OLG Düsseldorf: Ohne weitere Tätigkeit keine Vergütung nach dem RVG des als Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalts

FamFG § 277; BGB §§ 1836 I, III; 1835 I, II

Ein im Nachlassverfahren vom Gericht als Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt kann eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht mit Blick auf Auslegungsfragen des Testaments beanspruchen, sofern er diese im Rahmen seiner Bestellung weder zu beantworten hatte, noch tatsächlich beantwortet oder auch nur eine förmliche Entscheidung hierüber angestoßen hat. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.10.2018 - I-3 Wx 52/17, BeckRS 2018, 30023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 25/2018 vom 12.12.2018

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Sachverhalt

Der am 2.7.2015 verstorbene Erblasser bestimmte mit Testament vom 20.5.2015:

„Mein Testament

Meiner Schwester A. vermache 20.000 E

Meiner B. vermache 20.000,- Ero und C. vermache E 20.000,- Ero nich bar.“

Der im Testament genannte C. beantragte am 21.4.2016 die Bestellung eines Nachlasspflegers; es sei zwar ein Erbscheinsantrag gestellt worden, jedoch habe das Nachlassgericht festgestellt, dass die Abstammungsverhältnisse nicht sicher durch Personenstandsurkunden nachweisbar seien. Er wolle seinen Anspruch auf Zahlung des Vermächtnisses iHv 20.000 EUR geltend machen.

Daraufhin bestellte das Nachlassgericht Rechtsanwalt D. als Nachlasspfleger und zugleich den Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger. Die Verfahrenspflegschaft werde berufsmäßig geführt und umfasste Anhörungsverfahren, Rechtsmittelverfahren und Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers.

Zu dem Antrag des Nachlasspflegers, ein näher bezeichnetes Sparkonto in voller Höhe freizugeben, damit der fällige Vermächtnisanspruch befriedigt werden könne, bat das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1 um Stellungnahme.

Am 2.9.2016 führte der Beteiligte zu 1 ua aus, das Testament sei auslegungsbedürftig. Einiges dürfe für einen Gesamtverfügungswillen sprechen. Zur Auslegung dürften noch Feststellungen zu treffen sein. Insoweit werde eine vorsorgliche Rücksprache mit dem zuständigen Nachlassrichter angeregt. Sollten dann die Voraussetzungen für die Annahme eines Vermächtnisses vorliegen, stehe dem Gläubiger der geltend gemachte Anspruch zu. Vor diesem Hintergrund stelle der Antrag des Nachlasspflegers eine sachgerechte Maßnahme der Nachlassverwaltung dar, gegen die Erteilung der Genehmigung würden keine Bedenken bestehen.

Mit Antrag vom 19.9.2016 bat der Beteiligte zu 1 um Festsetzung seiner Gebühren und Erstattung aus der Staatskasse. Dabei rechnete er nach dem RVG ab, weil er als Vorfrage für die Genehmigung zur Auflösung des Sparbuches die Berechtigung der Nachlassverbindlichkeit zu prüfen gehabt habe. Unter Bezug auf die ablehnende Stellungnahme des Beteiligten zu 2 bat das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1 um Mitteilung, ob der Antrag zurückgenommen und stattdessen ein Antrag unter Berücksichtigung des üblichen Stundensatzes von 33,50 EUR gestellt werde. Der Beteiligte zu 1 hielt an seinem Standpunkt fest und vertiefte seine Begründung hierzu.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Nachlassgericht die Vergütung antragsgemäß fest. Der Vermerk des Nachlassrichters vom 30.10.2015 in der Nachlassakte, dass gesetzliche Erbfolge gelte, entbinde den Beteiligten zu 1 nicht von seiner Prüfungspflicht. Wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass doch eine Erbeinsetzung vorliege, wäre eine entsprechende nachlassgerichtliche Entscheidung herbeizuführen gewesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2 (eine Prüfung des dem Vermächtnis zugrunde liegenden Testaments sei nicht erforderlich gewesen), der das Nachlassgericht nicht abhalf und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegte.

Entscheidung: zum Beruf gehörende Dienste, konkrete Tätigkeit erforderlich

Infolge der unangefochtenen Bestellung des Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger richtet sich seine Vergütung grundsätzlich nach den Vorschriften des VBVG, entsprechend § 277 FamFG, § 1836 I und III BGB. Danach erhalte der Verfahrenspfleger, wenn die Verfahrenspflegschaft - wie hier - ausnahmsweise berufsmäßig geführt werde, eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 I und II VBVG.

Nach § 277 I FamFG erhalte der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 I bis II BGB. Auf § 1835 III BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweise § 277 FamFG zwar nicht. Nach stRspr des BGH sei diese Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser könne daher eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen habe, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde. Daran fehle es hier.

Zwar sei richtig, dass das Testament Auslegungsfragen aufgeworfen habe. Diese Auslegungsfragen habe allerdings der Beteiligte zu 1 im Rahmen seiner Bestellung als Verfahrenspfleger weder beantworten müssen, noch habe er sie tatsächlich beantwortet oder auch nur eine förmliche Entscheidung hierüber angestoßen.

Zum einen sei das Nachlassgericht von gesetzlicher Erbfolge ausgegangen und habe dies - auch ohne Berücksichtigung des (internen) Vermerks des Richters vom 30.10.2015 - ersichtlich seiner Entscheidung über die Bestellung des Nachlasspflegers und des Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger zugrunde gelegt. Folgerichtig habe es die Bestellung des Beteiligten zu 1 auch nicht auf die Prüfung dieser Frage, sondern nur auf Anhörungsverfahren, Rechtsmittelverfahren und Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers erstreckt.

In dem so festgelegten Rahmen seiner Tätigkeit als Verfahrenspfleger habe sich die vom Beteiligten zu 1 angesprochene Frage allenfalls als eine Vorfrage gestellt. Diese habe er allerdings lediglich angerissen, ohne sie zu beantworten. Auch habe er nicht auf Herbeiführung einer nachlassgerichtlichen Entscheidung bestanden, sondern lediglich eine vorsorgliche Rücksprache mit dem Nachlassrichter angeregt.

Praxishinweis

§ 1835 III BGB ist wegen des Ausnahmecharakters der Bestimmung eng auszulegen. Der Rechtsanwalt kann daher nur dann für im Rahmen zB der Vormundschaft ausgeführte Tätigkeiten ein Honorar nach den Grundsätzen des RVG verlangen, wenn die Bewältigung der mit der abzurechnenden Tätigkeit verbundenen Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten erfordert und deshalb eine originär anwaltliche Dienstleistung darstellt (Mayer/Kroiß/Mayer, 7. Aufl. 2018, RVG § 1 Rn. 92).

Redaktion beck-aktuell, 14. Dezember 2018.