LSG Bayern: Keine Dokumentenpauschale durch das Einscannen von Schriftstücken

VV 7000 Nr. 1 a RVG

Das Einscannen von Dokumenten begründet keinen Anspruch auf Erstattung einer Pauschale nach VV 7000 Nr. 1 RVG, denn das Einscannen von Dokumenten ist keine Herstellung von Kopien im Sinne von VV 7000 Nr. 1 RVG. Als Kopie im Sinne des Kostenrechts ist nach dem 2. KostRMoG für die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise auf Papier, Karton oder Folie anzusehen. (Leitsatz des Gerichts)

LSG Bayern, Beschluss vom 09.08.2018 - L 12 SF 296/18 E, BeckRS 2018, 20745

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 19/2018 vom 19.09.2018

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Sachverhalt

Das Sozialgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 2.9.2016 Prozesskostenhilfe ab Klageerhebung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Das Verfahren endete im Erörterungstermin am 15.3.2017 mit einem Vergleich. Mit Kostennote vom 3.4.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der Gebühren für das abzurechnende Klageverfahren und machte dabei ua 59 EUR Dokumentenpauschale VV 7000 RVG für 278 Kopien zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt 1.165 EUR geltend. Auf Nachfrage zur Dokumentenpauschale teilte der Beschwerdeführer am 25.4.2017 unter Vorlage eines Kostenblattes mit, dass insgesamt die volle Akte mit 580 Blatt gescannt worden sei. Da bekannt sei, dass dies regelmäßig nicht vergütet werde, würden mit 278 Blatt nur Teile für die Pauschale geltend gemacht. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.5.2017 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG die dem Beschwerdeführer die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf insgesamt 1.095 EUR fest, wobei die Gebühren und Auslagen bis auf die Dokumentenpauschale VV 7000 RVG antragsgemäß festgesetzt wurden. Die Dokumentenpauschale iHv 59 EUR könne nicht berücksichtigt werden, da Kosten für das Scannen von Akteninhalten nicht erstattungsfähig seien. Dagegen legte der Beschwerdeführer am 29.6.2017 Erinnerung ein mit der Begründung, der Aufwand für das Fertigen eines Scans und das Fertigen einer Kopie sei derselbe. Der Beschwerdegegner vertrat die Auffassung, nach Gesetzesintention und Rspr. seien bei bloßem Scan Kosten nicht zu erstatten. Das SG wies die Erinnerung mit Beschluss und zurück und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer legte unter Hinweis auf seine bisherigen Ausführungen Beschwerde ein. Das SG half der Beschwerde nicht ab, die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das SG habe ebenso wie der Urkundsbeamte zutreffend entschieden, dass das Einscannen der Akte keinen Anspruch auf Erstattung einer Pauschale gem. VV 7000 Nr. 1 RVG begründe. Bis zum 2. KostRMoG habe allerdings für einen Ersatzanspruch die Herstellung und Überlassung ua von Ablichtungen genügt. Überwiegend sei in Rspr. und Lit. angenommen worden, dass durch Einscannen eine Ablichtung iSd bisherigen Fassung von VV 7000 RVG entstanden war und damit zu einem Ersatzanspruch nach VV 7000 Nr. 1 RVG habe führen können. Dies könne nun nicht mehr vertreten werden. Der Auslagentatbestand VV 7000 RVG idF des 2. KostRMoG sehe nunmehr eine Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten ua für Kopien und Ausdrucke vor. Der Beschwerdeführer habe unstreitig keine Fotokopien hergestellt oder Ausdrucke der Scans gefertigt, sondern lediglich die Akte eingescannt. Das Einscannen begründe keinen eigenen Ersatzanspruch, denn das Einscannen von Dokumenten sei keine Herstellung von Kopien iSv VV 7000 Nr. 1 a RVG. Als Kopie iSd Kostenrechts sei nur die Reproduktion einer Vorlage auf einen körperlichen Gegenstand, beispielsweise auf Papier, Karton oder Folie anzusehen. Dies werde in der Begründung zum 2. KostRMoG ausdrücklich klargestellt.

Der Begriff der Kopie iSd Kostenrechts sei im Lichte dieser ausdrücklich als Klarstellung bezeichneten Gesetzesbegründung zu sehen. Eine Berücksichtigung von bloßen Scans scheide insoweit aus.

Die unterschiedliche Erstattung von Kopien in Papierform und Ablichtungen in elektronischer Form führe auch nicht zu einer ungleichen Behandlung identischer Sachverhalte. Sie beachte vielmehr die unterschiedlichen Arbeitsschritte und Kosten. Die besonders zeitintensive Sichtung der Akten auf den zu kopierenden Inhalt entfalle bei einem Aktenscan zumindest dann, wenn die Gesamtakten ohne nähere Prüfung gescannt würden. Ebenso entfielen Kosten, die der Rechtsanwalt beim Kopieren ua für Papier, Toner, Aktenordner und Lagerraum aufwenden müsse.

Nach Auffassung des Senats führe diese Rechtslage nach dem 2. KostRMoG zwar angesichts der zunehmenden Digitalisierung nicht immer zu nachvollziehbaren Ergebnissen, halte sich aber im Rahmen des weit gefassten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und sei daher zulässig.

Es bleibe jedoch anzumerken, dass der Arbeitsaufwand für Einscannen und Fotokopieren grundsätzlich im Wesentlichen gleich sei. Auch dienten sowohl das Kopieren als auch das Einscannen demselben Zweck, der darin liege, dem Rechtsanwalt dauerhaft Zugriff auf die wesentlichen Bestandteile der Akte zu verschaffen. Eine kostenrechtlich unterschiedliche Behandlung beider Vorgänge sei daher schwer nachzuvollziehen. Die Neuregelung durch das 2. KostRMoG stelle aber nach der Gesetzesbegründung, die auf die Verkörperung der Kopien ziele, wohl die Vergütung der reinen Reproduktionskosten in den Vordergrund. Angesichts des klaren Wortlautes der Gesetzesmaterialien sei deshalb eine Auslegung von VV 7000 Nr. 1 RVG, die Dokumentenpauschale auch für das Einscannen zuzubilligen, nach Auffassung des Senats nicht zulässig. Auch eine analoge Anwendung von VV 7000 Nr. 1 RVG scheide aus, da eine planwidrige Regelungslücke wegen der eindeutigen Gesetzesbegründung nicht vorliege.

Praxistipp

De lege lata lässt sich gegen die Entscheidung des LSG Bayern nichts einwenden. Mit seiner Auffassung, dass für das bloße Einscannen keine Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 1 RVG entsteht, liegt das LSG Bayern auf der Linie der übrigen Rspr. (vgl. zB LSG Niedersachen-Bremen BeckRS 2017, 110509 und KG BeckRS 2015, 20949 mAnm Mayer FD-RVG 2016, 374830) und der Lit. (s. hierzu näher in Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 23. Aufl. 2017, VV 7000 RVG Rn. 181 ff.). Das LSG Bayern macht aber in seiner Entscheidung auch deutlich, dass dieses Ergebnis für unbefriedigend hält. Dementsprechend enthalten auch die von DAV und BRAK gemeinsam entwickelten Vorschläge zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung und Ergänzung und Klarstellung des RVG vom März 2018 auf S. 20 den Wunsch nach der Klarstellung, dass auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst wird.

Redaktion beck-aktuell, 19. September 2018.