OVG Münster: Pauschale und substanzlose Berufung auf angebliche Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages unbeachtlich

RVG § 11 V 1

Eine pauschale Berufung auf eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages genügt nicht den Mindestanforderungen an die Erhebung außergebührenrechtlicher Einwendungen oder Einreden nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG. (Leitsatz des Gerichts)

OVG Münster, Beschluss vom 20.12.2017 - 4 E 891/17, BeckRS 2017, 136426

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 2/2018 vom 17.01.2018

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Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht hatte befunden, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Recht die Rechtsanwaltsvergütung des Antragstellers, des früheren Prozessbevollmächtigen der Antragsgegnerin, in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht antragsgemäß festgesetzt und dies nicht gem. § 11 V 1 RVG wegen außergebührenrechtlicher Einwendungen oder Einreden der Antragsgegnerin abgelehnt hat. Die Antragsgegnerin hatte vorgebracht, ihr stünden im Zusammenhang sowohl mit dem der Vergütungsfestsetzung zugrundeliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch mit einem vor dem Amtsgericht E. geführten Rechtsstreit gegen den Antragsteller Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages bzw. nicht ordnungsgemäßer Vertretung zu, mit denen sie aufrechnen werde bzw. den Honoraransprüchen des Antragstellers entgegengesetzt werden könnten. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Erinnerungsbeschluss des Verwaltungsgerichts hatte vor dem OVG Münster keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Nach § 11 V 1 RVG sei die Festsetzung abzulehnen, wenn der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebe, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Dafür genüge grundsätzlich die bloße Berufung des Antragsgegners auf einen solchen Einwand. Über die Begründetheit des Einwandes sei nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Deshalb könne grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden, noch habe eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung zu erfolgen.

Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur dann, wenn der Einwand offensichtlich unbegründet sei, dh wenn seine Haltlosigkeit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand liege, substanzlos sei oder erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt werde. Danach genüge die bloße Berufung auf einen außergebührenrechtlichen Einwand insbesondere dann nicht, wenn sie sich in einer abstrakten Rechtsbehauptung ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt erschöpfe. Zu verlangen sei vielmehr, dass vom Antragsgegner vorgetragene, außergebührenrechtliche Gesichtspunkte an bestimmte Gegebenheiten anknüpfen, sodass erkennbar werde, aus welchem konkreten Lebenssachverhalt der Anspruchsgegner seine Einwendung oder Einrede herleite. Diesen Mindestanforderungen an die Erhebung einer außergebührenrechtlichen Einwendung oder Einrede genüge das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht. Insoweit nehme der Senat zunächst gem. § 122 II 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Ergänzend sei lediglich noch auszuführen, dass es die Antragsgegnerin auch noch im Beschwerdeverfahren bei der abstrakten und substanzlosen Rechtsbehauptung belassen habe, ihr stünden im Zusammenhang sowohl mit dem der Vergütungsfestsetzung zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch mit einem vor dem Arbeitsgericht E. geführten Rechtsstreit gegen den Antragsteller Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages bzw. nicht ordnungsgemäßer Vertretung zu, mit denen sie aufrechnen werde bzw. die Honoraransprüchen des Antragstellers entgegengesetzt werden könnten. Es fehle an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass ihr derartige Gegenansprüche zustehen könnten, die eine Aufrechnung ermöglichten. Die Antragsgegnerin habe nicht ansatzweise vorgetragen, welche konkreten Pflichtverletzungen sie dem Antragsgegner vorhalte. Eine derart pauschale und substanzlose Berufung auf eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages sei unbeachtlich.

Praxistipp

Bei der Beachtlichkeit des Vorbringens des Antragsgegners im Vergütungsfestsetzungsverfahren gegen den eigenen Mandanten muss zwischen den Mindestanforderungen an das Vorbringen und die Frage der Schlüssigkeitsprüfung unterschieden werden. So muss die Einwendung oder Einrede zunächst erkennen lassen, dass der Antragsgegner sie aus konkreten, tatsächlichen Gründen herleitet, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben, die nur formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes reicht nicht aus (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. 2017, RVG § 11 Rn. 112). Strittig ist, ob die Einwendung des Antragsgegners im Festsetzungsverfahren einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehen sind. Nach herrschender Meinung findet eine Schlüssigkeitsprüfung nicht statt (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, RVG § 11 Rn. 139 mwN). Die Gegenauffassung, die verlangt, dass in Vergütungsfestsetzungsverfahren eine Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der Einwendung vorgenommen werden soll, überzeugt nicht. Denn die Überprüfung einer außergebührenrechtlichen Einwendung des Antraggegners auf Schlüssigkeit durch den mit der Vergütungsfestsetzung beauftragten Rechtspfleger oder Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht praktikabel.

Redaktion beck-aktuell, 17. Januar 2018.