BGH: Zulässigkeit negativer Feststellungsklage nach Darlehenswiderruf

ZPO § 256 I

Nach einem Darlehenswiderruf ist eine Feststellungsklage dahingehend, dass der Bank kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht, zulässig. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Urteil vom 16.05.2017 - XI ZR 586/15, BeckRS 2017, 113360

Anmerkung von
Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 15/2017 vom 04.08.2017

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Sachverhalt

Kläger K beantragt festzustellen, dass näher bezeichneten Darlehensverträge „wirksam widerrufen“ worden sind und er der beklagten Bank B „nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen und Kosten“ schulde. Noch vor Zustellung der Klage fordert das LG den K auf, einen Leistungsantrag zu stellen. Daraufhin stellt K seine Klage – mehrfach – um. Zuletzt beantragt K festzustellen, dass B aus näher bezeichneten Darlehensverträgen nur noch 278.886,38 EUR zustehen. Diesem Antrag entspricht das LG. Die dagegen gerichtete Berufung der B weist das OLG mit der Maßgabe zurück, es werde festgestellt, dass B aus den näher bezeichneten Darlehensverträgen bis zum 11.9.2014 (dem Tag des Widerrufs) keine höhere Forderung als 282.105,22 EUR zustehe. Über einen in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag des K, festzustellen, dass „die Darlehen“ durch die Widerrufserklärung vom 11.09.2014 „aufgelöst“ seien „und die Beklagte hieraus keine Leistungen mehr verlangen“ könne, hat das OLG mangels Bedingungseintritts nicht zu entscheiden. Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich Revision der B. Fraglich ist ua, ob K‘s Feststellungsklage überhaupt zulässig ist.

Entscheidung

Der BGH meint ja und weist die Revision – weil die Klage auch im Übrigen begründet ist – mit der Maßgabe zurück, es werde festgestellt, dass B aus den näher bezeichneten Darlehensverträgen ab Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zustehe. Nach Auslegung des Klageantrags sei davon auszugehen, dass K etwaige Ansprüche der  B nach § 488 I 2 BGB ab Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses leugne. Denn K habe die nach seinen Berechnungen verbliebene Darlehensvaluta beziffert, sie „zugestanden“ und zugleich zum Ausdruck gebracht, mehr als die Darlehensvaluta außerhalb der vertraglichen Absprachen über deren Fälligkeit nicht zahlen zu wollen. Damit habe K  deutlich gemacht, der B ab dem Wirksamwerden des Widerrufs Ansprüche aus § 488 I 2 BGB abzusprechen.

K müsse sich nicht darauf verweisen lassen, im Wege der Leistungsklage vorzugehen. Insoweit liege der Fall anders als die Fälle, in denen der Klageantrag auf die positive Feststellung gerichtet sei, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs der auf seinen Abschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt (Hinweis auf BGH NJW 2017, 1823 Rn. 13 ff. = FD-ZVR 2017, 389233 (Ls.) und BGH NJW-RR 2017, 812 Rn. 19 = FD-ZVR 2017, 389235 (Ls.)). Denn der Vorrang der Leistungsklage gelte für das Begehren auf positive Feststellung, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, das sich wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen decke und ohne „entsprechenden Zusatz“ nicht als negative Feststellungsklage ausgelegt werden könne. Das von K zur Entscheidung gestellte Begehren, festzustellen, dass der B aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 I 2 BGB zustünden, lasse sich mit einer Klage auf Leistung nicht abbilden.

Praxishinweis

Nach stRspr meint der BGH, die Würdigung prozessualer Erklärungen uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen zu dürfen (siehe nur BGH ZfBR 2017, 347 Rn. 17 mAnm Elzer FD-ZVR 2017, 387551; BGH NJW 2014, 155 Rn. 30 mAnm Elzer FD-ZVR 2013, 349611 und BGH BeckRS 2008, 12101 Rn. 45). Die Auslegung habe den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Im Zweifel sei dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspreche (BGH ZfBR 2017, 347 Rn. 17 mAnm Elzer FD-ZVR 2017, 387551; BGH NJW 2014, 155 Rn. 30 mAnm Elzer FD-ZVR 2013, 349611). Mit der im Fall vom BGH nach diesen Maßgaben bevorzugten, keinesfalls zwingenden Auslegung des Klageantrages, steht zwischen K und B (lediglich) fest, dass die ursprünglichen Vertragsansprüche für die Zukunft nicht mehr bestehen. Wer welche Ansprüche in welcher Höhe hat, ist hingegen nicht entschieden.

Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungsinteresse im Übrigen regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung („Berühmen“) der vom Kläger verneinten Rechtslage (siehe nur BGH NJW 2011, 3657 Rn. 11 und BGH NJW 2010, 1877 Rn. 19).

Redaktion beck-aktuell, 8. August 2017.