OLG Oldenburg: Keine weitere Verfahrensgebühr bei Parteiwechsel auf der Mandantenseite

RVG § 7, VV 1008 RVG

Bei einem Parteiwechsel erhält der Anwalt der beiden wechselnden Parteien nur eine Gesamtvergütung nach § 7 RVG iVm VV 1008 RVG. Bei dem Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs (gegen den Gemeinschuldner) und dem Antrag auf Feststellung des Anspruchs zur Insolvenztabelle (gegen den Insolvenzverwalter) handelt es sich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. (Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.01.2018 - 13 WF 9/18, BeckRS 2018, 8339

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 12/2018 vom 13.06.2018

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Sachverhalt

In einer Zugewinnausgleichssache vertrat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners diesen zunächst als beigeordnete Anwältin gegen eine Leistungsklage. Ihr wurde am 19.1.2016 eine 1,3 Verfahrensgebühr aus der Staatskasse ausgezahlt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners vertrat die Beschwerdeführerin den Insolvenzverwalter gegen die in eine Insolvenzfeststellungsklage umgestellte Klage. In der Folge wandte sich die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners gegen die Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Anwältin, und zwar gegen die Absetzung der Verfahrensgebühr sowie dagegen, dass die Vergütung nach dem RVG in der Fassung vor dem 1.8.2013 berechnet wurde. Das Amtsgericht wies die Erinnerung durch Beschluss zurück, die hiergegen gerichtete Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners hatte vor dem OLG Oldenburg keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das Amtsgericht habe die geltend gemachte 1,3-fache Verfahrensgebühr zu Recht abgesetzt, nachdem der Beschwerdeführerin bereits am 19.1.2016 eine Verfahrensgebühr ausgezahlt worden sei. Dass die Beschwerdeführerin diese Gebühr erhalten habe, bevor das Verfahren gegen den Antragsgegner als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners wieder aufgenommen worden sei, sei unerheblich. Denn bei einem Parteiwechsel erhalte der Anwalt der beiden wechselnden Parteien nur eine Gesamtvergütung nach § 7 RVG iVm VV 1008 RVG. Bei dem Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs (gegen den Gemeinschuldner) und dem Antrag auf Feststellung des Anspruchs zur Insolvenztabelle (gegen den Insolvenzverwalter) handele es sich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. Der Anwalt könne die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern, § 15 II RVG. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn sei das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt besorgen solle. Nach § 22 I RVG könne eine Angelegenheit mehrere Gegenstände umfassen, mehrere Aufträge könnten dieselbe Angelegenheit betreffen (§ 15 V RVG), selbst wenn sie von verschiedenen Auftraggebern erteilt worden seien (§ 7 RVG). Entscheidend sei insoweit, ob zwischen den Aufträgen ein innerer Zusammenhang bestehe und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmten, dass von einem einheitlichen Rahmen der Tätigkeit gesprochen werden könne.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin werde der Anwalt nicht schon deshalb in zwei Angelegenheiten tätig, wenn er bei einem Parteiwechsel sowohl den alten als auch den neuen Auftraggeber vertrete. Maßgeblich sei vielmehr der Zusammenhang der Beauftragungen. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Umstellung des Klageantrags von der Leistungs- in eine Insolvenzfeststellungsklage sei nicht einmal als Klageänderung nach § 263 ZPO anzusehen, sie sei vielmehr wegen einer „später eingetretenen Veränderung“ gemäß § 264 Nr. 3 ZPO zulässig und lasse die Identität des geltend gemachten Anspruchs unberührt. Es handele sich um eine verfahrensrechtliche Anpassung des Antrags an die insoweit maßgebenden Vorschriften der Insolvenzordnung. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliere der Schuldner nach § 80 InsO lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, bleibe aber Rechtsinhaber. Der innere Zusammenhang werde auch in der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 250 ZPO deutlich: Werde das Verfahren mit Umstellung des Antrags auf die Feststellung zur Tabelle fortgesetzt, handele es sich lediglich um die „Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens“. Der Anwalt könne daher nur jeweils eine Pauschgebühr verlangen, die das Verfahren vor und nach dem Wechsel abdecke.

Aus den vorstehenden Erwägungen folge auch, dass die Gebühr nicht nach der Tabelle zum Stand 1.8.2013 zu berechnen sei. Da der Begriff der Angelegenheit nicht von der Person des Auftraggebers abhänge, gelte dies nicht nur für Folgeaufträge desselben Mandanten wie bei einer Klageerweiterung oder Widerklage, sondern auch für das Hinzutreten eines weiteren Auftraggebers. Es bleibe vielmehr bei dem maßgeblichen Grundsatz, wonach der Zeitpunkt der Auftragserteilung in der Angelegenheit ausschlaggebend sei. Da der unbedingte Auftrag schon vor dem 1.8.2013 erteilt worden sei, sei die Vergütungsfestsetzung des Amtsgerichts auch insoweit zutreffend.

Praxistipp

Nach der Rechtsprechung des BGH führt ein Parteiwechsel innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nie dazu, dass zwei Angelegenheiten vorliegen. Es bleibt eine Angelegenheit und der Rechtsanwalt vertritt in Folge des Parteiwechsels mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit, der Mehrvertretungszuschlag fällt daher an und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt zeitweilig beide Parteien gleichzeitig oder nur nacheinander vertreten hat (s. hierzu näher Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar/Müller-Rabe, 23. Aufl. 2017, VV 1008 RVG Rn. 104 mwN).

Redaktion beck-aktuell, 13. Juni 2018.