BGH: Ernsthaftes Bemühen der Erfolgsverhinderung beim Rücktritt vom Versuch

StGB §§ 24 I 2, 211, 306c

1. Die Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch nach § 24 I 1 Alt. 2 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter zur erfolgreichen Erfolgsabwendung die optimale Möglichkeit zur Erfolgsverhinderung gewählt hat. Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue, für die Nichtvollendung der Tat wenigstens mitursächliche Kausalkette in Gang setzt.

2. Zur Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch nach § 24 I 2 StGB muss der Versuchstäter alles in seinen Kräften Stehende tun, was nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 05.07.2018 - 1 StR 201/18, BeckRS 2018, 17997

Anmerkung von 
Wiss. Mitarbeiter Benedikt Kohn, Knierim & Kollegen Rechtsanwälte, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 17/2018 vom 30.08.2018

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Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten (A) wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in weiterer Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und schwerer Brandstiftung sowie wegen Brandstiftung in vier weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des LG setzte A, der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war, am späten Abend des 5.1.2016 ein bewohntes dreistöckiges Wohnhaus im EG in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Ihm kam es hierbei allein darauf an, die ausgelobte Einsatzvergütung zu erlangen und so seine schlechte Vermögenssituation zu verbessern. Aufgrund des durch den Brand entstandenen Rauches und hochgiftiger Brandgase, die in die Wohnbereiche des 1. und 2. OG des Hauses zogen, war den vier zu dieser Zeit im Haus befindlichen Bewohnern der Fluchtweg durch das Treppenhaus abgeschnitten. Während die Gebrüder P. vom 1. OG aus über den Balkon des Nebenhauses aus dem Haus gelangten, brachten sich G. und ihr Mann zunächst auf dem Balkon ihrer Wohnung im 2. OG in Sicherheit. Dort machten sie eine Nachbarin auf sich aufmerksam, die dann die Feuerwehr alarmierte. Die Feuerwehr evakuierte das Ehepaar G. nach einigen Minuten mittels einer Leiter von dem Balkon. A hatte bereits nach der Brandlegung das Haus verlassen und abgewartet, bis sein Piepser den Feueralarm meldete. Danach machte er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Feuerwehrhaus, wo er anschließend in der Funkzentrale für über vier Stunden seinen Dienst versah. Gegen das Urteil legte A Revision ein.

Rechtliche Wertung

Der BGH hat die Revision des A als unbegründet verworfen. Die Annahme des LG, A sei nicht strafbefreiend vom Versuch des Mordes und der Brandstiftung mit Todesfolge zurückgetreten, halte im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend sei das LG davon ausgegangen, dass der Versuch des Mordes und der Brandstiftung mit Todesfolge aus Sicht des A beendet gewesen sei, als er im EG Feuer gelegt und anschließend das Haus verlassen gehabt habe, nachdem er sich versichert gehabt habe, dass der Brand weiterbrennen würde und er deshalb alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan habe. Für einen strafbefreienden Rücktritt hätte A daher entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindern oder sich zumindest freiwillig und ernsthaft um die Abwendung des Erfolgseintritts bemühen müssen. Das sei nicht der Fall gewesen. Allerdings habe das LG für die Beantwortung der Frage, ob A durch Mitwirkung an der Erfolgsverhinderung vom Versuch zurückgetreten sei, unrichtige Maßstäbe angelegt. Es habe rechtsfehlerhaft angenommen, A sei auch bei diesem Rücktrittsgrund verpflichtet gewesen, nach besten Kräften für die Erfolgsvermeidung zu sorgen. Nach der Rechtsprechung des BGH komme ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 I 1 Alt. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die „optimale“ gewählt habe, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweise. Es komme nicht darauf an, ob dem Täter sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gelte für diesen Fall nicht. Erforderlich sei aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt habe, die für die Nichtvollendung der Tat jedenfalls mitursächlich geworden sei. Ohne Belang sei dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können. A habe durch sein Handeln keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang gesetzt, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich hätte werden können. Die Gebrüder P. hätten sich bereits selbst auf den Balkon des Nebenhauses gerettet. Die beiden weiteren Bewohner seien bereits nach einigen Minuten aufgrund einer Benachrichtigung durch eine Nachbarin von der Feuerwehr gerettet worden. A habe zu der Rettung durch eigenes Verhalten nicht beigetragen. Er habe weder auf den Brand hingewiesen noch habe er Angaben zu rettungsbedürftigen Personen, Brandherd oder Brandursache gemacht. Auch habe A selbst keine aktiven Beiträge zur Rettung der Personen geleistet. Allein, dass er auf die Mitteilung des Feueralarms auf seinem Piepser gewartet habe, um dann in der Funkzentrale seinen Dienst zu verrichten, sei nicht ausreichend gewesen. Es könne auch ausgeschlossen werden, dass die Tätigkeit des A in der Funkzentrale für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich geworden sei. Ein Rücktritt des A vom Versuch gemäß § 24 I 2 StGB sei ebenfalls nicht gegeben. Werde der Taterfolg durch Dritte verhindert, setze ein Rücktritt voraus, dass der Täter alles tue, was in seinen Kräften stehe und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich sei, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpfe. Hierfür genüge die bloße Dienstverrichtung des A in der Funkzentrale erst recht nicht. Insbesondere habe A die Rettungskräfte nicht über die ihm bekannten Informationen über die Brandursache und den Brandherd informiert, was aber erforderlich gewesen sei, um sie möglichst effektiv bei der Rettung zu unterstützen.

Praxishinweis

Der BGH festigt mit dieser Entscheidung seine bereits bekannte Rechtsprechung zu den Rücktrittsvoraussetzungen bei beendetem Versuch des Alleintäters. Entgegen der Ansicht des LG und prominenter Stimmen in der Literatur reicht es ihm für die Annahme von § 24 I 1 Alt. 2 StGB aus, dass der Täter eine aus seiner Sicht geeignete Handlung zur Verhinderung des Erfolgs vornimmt, solange sie für die Rettung kausal ist. Das verdient aus Opferschutzgesichtspunkten uneingeschränkt Zustimmung. Bei fehlender Kausalität der Handlung muss der Täter allerdings die Voraussetzungen des § 24 I 2 StGB erfüllen und ein ernsthaftes Bemühen der Erfolgsverhinderung an den Tag legen. Daran stellt die Rechtsprechung des BGH seit jeher hohe Anforderungen – gerade, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht (vgl. BeckRS 2010, 15791). Damit wurde ein strafbefreiender Rücktritt hier richtigerweise verneint, wobei der strenge Maßstab gar nicht angelegt werden musste: Das Verhalten des A zeigte nach den Feststellungen des LG keinerlei Anzeichen für ein „Bemühen“.

Redaktion beck-aktuell, 5. September 2018.