9.11.2016 findet die mündliche Verhandlung vor dem LG statt. In dieser Verhandlung wird K nach § 283 S. 1 ZPO ein Schriftsatzrecht zur Erwiderung auf einen Schriftsatz der B eingeräumt. Innerhalb dieser Frist reicht K einen Schriftsatz zur Akte, in dem er die Klage auf 60.194,81 EUR nebst Zinsen erweitert. Dieser Schriftsatz wird B zusammen mit dem LG-Urteil zugestellt. Das LG weist die Klageerweiterung in den Entscheidungsgründen als unzulässig zurück. K legt gegen dieses Urteil Berufung ein mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und B zur Zahlung von 60.194,81 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das OLG weist diese Berufung nach § 522 II 1 ZPO zurück. Das LG habe die Klageerweiterung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen; sie sei auch nicht in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen. Die mit den Berufungsanträgen angekündigte Klageerweiterung verliere mit Zurückweisung der Berufung nach § 522 II 1 ZPO ihre Wirkung und sei daher nicht rechtshängig geworden. Gegen diese Entscheidung erhebt K Nichtzulassungsbeschwerde. Noch vor ihrer Begründung legt ihr beim BGH zugelassener Prozessbevollmächtigter sein Mandat nieder und beantragt die Festsetzung des Streitwertes.

Entscheidung

Der BGH setzt den Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer auf 8.221,15 EUR fest. Gegenstand der Berufungsentscheidung sei nur der ursprüngliche Antrag. K sei danach nur in dieser Höhe durch die Entscheidung des Berufungsgerichts beschwert. Dieser Betrag bilde außerdem den Beschwerdegegenstand des beabsichtigten Revisionsverfahrens, da K die OLG-Entscheidung in Gänze angegriffen habe (Hinweis auf BGH NJW 2002, 2720).

Wie sich aus §§ 256 II, 261 II, 297 ZPO ergebe, sei die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig. Sachanträge müssten spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2009, 853 Rn. 8). Daran ändere ein Schriftsatznachlass nichts. Dieser sei nur im Rahmen des § 296a S. 2 ZPO für Angriffs- und Verteidigungsmittel beachtlich. Mangels einer Antragstellung in mündlicher Verhandlung dürfe daher über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden. In Einklang damit habe das LG von einer Entscheidung über die Klageerweiterung abgesehen. Da die Klageerweiterung nicht rechtshängig und damit nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung geworden sei, sei sie auch nicht in der Berufungsinstanz angefallen. Daran ändere die erfolgte Zustellung der Klageerweiterung an B nichts. Diese sei zusammen mit dem erstinstanzlichen Urteil erfolgt und habe erkennbar nicht den Zweck verfolgt, die unzulässige Klageerweiterung rechtshängig zu machen (Hinweis auf BGH NJW-RR 1997, 1486).

Die unzulässige Klageerweiterung sei auch nicht dadurch rechtshängig und Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichts geworden, dass K diese im Rahmen ihrer Berufungsanträge wiederholt habe. Denn die in dieser Antragstellung zu erblickende zweitinstanzliche Klageerweiterung sei durch die Entscheidung des Berufungsgerichts wirkungslos geworden. Eine zweitinstanzliche Klageerweiterung hindere das Berufungsgericht nicht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Beschluss nach § 522 II 1 ZPO zu erlassen (Hinweis auf BGH NJW-RR 2017, 56 Rn. 14 mAnm Toussaint FD-ZVR 2016, 384219). Werde die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einen einstimmigen Beschluss nach § 522 II 1 ZPO zurückgewiesen, verliere die Klageerweiterung entsprechend § 524 IV ZPO vielmehr ihre Wirkung.

Praxishinweis

Gem. § 296a ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Da die Vorschrift lediglich Angriffsmittel, aber nicht den Angriff und damit die Klage selbst betrifft, werden neue Sachanträge von ihrem Regelungsbereich nicht erfasst. Nach ganz hM ist die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz dennoch aus allgemeinen Erwägungen heraus unzulässig, weil – wie der BGH erneut klarstellt – Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen.

Redaktion beck-aktuell, 15. Januar 2018.