BGH: Betäubungsmittel sind taugliches Tatobjekt eines Raubes

StGB §§ 46, 249

1. Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel können fremde, bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes sein.

2. Die straferschwerende Bewertung einer „einschlägigen Vorbelastung“ des Angeklagten, die erst nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangen ist, erweist sich – ungeachtet der unzutreffenden Einordnung als „Vorbelastung“ – dann als rechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt. (Leitsätze der Redaktion)

BGH, Urteil vom 23.08.2017 - 2 StR 560/15, BeckRS 2017, 127365

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Christian Rathgeber, Mag. rer. publ., Knierim & Krug Rechtsanwälte, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 21/2017 vom 26.10.2017

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Sachverhalt

Die Angeklagten G., H. und K. planten, den Zeugen Kr. „abzurippen“, um an Drogen zu kommen. Aus diesem Grund wandten sich die Angeklagten H. und K. an Kr. und spiegelten ihm vor, einen Interessenten für einen Haschischdeal von 1.500 EUR zu haben. Dieser ließ sich auf das Geschäft ein, wenngleich er seinem neuen Kunden statt der vereinbarten 150 Gramm Marihuana lediglich 120 Gramm mitbringen wollte. G. kümmerte sich um Verstärkung und nahm Kontakt zum Angeklagten N. auf, mit dem er schon zuvor über eine solche Aktion gesprochen hatte. Dieser kam am Tattag mit L. überein, sich zu beteiligen. Am Tattag fuhren alle Angeklagten in einem Pkw zum Tatort und warteten dort auf das Eintreffen des Zeugen Kr. Dieser erschien mit zwei Begleitern und mit einer Plastiktüte in der Hand. N. forderte ihn auf, das „dope“ herzugeben, griff nach dessen Arm und zog ihn zu Boden. In diesem Augenblick zogen G. und L. ihre mitgebrachten Schreckschusspistolen hervor und bedrohten damit Kr. und dessen Begleiter. G. nahm die Tüte an sich. Daraufhin entfernten sich die Angeklagten und teilten das Marihuana auf. Knapp zwei Wochen später hielt sich der Angeklagte G. in einer Gartenhütte auf und trug in seiner Bauchtasche 24,3 g Marihuana bei sich. Das LG hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Verschaffen von Betäubungsmitteln, die Angeklagten L. und G. ferner jeweils tateinheitlich wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe sowie den Angeklagten G. darüber hinaus tatmehrheitlich wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Rechtliche Wertung

Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel haben teilweise Erfolg, der Schuldspruch halte rechtlicher Nachprüfung stand. Dies gelte auch, soweit das LG die Angeklagten wegen schweren Raubes von Btm verurteilt habe. Nicht verkehrsfähige Btm könnten nach ständiger Rechtsprechung des BGH fremde, bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes sein. Der Senat habe mit Blick auf die im Anfragebeschluss vom 1.6.2016 geäußerte Rechtsansicht, wonach (illegale) Drogen nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählen, im vorliegenden Verfahren zwar beschlossen, auch hinsichtlich der Reichweite des Eigentumsschutzes bei Btm ein Anfrageverfahren einzuleiten. An dieser Anfrage aber halte der Senat nicht mehr fest, nachdem er mit Urteilen vom 16.8.2017 entschieden habe, nach Eingang der durchweg der Ansicht des Senats entgegentretenden Antworten der anderen Strafsenate des BGH das Verfahren nach § 132 II GVG hinsichtlich der Frage des Vermögensschutzes von Drogen nicht weiterzuverfolgen. Auch der Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten H., G. und K. halte rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegne er, soweit die Angeklagten L. und N. betroffen seien, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das LG habe sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung die „einschlägige Vorbelastung“ des Angeklagten L. straferschwerend gewertet, die erst nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangen sei. Dies wäre zwar – ungeachtet der unzutreffenden Einordnung als „Vorbelastung“ – dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen ließe. Ob dies der Fall ist, könne der Senat aber nicht abschließend beurteilen, da der dieser Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt den Urteilsgründen nicht entnommen werden könne. Da sich nicht ausschließen lasse, dass das LG bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles oder einer milderen Freiheitsstrafe gelangt wäre, bedürfe die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Hinsichtlich des Angeklagten N. habe das LG zwar rechtsfehlerfrei die Verhängung einer Jugendstrafe für erforderlich erachtet. Hingegen begegneten die Ausführungen zur Höhe der Jugendstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das LG sei davon ausgegangen, dass der Angeklagte bis heute ein unreflektiertes Verhalten ohne belastbare Berufs- oder Lebensperspektive an den Tag lege, nachhaltige und bereits länger zurück reichende Änderungen in seinen persönlichen und va auch beruflichen Lebensverhältnissen nicht zu verzeichnen seien, in der Hauptverhandlung bekundete Absichten, von künftigen Straftaten aus besserer Einsicht abzulassen, ersichtlich dem Verfahrensdruck geschuldet seien, der auf ihm gelastet habe, und es sich erst noch herausstellen müsse, ob der Angeklagte va auch langfristig zu mehr als reinen Lippenbekenntnissen willens und in der Lage sei. Diese Erwägungen ließen besorgen, dass die Strafkammer bei dieser Würdigung die jüngste Entwicklung des Angeklagten nicht in genügendem Maße in den Blick genommen habe.

Praxishinweis

Der 2. Strafsenat bestätigt zunächst – nach der Kehrtwende im durchgeführten Anfrageverfahren (BeckRS 2017, 123966) – erneut (vgl. BeckRS 2017, 123966 mAnm Rathgeber FD-StrafR 2017, 394906 und BeckRS 2017, 125862), dass Btm weiterhin taugliche Tatobjekte von Vermögensdelikten sein sollen. Interessanter sind dagegen die Ausführungen hinsichtlich einer „einschlägigen Vorbelastung“ als Gesichtspunkt der Strafzumessung. Grundsätzlich können – wie auch der Senat vorliegend feststellt – nach der verfahrensgegenständlichen Tat verübte Straftaten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, sofern sich hieraus eine bestimmte Haltung ableiten lässt. Lückenhafte Feststellungen zu den strafrechtlichen Vorbelastungen, die keine Prüfung ermöglichen, ob die Verwertung der Vorstrafen rechtsfehlerfrei erfolgt ist, sind indes reversibel (BGH NStZ-RR 2007, 368 mAnm Zimmermann FD-StrafR 2007, 240368; OLG Köln NStZ 2003, 421). Tatsächlich wirkt das Etikett der „Rechtsfeindlichkeit“ bzw. der „Gefährlichkeit“ mehrfach negativ für den Täter. So soll bei einem rechtsfeindlichen und gefährlichen Angeklagten ausnahmsweise auch strafschärfend berücksichtigt werden dürfen, dass dieser keine Reue und Unrechtseinsicht zeigt (BGH NStZ-RR 2017, 71). Dasselbe gilt für die strafschärfende Berücksichtigung des Duldens einer entlastenden Falschaussage durch einen Zeugen (BGH StV 1995, 297 = BeckRS 9998, 35154), während umgekehrt das Verleiten eines Zeugen zur Falschaussage gerade als Ausdruck einer Rechtsfeindlichkeit angesehen wird (BGH NStZ-RR 2015, 305). Angesichts der Konturlosigkeit der verwendeten Begriffe ist es zu begrüßen, dass von den Revisionsgerichten jeweils belastbare Anhaltspunkte in den Entscheidungsgründen verlangt werden.

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2017.