KG: Entfallen des anwaltlichen Vergütungsanspruchs nach Mandatskündigung auch bei erst nachträglich entdecktem Kündigungsgrund

BGB § 628 I 2

Eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 628 I 2 BGB ergibt, dass auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, die Kündigung im Sinne der Vorschrift veranlasst haben kann. (Leitsatz der Schriftleitung)

KG, Urteil vom 08.06.2018 - 9 U 41/16, BeckRS 2018, 15152

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 16/2018 vom 08.08.2018

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Sachverhalt

Die Beklagte wandte sich an den Kläger, weil sie befürchtete, von einer Notarin wegen Vergütungsansprüchen in Anspruch genommen zu werden. Nach der Erstberatung durch den Kläger beauftragte die Beklagte den Kläger mit der Abwehr dieser Ansprüche sowie darüber hinaus mit dem Entwurf von zwei Grundstücksübertragungsverträgen. Mit Schreiben vom 10.10.2014 kündigte die Beklagte die die Fertigung der Grundstücksübertragungsverträge betreffenden Mandate, weil sie noch Bedenkzeit brauche und die Häuser erst schätzen lassen wolle. Daraufhin legte der Kläger vier Rechnungen vom 13.10.2014, und zwar 952 EUR für die Erstberatung, 1.689,80 Euro für die außergerichtliche Tätigkeit, 16.342,27 EUR und 9.202,27 EUR für den Entwurf der beiden Grundstücksübertragungsverträge. Ferner übersandte der Kläger der Beklagten die von ihm bereits angefertigten, jedoch ausdrücklich noch nicht fertiggestellten Entwürfe. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 3.11.2014 berief sich die Beklagte auf den Wegfall der Vergütungspflicht bezüglich des Mandates zur Fertigung der Grundstücksübertragungsverträge wegen steuerschädlicher Vertragsgestaltung sowie auf eine sittenwidrige Überhöhung des Honorars wegen der Vergütungen für die Erstberatung und die außergerichtliche Tätigkeit gegenüber der Notarin. Das LG verurteilte die Beklagte zur Zahlung der ersten beiden oben aufgeführten Rechnungen und wies die Klage im Übrigen ab. Gegen die Klageabweisung im Übrigen wendete sich der Kläger mit seiner Berufung. Die Beklagte erhob ihrerseits Anschlussberufung und wandte sich insoweit gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung aus der Rechnung iHv 1.689,80 EUR. Die Verurteilung zur Zahlung der ersten Rechnung griff die Beklagte nicht an. Berufung und Anschlussberufung hatten keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Der Kläger könne von der Beklagten nicht Zahlung der mit den Rechnungen über 16.342,27 EUR sowie über 9.202,27 EUR abgerechneten Vergütungen für die Beauftragung mit der Fertigung der Entwürfe für Grundstücksübertragungsverträge verlangen, denn insoweit stehe ihm gem. § 628 I 2 BGB ein Vergütungsanspruch nicht zu. Nach dieser Vorschrift entfalle der Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstberechtigten (§ 626 oder 627 BGB) veranlasst habe und die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Dienstberechtigten kein Interesse haben.

Unstreitig habe die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.2014 die Mandate zur Fertigung der Entwürfe für Grundstücksübertragungsverträge gekündigt. Unstreitig sei zwischen den Parteien auch, dass die bisherigen Leistungen des Klägers infolge der Kündigung für die Beklagte kein Interesse mehr hatten.

Nach Auffassung des Senates habe der Kläger auch iSv § 628 I. 2 BGB durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung der Beklagten vom 10.10.2014 veranlasst. Die festgestellte Fehlerhaftigkeit der Vertragsentwürfe stelle ein vertragswidriges, die Kündigung des Vertragspartners veranlassendes Verhalten des Klägers iSv § 628 I 2 BGB dar, welches grds. geeignet sei, im Falle der Kündigung den Vergütungsanspruch entfallen zu lassen. Ein vertragswidriges Verhalten im Sinne dieser Vorschrift setze nach der Rspr. des BGH lediglich schuldhaftes Verhalten voraus.

Ein schuldhaftes und nicht nur geringfügiges vertragswidriges Verhalten des Klägers sei im vorliegenden Fall gegeben gewesen. Der Kläger habe seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dadurch schuldhaft verletzt, dass er für die Klägerin völlig ungeeignete Vertragsentwürfe vorbereitet habe. Wie das Landgericht – von der Berufung unangegriffen – ausgeführt habe, seien die vom Kläger gefertigten Vertragsentwürfe fehlerhaft, weil sie steuerschädlich einen Zuwendungsnießbrauch anstelle eines Vorbehaltsnießbrauchs regelten.

Dieses vertragswidrige Verhalten des Klägers habe die Kündigung der Beklagten vom 10.10.2014 auch iSv § 628 I 2 BGB veranlasst. Allerdings treffe es zu, dass die Beklagte das Mandat zur Erstellung der Entwürfe ausdrücklich allein deshalb beendet habe, weil sie noch Bedenkzeit brauche und die Häuser erst schätzen lassen wolle. Das vertragswidrige Verhalten des Klägers, welches der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bekannt war, sei demgegenüber nicht Grundlage der Kündigung gewesen.

Nach der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur solle dieser Umstand der Anwendung von § 628 I 2 BGB im vorliegenden Fall entgegenstehen. Nach der Rspr. des BGH zu einer vergleichbaren Regelung zum Handelsvertreterausgleichsanspruch liege jedoch eine andere Auslegung der Vorschrift näher. Danach gelte auch im Falle einer Kündigung des Dienstberechtigten, dass ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestanden habe, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, die Kündigung iSd Vorschrift des § 628 I 2 BGB veranlasst haben könne. Die sich allein gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vergütung aus der Rechnung iHv 1.689,80 EUR richtende Anschlussberufung ist unbegründet.

Praxistipp

Die vom Kammergericht unter Berufung die Entscheidung des BGH NJW 1963, 286 vertretene Auffassung überzeugt nicht. Denn zum einen stellt § 628 I 2 BGB ausdrücklich darauf ab, dass der Dienstverpflichtete durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils „veranlasst“ hat. Eine solche Veranlassung ist nicht gegeben, wenn der Dienstberechtigte aus völlig anderen Gründen kündigt, die mit einem vertragswidrigem Verhalten des Dienstverpflichteten nichts zu tun haben. Hinzu kommt, dass auch der Dienstberechtigte wegen der durch § 627 BGB erleichterten Kündigungsmöglichkeit im gewissen Rahmen vor „grundlosen“ Kündigung zu schützen ist.

Redaktion beck-aktuell, 8. August 2018.