BGH: Darlegung eines Mietmangels

GG Art. 103 I; ZPO § 529 I Nr. 1

Der Mieter genügt seiner Darlegungslast zur Darstellung eines Mangels der Mietsache, wenn er konkrete Mangelsymptome beschreibt. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 21.02.2017 - VIII ZR 1/16, BeckRS 2017, 103891

Anmerkung von 
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 10/2017 vom 26.05.2017

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Sachverhalt

Mieter B beanstandet seit langem fortwährend bestehende unzumutbare Lärmbelästigungen (unzumutbar laute Klopfgeräusche, festes Getrampel, Möbelrücken usw.) und mindert deswegen die Miete. Vermieter K nimmt den aufgelaufenen Rückstand zum Anlass, den Mietvertrag fristlos zu kündigen. B zahlt daraufhin den einbehaltenen Betrag innerhalb der Schonfrist – unter Vorbehalt – nach. K‘s auf Räumung, Zahlung rückständiger Miete und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung bis zum Auszug gerichtete Klage hat vor dem AG dennoch im Wesentlichen Erfolg. Zwar hätten die Zeugen den von B geschilderten Lärm bestätigt. Es sei aber nicht bewiesen, dass der Lärm gerade vom Mieter X – auf den B verwiesen habe – verursacht worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch zu bedenken, dass das Mietshaus unstreitig sehr hellhörig sei. Ob dies auf einem unzureichenden Schallschutz beruhe, könne offenbleiben. B habe sein Minderungsrecht nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt.

Die hiergegen gerichtete Berufung hat insoweit Erfolg, als das LG die Beendigung des Mietverhältnisses nur aufgrund ordentlicher Kündigung bejaht und B eine Räumungsfrist bewilligt. Nach Ansicht des LG ist die Kündigung ungeachtet des Zahlungsausgleichs als ordentliche Kündigung wirksam. B habe die Miete unberechtigt gemindert. Das AG habe die Zeugenaussagen widerspruchsfrei dahin gewürdigt, dass der beanstandete Lärm nicht durch ein über das zulässige Maß hinausgehendes Wohnverhalten anderer Mieter verursacht worden sei. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das AG von der Einholung des vom B beantragten Sachverständigengutachtens abgesehen habe. Dieses Beweismittel sei ungeeignet, weil ein Sachverständiger keine objektiven Feststellungen zu in der Vergangenheit liegenden Lärmbeeinträchtigungen treffen könne. Dagegen wendet sich B im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde. Mit Erfolg!

Entscheidung

Das LG habe bei der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils „die rechtsfehlerhaft verengte Sichtweise“ des AG fortbestehen lassen. Denn das AG habe nur eine von mehreren denkbaren Mangelursachen (Lärm aus der Wohnung eines anderen Mieters) in den Blick genommen. Es liege indes auf der Hand, dass es einem Mieter, der die Miete wegen Lärms mindert, nicht in erster Linie um die Ursache des Lärms, sondern um die für ihn nachteiligen Auswirkungen beim Gebrauch seiner Wohnung gehe. Die Minderung hänge dabei nicht davon ab, ob ein nicht mehr hinnehmbarer Lärm durch Baumängel, durch unangemessenes Wohnverhalten eines anderen oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen ausgelöst werde. Da das AG die Angaben der Zeugen nur dahin gewürdigt habe, jedenfalls der Zeuge X habe den beanstandeten Lärm nicht verursacht, es aber offen gelassen habe, ob es den Lärm tatsächlich gab, hätten – offensichtlich – erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der vom AG getroffenen Feststellungen bestanden. Das LG hätte daher unter Ausschöpfung der insoweit unerledigt gebliebenen Beweisantritte neue Feststellungen treffen und insbes. die Zeugen nochmals selbst vernehmen müssen.

Praxishinweis

Der BGH ließ es bei der Rüge, die Feststellungen seien unvollständig, nicht genügen. Er wies ferner darauf hin, das LG habe auch durch Nichteinholung eines beantragten Sachverständigengutachtens B‘s rechtliches Gehör verletzt. Da die Minderung nach § 536 I BGB kraft Gesetzes eintrete, genüge der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtige; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) brauche er nicht vorzutragen. Von ihm sei auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die ihm häufig nicht bekannte Ursache dieser Symptome bezeichne (Hinweis auf BGH NJW 2012, 382 Rn. 16 = BeckRS 2011, 26534). Im Fall habe B einen konkreten Sachmangel dargelegt, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtige. Denn B habe die Lärmbelastung, der er sich ausgesetzt sehe, ausreichend beschrieben und überdies durch detaillierte „Lärmprotokolle“ konkretisiert – derer es bei ausreichender Beschreibung wiederkehrender Lärmbeeinträchtigungen nicht einmal bedürfe (Hinweis auf BGH NZM 2012, 760 Rn. 18 mAnm Toussaint FD-ZVR 2012, 335594).

Dass B nicht ausdrücklich geltend gemacht habe, die Ursache des Lärms könne auch in der Nichteinhaltung der zur Errichtung des Gebäudes geltenden Schallschutzvorschriften liegen, sei unschädlich. Zwar könne ein Mieter mangels konkreter anderweitiger Vereinbarungen in seiner Wohnung nur einen Schallschutz erwarten, der dem zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Standard entspreche (Hinweis ua auf BGH NJW 2013, 2417 Rn. 15 = BeckRS 2013, 10909). Das enthebe den Tatrichter aber nicht von der Notwendigkeit der Einholung eines beantragten Sachverständigengutachtens, mit dessen Hilfe genau diese Prüfung erst vorgenommen werden könne. Zudem liege die Möglichkeit nicht fern, dass selbst der vergleichsweise niedrige Schallschutzstandard im Zeitpunkt der Errichtung des aus der Nachkriegszeit stammenden Gebäudes nicht eingehalten sei. Sollte dies der Fall sein, sei es nicht auszuschließen, dass auch sozialadäquates Wohnverhalten von Mitbewohnern, etwa wegen bestehender Schallbrücken, zu einer schlechthin unzumutbaren und deshalb als Mietmangel einzustufenden Lärmbelastung geführt und B zur Minderung berechtigt habe.

Redaktion beck-aktuell, 29. Mai 2017.