BGH: Angabe falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens bei Rechtsmittel

FamFG §§ 64, 117 I; ZPO §§ 129 I, 130

Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens steht dem fristgerechten Eingang einer Beschwerdebegründungsschrift nicht entgegen, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände die Zuordnung zu dem Beschwerdeverfahren zweifelsfrei möglich ist (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 165, 371 = FamRZ 2006, 543). (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 25.01.2017 - XII ZB 567/15, BeckRS 2017, 102553

Anmerkung von 
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 05/2017 vom 17.03.2017

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Zivilverfahrensrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Zivilverfahrensrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Zivilverfahrensrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der Kindesvater wird vom AG zur Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt an die Kindesmutter verpflichtet. Gegen diesen ihm 22.7.2015 zugestellten Beschluss legt der Kindesvater mit Schriftsatz vom 23.7.2015 Beschwerde beim AG ein. Mit Schriftsatz vom 20.9.2015 begründet er die Beschwerde und beantragt, den „Beschluss des AG – Familiengericht – vom 17.7.2015, 114 F 2130/13“ abzuändern und die Anträge der Kindesmutter abzuweisen. Im Schriftsatz ist auf der ersten Seite als Aktenzeichen der ersten Instanz versehentlich das Aktenzeichen des parallelen Verfahrens – 114 F 2128/13 – (betreffend den nachehelichen Unterhalt) genannt. Das Beschwerdegericht verwirft vor diesem Hintergrund das Rechtsmittel gegen den Beschluss zum Kindes- und Trennungsunterhalt wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Die Beschwerdebegründung betreffe nach dem angegebenen Aktenzeichen das Verfahren über den nachehelichen Unterhalt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners. Mit Erfolg!

Entscheidung

Zwar sei nicht festgestellt, wann die Beschwerdebegründung beim OLG eingegangen sei – und es sei anhand der Akte auch nicht nachvollziehbar, wann die Beschwerde beim AG eingelegt worden sei. Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde sei insoweit aber zu unterstellen, dass die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde jeweils gewahrt worden seien.

Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens jedenfalls stehe für sich genommen dem (fristgerechten) Eingang der Beschwerdebegründung nicht entgegen (Hinweis auf BGH NJW 2006, 1003). Das Gesetz schreibe weder in § 64 FamFG noch in §§ 129 I, 130 ZPO, die gem. § 113 I 2 FamFG auf Familienstreitsachen anzuwenden seien, die Angabe eines bereits zugeordneten und mitgeteilten Aktenzeichens vor. Die Angabe solle allein die Weiterleitung eines Schriftsatzes innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handele sich um eine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung bedeutungslos sei (Hinweis ua auf BGH BeckRS 2015, 20202 Rn. 10). Für die Fristwahrung sei es unerheblich, ob der Schriftsatz anhand eines Aktenzeichens bereits innerhalb der Begründungsfrist in die für diese Sache angelegte Akte eingeordnet werden könne (Hinweis auf BGH VersR 1982, 673 = BeckRS 1982 30391779). Der Begründung müsse allerdings zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren sie eingereicht werden solle. Unrichtige Angaben schadeten nur dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Gegner zweifelsfrei feststehe, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen sei (Hinweis ua auf BGH BeckRS 2015, 10628 Rn. 18 = FD-ZVR 2015, 370310 und BGH NJW-RR 2008, 576 Rn. 12). Sei durch die Angabe eines falschen Aktenzeichens eine Unsicherheit darüber herbeigeführt worden, in welcher Sache die Beschwerdebegründung eingereicht worden sei, sei diese nach dem Inhalt der schriftsätzlichen Ausführungen des Rechtsanwalts dem richtigen Verfahren zuzuordnen (Hinweis auf BGH NJW 2003, 3418 [3419]).

Nach diesen Maßgaben sei die Beschwerdebegründung eindeutig dem Verfahren wegen Kindes- und Trennungsunterhalt zuzuordnen. Der Schriftsatz enthalte ein vollständiges und richtiges Rubrum und nenne im Antrag sowohl die Entscheidung, gegen die sich das Rechtsmittel richten solle, als auch das korrekte erstinstanzliche Aktenzeichen. Das Rechtsmittel sei auch von derselben Rechtsanwältin eingelegt worden, die den Kindesvater bereits in der Vorinstanz vertreten habe. Durch einen Abgleich der Begründungsschrift mit der zwischenzeitlich beim OLG eingegangenen Akte habe daher nicht zweifelhaft sein können, für welchen Beteiligten das Rechtsmittel eingelegt worden sei (Hinweis auf BeckRS 2012, 24891 Rn. 15 = FD-ZVR 2013, 341135). Zudem sei der Verfahrensgegenstand mit „Kindes- und Trennungsunterhalt“ angegeben worden, und zwar in der Betreffzeile, sodann im Antrag und schließlich auch in der Begründung.

Praxishinweis

Die Angabe eines falschen Aktenzeichens in der Berufungsschrift steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für das Gericht und den Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BGH NJW 2006, 1003 Rn. 6). Solche Zweifel sind zB ausgeschlossen, wenn der Berufungsschrift entsprechend der Sollvorschrift des § 519 III ZPO eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt worden wäre (BGH NJW 2006, 1003 Rn. 7). Dies gilt hingegen nicht für einen Berufungsschriftsatz, der weder das Aktenzeichen der angegriffenen Entscheidung noch das erstinstanzliche Gericht nennt und dem die Entscheidung nicht beigefügt ist (BAG NJW 2011, 3052 Rn. 13).

Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2017.