BGH: Anbringen von "Skimming"-Vorrichtungen an Geldautomaten begründet nicht automatisch Mittäterschaft einer (späteren) Fälschung von Zahlungskarten

StGB §§ 152b, 25 II

Wer eine Spähvorrichtung an einem Geldautomaten anbringt, die der Weiterleitung der dadurch erfassten Daten an Hintermänner dient („Skimming“), kann Mittäter einer (späteren) Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Computerbetrug nur sein, wenn der Tatbeitrag jedenfalls als eine nicht ganz untergeordnete Beteiligung an Vorbereitungshandlungen zu werten ist. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 16.11.2016 - 2 StR 246/16, BeckRS 2016, 114611

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Thomas C. Knierim, Knierim & Krug Rechtsanwälte, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 04/2017 vom 02.03.2017

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Sachverhalt

Etwa seit Oktober 2010 wurde eine vorwiegend aus Rumänen bestehende Gruppe von bisher nicht vollständig identifizierten Personen beobachtet, die in großem Stil mit wechselnder Tatbeteiligung das sog. Skimmingverfahren auf Zahlungs-(EC)- sowie Kreditkarten anwendete. Dadurch wurden zahlreiche Daten von Bankkunden nebst dazugehörigen Geheimzahlen ausgespäht und die so gewonnenen Datensätze auf Kartenrohlinge mit Magnetstreifen aufgespielt. Mit Hilfe der unerlaubt hergestellten Kartendoubletten wurden zeitnah unbefugt Bargeldverfügungen zu Lasten der betroffenen Zahlungsinstitute und deren Kunden vorgenommen. Konkret wurde festgestellt, dass der A am 23.10.2010 morgens zusammen mit einem weiteren Verfolgten in einer Bankfiliale der Commerzbank am dortigen Geldautomaten Ausspäheinrichtungen angebracht hat, um das Ausspähen der Daten, deren spätere Auslesung sowie die Speicherung auf Kartenrohlingen und den Einsatz dieser Doubletten an Geldautomaten im Ausland zu Lasten der betreffenden Bankkunden zu ermöglichen. Dabei kam es ihm darauf an, sich – jedenfalls aber den übrigen an der Tat beteiligten Personen – einen geldwerten Vorteil zu verschaffen, wobei nicht festgestellt ist, ob und in welcher konkreten Höhe der A selbst einen Anteil an der Beute erhalten hat. Das LG verurteilte ua den A in diesem Fall wegen mittäterschaftlich begangener Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Computerbetrug.

Rechtliche Wertung

Auf die Revision des A hob der BGH die Verurteilung auf. Der 2. Strafsenat hielt die Feststellungen für eine Verurteilung als Mittäter nicht für ausreichend, weil die Beteiligung des A am Gesamtgeschehen lediglich in dem Anbringen der Spähvorrichtung (und der Weiterleitung der darin erfassten Daten) bestanden habe. Diese technische Manipulation liege im Vorfeld der zum Straftatbestand gehörenden Verhaltensmerkmale und sei daher als Vorbereitungshandlung einzustufen. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass Beteiligte an Vorbereitungshandlungen Mittäter im Sinne von § 25 II StGB seien, weil Mittäterschaft nicht in jedem Fall eine Mitwirkung am Kerngeschehen voraussetze. Erforderlich sei aber mindestens eine nicht ganz untergeordnete Beteiligung an Vorbereitungshandlungen, sofern der Tatbeitrag sich nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstelle. Mittäter nach § 25 II StGB sei insoweit, wer nicht nur fremdes Tun fördere, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfüge, dass dieser als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheine. Es sei eine wertende Beurteilung erforderlich, ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat habe, dass dies nach den gesamten Umständen, die von der Vorstellung des Beteiligten umfasst seien, sicher angenommen werden könne. Dafür könnten wesentliche Anhaltspunkte sein: der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft. Durchführung und Ausgang der Tat müssten somit zumindest aus der subjektiven Sicht des (angeklagten) Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Eine ganz untergeordnete Tätigkeit deute allerdings schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe sei. Es sei vom LG nicht erörtert worden, dass der A nicht in die Banden- und Organisationsstruktur eingebunden gewesen sei. Auch sei unklar geblieben, wer die Bank als Tatobjekt ausgesucht und wer die Späheinrichtungen zur Verfügung gestellt habe. Ebenso bliebe offen, welches finanzielle Interesse der A an der Tatbegehung gehabt habe, bspw. eine einmalige Festvergütung oder eine laufende Vergütung aus der Beute des nachfolgenden Computerbetrugs. Insgesamt sei auch eine Kenntnis oder Mitwirkung am Einsatz der gefälschten Kartendoubletten im Ausland erforderlich, die aber nicht festgestellt worden sei.

Praxishinweis

Die Entscheidung setzt konsequent die in ständiger Rechtsprechung angewandte sog. „subjektive Theorie“ zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ein. Der in der Entscheidung verwendete Kriterienkatalog ist beispielhaft zu verstehen, es können bei bandenmäßiger Begehung auch weitere Konstellationen vorstellbar sein, bspw.: die Ideengebung und Planung, die Beschaffung von Technik, Kartendoubletten, Datenleitungen usw., die Herstellung des technischen Umfeldes, neben der Datenübertragung auch die Speicherung, Verwaltung und Umsetzung in gefälschte Zahlungskarten, der multiple Einsatz und schließlich die Verteilung der erbeuteten Beträge. Die Entscheidung schöpft aber die Möglichkeiten zur strafrechtlichen Ahndung der kriminellen Praxis des „Skimming“ nicht aus. Es sind drei strafrechtlich relevante Phasen zu unterscheiden (vgl. dazu im Einzelnen Bär in Graf/Jäger/Wittig, WiStR, StGB § 263a Rn. 28, § 269 Rn. 17): (1) das Ausspähen der Kartendaten sowie der PIN, (2) das Nachmachen von Zahlungskarten (sog „White Plastics“) und (3) der Einsatz der gefälschten Zahlungskarten (sog „Cashing“) an einem (meist ausländischen) Geldautomaten. In der ersten Phase liegt noch kein Fall des § 202a vor (BGH NStZ 2011, 154 mAnm Jahn JuS 2010, 1030). Mit Rücksicht darauf, dass Software zum Auslesen der Daten eingesetzt wird, kann von einem Programm iSv §§ 149 I Nr. 1, 152a V, 152b V StGB gesprochen werden. Wird die so erlangte PIN verwendet, um anderen einen Nachteil zuzufügen, kann das Verkaufen, Verbreiten usw der Software von §§ 303b I Nr. 2, V, 202c I Nr. 1 StGB erfasst sein. Das Auswerten und Systematisieren von Videoaufzeichnungen der PIN-Eingaben sowie das Erfassen der ausgelesenen Kartendaten der Kunden auf einem Datenträger stellt aber noch keine versuchte Fälschung von Zahlungskarten dar (BGH NJW 2010, 623; NStZ 2011, 517). In Phase 2 erfüllt die Anfertigung von Zahlungskarten („White Plastics“) den Tatbestand des § 152a I StGB bzw bei Zahlungskarten mit Garantiefunktion auch des § 152b I StGB sowie des § 269 StGB. Allerdings ist § 152b StGB die speziellere Norm.

Redaktion beck-aktuell, 3. März 2017.