OLG Nürnberg: Erledigung des Auftrags zur Vertretung im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe erst nach vier Jahren

ZPO § 120 a; RVG § 15 II, V 2

Ein im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt kann für seine Tätigkeit im Verfahren auf Überprüfung, ob sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten geändert haben (§ 120 a ZPO), keine gesonderte Vergütung geltend machen, auch wenn die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe mehr als zwei Jahre zurückliegt (§ 15 II RVG). Der Auftrag zur Vertretung im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe ist erst erledigt im Sinne des § 15 V 2 RVG, wenn seit der Beendigung des (Haupt)Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§ 120 a I 4 ZPO).

(Leitsatz des Gerichts)

OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.08.2018 - 10 WF 973/18, BeckRS 2018, 21447

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 20/2018 vom 02.10.2018

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Sachverhalt

Die beschwerdeführende Rechtsanwältin vertrat im vorliegenden Scheidungsverfahren den Antragsteller. Diesem war mit Beschluss vom 6.3.2015 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Beschwerdeführerin als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet worden. Mit Endbeschluss vom 21.9.2015 hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Mit Verfügung vom 22.11.2017 leitete das Familiengericht ein Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren nach § 76 I FamFG iVm § 120 a I 1 ZPO ein und übersandte die Aufforderung nach § 120 a I ZPO an die Beschwerdeführerin. Diese begehrte von der Staatskasse in der Folge ua die Zahlung einer Gebühr nach VV 3335 RVG für ihre anwaltliche Tätigkeit im Überprüfungsverfahren.

Die Rechtspflegerin wies den Vergütungsantrag mit Beschluss zurück und vertrat die Meinung, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahrens rechtfertige nicht den Ansatz einer weiteren Gebühr, da es sich bei der Tätigkeit nicht um eine neue Angelegenheit gehandelt habe, § 15 II RVG. Das Überprüfungsverfahren gehöre noch zum Ausgangsverfahren, und die 2-Jahresfrist des § 15 V RVG beginne frühestens mit Beendigung des Überprüfungsverfahrens.

Gegen den ihr zugestellten Beschluss legte die Verfahrensbevollmächtigte im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Sie war der Auffassung, bei dem Überprüfungsverfahren handele es sich um eine neue kostenrechtliche Angelegenheit, die mit der früheren Verfahrensgebühr nicht abgegolten sei, da die 2-Jahresfrist des § 15 V RVG bereits mit Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung vom 21.9.2015 zu laufen begonnen habe. Da das Überprüfungsverfahren erst am 22.11.2017 eingeleitet worden sei, sei ihre Tätigkeit nach VV 3335 RVG zu vergüten. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das Familiengericht habe zu Recht die beantragte Vergütungsfestsetzung abgelehnt, weil die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren bereits durch die im Juni 2015 gezahlte Vergütung abgegolten sei, § 15 I und II RVG.

Gemäß § 15 II RVG könne ein Rechtsanwalt Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Der Begriff der Angelegenheit sei im RVG selbst nicht ausdrücklich definiert. Allerdings stellten nach § 16 Nr. 2 RVG das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden sei, dieselbe Angelegenheit dar, wenn der Rechtsanwalt auch im Hauptsacheverfahren mandatiert war. Zum Prozesskostenhilfeverfahren zähle auch das Verfahren auf Abänderung oder Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe, zumal nach § 16 Nr. 3 RVG auch mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug als dieselbe Angelegenheit iSd § 15 II RVG gelten. Dass das Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren zum selben Rechtszug wie das Ausgangsverfahren gehöre, habe der BGH zwischenzeitlich klar entschieden (BeckRS 2011, 01163; 2016, 10604). Mit der Vergütung des Rechtsanwaltes für seine Tätigkeit im Hauptsacheverfahren sei daher auch seine Tätigkeit im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe und des Überprüfungsverfahrens nach § 120 a ZPO abgegolten, § 15 II RVG.

Ein weiterer Gebührenanspruch ergebe sich vorliegend auch nicht aus der Regelung des § 15 V RVG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erhalte ein Rechtsanwalt, der beauftragt werde, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nachdem er in der Angelegenheit bereits tätig geworden war, dann nicht mehr Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Nach § 15 V 2 RVG gelte aber die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist.

Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift seien jedoch vorliegend nicht erfüllt. Einerseits fehle es bereits an einer neuen, bzw. erweiternden Auftragserteilung durch den Antragsteller, da die Tätigkeit im Überprüfungsverfahren noch zum Ausgangsverfahren gehöre. Selbst dann, wenn eine Beauftragung zu einer weiteren Tätigkeit vorliegen sollte, würde nach dem OLG Nürnberg die Beschwerdeführerin keine zusätzliche Gebühr erhalten, da bei einer Beauftragung zu Verfahrensbeginn die Tätigkeit bereits mit der Vergütung der Tätigkeit im Hauptsacheverfahren abgegolten wäre, und somit die Regelung des § 15 V 1 RVG zum Ansatz käme.

Hiervon abgesehen sei der frühere Auftrag nicht schon mit Erlass der Hauptsacheentscheidung vom 21.9.2015 erledigt iSd § 15 V 2 RVG, da zum Auftrag auch die Abwicklung des Abänderungs- und Überprüfungsverfahrens nach § 120 a ZPO bzw. § 124 ZPO gehöre. Insoweit schließe sich der Senat der Auffassung an, wonach die Frist des § 15 V 2 RVG frühestens mit Beendigung des Überprüfungsverfahrens beginne.

Praxistipp

Anders als nach Auffassung des OLG Nürnberg und des OLG Frankfurt (BeckRS 2016, 21409) ist der frühere Auftrag spätestens mit der Kosten- und Verfahrenswertfestsetzung erledigt, sodass zu diesem Zeitpunkt die Frist des § 15 V 2 RVG von zwei Kalenderjahren zu laufen beginnt. Nach zutreffender Auffassung kann der Anwalt dann eine gesonderte Vergütung verlangen, wenn mehr als zwei Jahre nach Erledigung des Ausgangsverfahrens ein Überprüfungsverfahren eingeleitet wird, er hierfür vom Mandanten beauftragt wird und den Mandanten darauf hingewiesen hat, dass diese weitere Tätigkeit eine gesonderte Vergütung auslöst (Schneider NZFam 2014, 627; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 23. Aufl. 2017, VV 3335 RVG Rn. 44). Die zuletzt genannte Auffassung trägt auch im Ergebnis der Tatsache Rechnung, dass die Vertretung eines Mandanten im Überprüfungsverfahren mehr als zwei Jahre nach der Beendigung des Ursprungsverfahrens es wieder notwendig macht, sich zu weiten Teilen wieder in das frühere Verfahren einzuarbeiten.

Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2018.