BGH: Klageerhebung durch Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift

ZPO §§ 166 I, 189, 253 I

1. Eine zur Hemmung der Verjährung nach § 204 I Nr. 1 BGB führende Klageerhebung erfordert die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift, denn das Gesetz geht auch nach der Streichung der Regelung in § 170 I ZPO aF, die ausdrücklich die Zustellung durch Übergabe einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks vorsah, weiterhin davon aus, dass Schriftstücke grundsätzlich (nur) in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift zugestellt werden können, wobei die Zustellung einer beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend ist, wenn das Gesetz keine andere Regelung enthält.

2. Für die Beglaubigung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Da die Beglaubigung eines bestimmenden Schriftsatzes primär den Zweck hat, dem Gegner die Überzeugung von der Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift zu verschaffen, hat der Beglaubigende aber zu erklären, die zuzustellende Abschrift sei von ihm mit der in seinem Besitz befindlichen Vorlage verglichen worden und stimme mit dieser völlig überein. Erforderlich ist daher, dass sich die Beglaubigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und mit diesem zu einer Einheit verbunden ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn entweder der Vermerk dies ausdrücklich beinhaltet oder er durch seine Anbringung auf der letzten Seite als abschließende Bestätigung im Hinblick auf alle vorangehenden Schriftstücke dient. (Leitsätze des Bearbeiters)

BGH, Urteil vom 13.09.2017 - IV ZR 26/16, BeckRS 2017, 126316

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe 

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 20/2017 vom 13.10.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage mit Ablauf des Jahres 2013 verjährende Pflichtteilsansprüche geltend. Sie reichte durch ihren Rechtsanwalt am 30.12.2013 eine Klageschrift beim LG ein. Dem damaligen Beklagten wurde am 15.1.2014 eine Kopie dieser Klageschrift zugestellt, auf deren erster Seite sich über dem Briefkopf der Stempel "Beglaubigte Abschrift“ und in dem Feld zwischen Briefkopf und Überschrift ein mit der Unterschrift des Klägervertreters versehener Stempel "Beglaubigt zwecks Zustellung" befand. Weitere Stempel, Vermerke oder Unterschriften befanden sich auf dem siebenseitigen Schriftsatz nicht.

Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen erfolglos, weil LG und OLG die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung für durchgreifend hielten. Eine Verjährungshemmung durch Klageerhebung gemäß § 204 I Nr. 1 BGB sei nicht eingetreten, weil es an der wirksamen Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift als zwingendem Erfordernis der Klageerhebung gefehlt habe. Ein Beglaubigungsvermerk mit eigenhändiger Unterschrift des Rechtsanwalts nur auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes genüge nicht den Anforderungen an eine Beglaubigung. Vielmehr habe beides grundsätzlich auf der letzten Seite des beglaubigten Schriftsatzes als dessen abschließende Bestätigung zu erfolgen. Der vorhandene Vermerk entspreche auch nicht der – ausnahmsweise zulässigen – Beglaubigung auf einem dem Schriftsatz vorangestellten "Deckblatt".

Entscheidung

Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Klageansprüche seien nicht verjährt, denn vor Ablauf der nach den Feststellungen der Vorinstanzen mit dem Schluss des Jahres 2010 beginnenden dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB zum Jahresende 2013 sei eine Hemmung der Verjährung eingetreten.

Allerdings gehe das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass eine Klageerhebung, die gemäß § 204 I Nr. 1 BGB die Verjährung hemme, die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift erfordere (vgl. o. LS 1), und dass die hier zugestellte Abschrift der Klageschrift den Anforderungen an eine wirksame Beglaubigung nicht genüge. Zwar treffe es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu, dass ein Beglaubigungsvermerk auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes generell unzureichend sei und grundsätzlich auf der letzten Seite des Schriftsatzes angebracht werden müsse (vgl. o. LS 2). Aus dem hier auf der ersten Seite der Abschrift angebrachten Vermerk "Beglaubigt zwecks Zustellung" sei jedoch nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Rechtsanwalt eine Übereinstimmung bestätigen wolle. Der Beglaubigungsvermerk verweise nach seinem Inhalt weder auf ein darin bezeichnetes Dokument in seinem vollen Umfang – hier: die Klageschrift – noch auf eine bestimmte Anzahl von Dokumentseiten. Auch aus der Position des Vermerks auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes lasse sich nicht entnehmen, ob der beglaubigende Rechtsanwalt die Gewähr für eine Übereinstimmung des gesamten Dokuments mit dem Original übernehme.

Der Mangel der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift wurde aber jedenfalls gem. § 189 ZPO dadurch geheilt, dass der Beklagten eine einfache Abschrift der Klageschrift tatsächlich zugegangen sei. Nach der Rechtsprechung des BGH handele es sich bei der Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift um einen Zustellungsmangel, der nach § 189 ZPO geheilt werden könne, sofern die zugestellte Abschrift mit der Urschrift übereinstimme. Denn das Erfordernis, bei dem Zustellungsakt eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift zu verwenden, stelle eine Zustellungsvorschrift iSv § 189 ZPO dar. § 189 ZPO habe den Sinn, die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht werde. Der Zweck der Zustellung sei es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. Diese Gelegenheit zur Kenntnisnahme sei hier gewährleistet gewesen; auch der Zeitpunkt der Zustellung stehe fest. Dass die dem damaligen Beklagten zugestellte Abschrift die Klageschrift nicht vollständig und richtig wiedergebe, habe der Beklagte nicht geltend gemacht.

Praxishinweis

Die (auf der bisherigen Rechtsprechung beruhende) Entscheidung lehrt, wie ein ordnungsgemäßer anwaltlicher Beglaubigungsvermerk aussehen muss. Grundsätzlich erforderlich ist nach dem Zweck der Beglaubigung, dass sich die Beglaubigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und mit diesem zu einer Einheit verbunden ist. Danach gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Entweder wird der Beglaubigungsvermerk nach dem Ende des zu beglaubigenden Textes, ggf. auf dem letzten Blatt eines zu einer Einheit verbundenen Schriftsatzes, angebracht. Er bezieht sich dann ohne weiteres auf das gesamte zugestellte Schriftstück und dient als abschließende Bestätigung im Hinblick auf den gesamten vorangehenden Text.
  • Oder der Beglaubigungsvermerk wird der zu beglaubigenden Abschrift – auf einem gesonderten "Deckblatt" oder auf dem ersten Blatt der Abschrift (bzw. neben dem zu beglaubigenden Text) – vorangestellt (bzw. "nebengestellt"). Dann aber muss er eindeutig erkennen lassen, dass er sich auf den ganzen Inhalt eines Dokuments erstreckt. Hierzu ist regelmäßig erforderlich, dass der Beglaubigungsvermerk nach seinem Inhalt auf ein darin bezeichnetes Dokument in seinem vollen Umfang und ggf. auf eine bestimmte Anzahl von Dokumentseiten verweist.

Die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung der beiden Varianten drängt sich zwar nicht unmittelbar auf. Zur Vermeidung unnötiger Schwierigkeiten sollte aber in der Praxis – als "sicherer Weg" – der ersten Variante der Vorzug gegeben werden.

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2017.