BGH: Umfang der sekundären Darlegungslast

ZPO § 138 II, III

Die sekundäre Darlegungslast kann die beklagte Partei zwingen, den ihr bekannten Namen eines Täters preiszugeben. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Urteil vom 30.03.2017 - I ZR 19/16, BeckRS 2017, 108569

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 21/2017 vom 27.10.2017

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Sachverhalt

K, eine Tonträgerherstellerin, der die ausschließlichen Verwertungsrechte am Album „Loud“ der Sängerin Rihanna zustehen, behauptet, die Eheleute B hätten über ihren Internetanschluss dieses Album mittels einer „Filesharing-Software“ und ohne Zustimmung der K zum Herunterladen angeboten. K verlangt von den Eheleuten ua Schadenersatz in angemessener Höhe – mindestens 2.500 EUR. B behaupten, nicht sie, sondern eines ihrer 3 Kinder habe die Tat begangen. Das Kind habe sich ihnen auch offenbart – seinen Namen würden sie aber nicht preisgeben. Das LG gibt der Klage statt. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Beklagten müssten den Namen des Täters preisgeben. Mit ihrer Revision verfolgen die Eheleute ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Ohne Erfolg!

Entscheidung

Die Beklagten hätten auch nach Ansicht des BGH im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast den Namen des Täters nennen müssen. Denn die Abwägung der im Streitfall auf Seiten der K betroffenen Grundrechte des Eigentumsschutzes (Art. 17 II EU-Grundrechtecharta und Art. 14 I GG) und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 EU-Grundrechtecharta) mit dem zugunsten der Beklagten wirkenden Grundrecht auf Schutz der Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 I GG) führe im Ergebnis zu einem Vorrang des Informationsinteresses der K.

Zwar sei nicht zu verkennen, dass die Mitteilung des Namens eine erhebliche Beeinträchtigung des „Familienfriedens“ nach sich ziehen könne. Die Eheleute unterlägen jedoch keinem Zwang zur Auskunft. Sie hätten vielmehr die Wahl, ob sie die Auskunft erteilen oder insoweit auf eine Rechtsverteidigung verzichten. Dass sie infolge eines solchen Verteidigungsverzichts selbst fu?r die Rechtsverletzung hafteten – weil ohne Erfüllung der sekundären Darlegungslast die „tatsächliche Vermutung“ ihrer Haftung als Anschlussinhaber eingreife – erlange im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein „entscheidendes Gewicht“. Hierbei handele es sich nur um einen aus der gesetzlichen Wertung des § 138 III ZPO folgenden Nachteil, der jede prozessual ungenügend vortragende Partei treffe. Demgegenüber sei dem Rechtsinhaber im Falle der Nichtpreisgabe des Namens eine effektive Verfolgung des Rechtsverstoßes regelmäßig praktisch unmöglich.

Praxishinweis

Zivilprozessual und angesichts der Grundsätze der richterrechtlich entwickelten „sekundären Darlegungslast“ (dazu ua Elzer FD-ZVR 2017, 393795) ist das Ergebnis richtig. Denn das Recht, im Zivilprozess wegen der familiären Beziehung zu einer Partei Angaben zu verweigern, steht – wie der I. Zivilsenat ausführt – gem. § 383 I 1 Nr. 1 bis 3 ZPO und § 384 Nr. 1 und 2 ZPO tatsächlich allein dem Zeugen zu. Ferner ist richtig, dass Vortrag der klagenden Partei von einem Beklagten, der seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt, gem. § 138 III ZPO als zugestanden gilt (siehe nur BVerfG NZG 2011, 1379 Rn. 24) – und dass das auch nicht gegen die Verfassung verstößt (BVerfG NZG 2011, 1379 Rn. 24). 

Redaktion beck-aktuell, 2. November 2017.