BGH: Schadenersatzansprüche gegen WEG-Verwalter und Beschwer

EGZPO § 26 Nr. 8; ZPO § 9 S. 1; WEG §§ 21 VIII, 26

Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der im Wege der Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Verwalter erreichen will, bemisst sich nach seinem – im Zweifel nach Miteigentumsanteilen zu bestimmenden – Anteil an der Schadenersatzforderung; ebenso beschränkt sich das wirtschaftliche Interesse daran, eine Kostenmehrbelastung (hier durch die beschlossene Erhöhung einer Kostenobergrenze) zu verhindern, auf den Anteil des Wohnungseigentümers an den Mehrkosten. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 09.02.2017 - V ZR 88/16, BeckRS 2017, 103464

Anmerkung von 
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 06/2017 vom 31.03.2017

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Sachverhalt

Die Wohnungseigentümer einer Mehrhausanlage beschließen für die Reinigung der Treppenhäuser eine „Kostenobergrenze“ iHv 40.000 EUR. Vor diesem Hintergrund schließt der Verwalter mit Wirkung zum 1.1.2014 mit drei Reinigungsfirmen Dienstverträge über die Treppenhausreinigung ab. Die Reinigungsfirmen können als Vergütung jährlich allerdings insgesamt 46.800 EUR verlangen. Im Jahre 2015 findet ein Antrag, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, gegen den Verwalter wegen der Mehrbelastung Schadenersatzansprüche geltend zu machen und die Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden feststellen zu lassen, keine Mehrheit (Negativbeschluss). Einem Antrag, die Kostenobergrenze rückwirkend zum 1.1.2014 auf 46.800 EUR anzuheben, wird hingegen mehrheitlich zugestimmt.

Gegen diese beiden Beschlüsse wendet sich Wohnungseigentümer K im Wege der Anfechtungsklage. Zugleich will er im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 21 VIII WEG) erreichen, dass der Antrag, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, beschlossen wird. Das AG weist die Klage ab, das LG die Berufung durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurück. Gegen die damit verbundene Nichtzulassung der Revision richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde. Diese ist nach Ansicht des BGH unzulässig.

Entscheidung

Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige nicht 20.000 EUR (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Es komme nicht auf die Mehrbelastung aller Wohnungseigentümer bzw. auf die Gesamtforderung gegen den Verwalter an. Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der im Wege der Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Verwalter erreichen wolle, bemesse sich vielmehr nach seinem – im Zweifel nach Miteigentumsanteilen zu bestimmenden – Anteil an der Schadenersatzforderung; ebenso beschränke sich das wirtschaftliche Interesse daran, eine Kostenmehrbelastung (hier durch die beschlossene Erhöhung der Kostenobergrenze) zu verhindern, auf den Anteil des Wohnungseigentümers an den Mehrkosten.

Die Höhe des jeweils auf ihn entfallenden Anteils habe K freilich nicht dargelegt und lasse sich auch nicht der angefochtenen Entscheidung entnehmen. Angesichts der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft – 351 Wohnungseigentumsrechte – dürfte freilich auszuschließen sein, dass K’s Kostenanteil die Grenze von 20.000 EUR überschreite – selbst wenn entsprechend § 9 ZPO ein Zeitraum von 3,5 Jahren und damit eine Gesamtforderung von 47.600 EUR (jeweils 23.800 EUR für Klageanträge) zugrunde zu legen sein sollte.

Praxishinweis

Soweit eine anzufechtende Entscheidung nach dem 31.12.2015 verkündet worden ist, kann mittlerweile in jeder WEG-Sache nach Maßgabe des § 26 Nr. 8 EGZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer muss 20.000 EUR übersteigen – wenn das Berufungsgericht die Berufung nicht verworfen hat (Hügel/Elzer in WEG/Hügel/Elzer § 62 Rn. 15). Vor diesem Hintergrund – spürbare Zunahme der Nichtzulassungsbeschwerden – nimmt es nicht Wunder, dass der V. Zivilsenat die letzten Monate verstärkt mit der Frage, wie der Rechtsmittelführer beschwert ist, befasst ist. Seine Tendenz – die sich auch im Fall zeigt und die aus Gründen des Selbstschutzes verständlich ist – liegt darin, die Beschwer als eher gering anzusehen. Dogmatisch überzeugend ist das Ergebnis freilich – jedenfalls hier – nicht. Warum? Der Verwalter hatte seine Amtspflichten verletzt, indem er – sollte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus den Verträgen mit den Dienstleistern gebunden sein, was fraglich ist, da eine Ermächtigung zu den Vertragsschlüssen nicht erkennbar ist – entgegen der Weisung der Wohnungseigentümer bei Vertragsschluss die Kostenobergrenze überschritten hatte. Es liegt also ein behaupteter Schaden von insgesamt 23.800 EUR (§ 9 S.1 ZPO: 3,5 x 6.800 EUR) vor – sollte die Dienstleistung „Treppenhausreinigung“ für 40.000 EUR am Markt erhältlich gewesen sein. Diesen Gesamtschaden will K, wie auch die Beschlussersetzungsklage zeigt, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter verfolgt sehen – nicht nur seinen Anteil an einem Schaden. Die Anfechtungsanträge waren im Übrigen wirtschaftlich identisch – jeweils sollte als Ergebnis nur ein Schaden von 23.800 EUR verfolgt werden.

Materiell-rechtlich hätten die Wohnungseigentümer im Übrigen keine „Kostenobergrenze“ beschließen müssen. Die Wohnungseigentümer hätten sich vielmehr aufgrund konkreter, ihnen vorliegender Angebote nach billigem Ermessen für ein Angebot entscheiden und den Verwalter entsprechend nach § 27 III 1 Nr. 7 WEG ermächtigen müssen, dieses Angebot namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anzunehmen.

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2017.