LSG Bayern: Keine Terminsgebühr für telefonische Nachfrage nach Einigungsbereitschaft

VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG

Eine bloße telefonische Nachfrage, ob eine vergleichsweise Einigung möglich sei, löst noch keine Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 III RVG aus. Der Ansatz einer Terminsgebühr im Rahmen eines Telefonats setzt zumindest eine Gesprächsbereitschaft der anderen Seite voraus. Der Gegner muss bereit sein, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. (von der Schriftleitung bearbeitete Leitsätze des Gerichts)

LSG Bayern, Beschluss vom 27.11.2017 - L 12 SF 175/17, BeckRS 2017, 135113

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 1/2018 vom 04.01.2018

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Sachverhalt

Das Klageverfahren vor dem SG betraf eine Streitigkeit aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss vom 15.7.2015 dem Kläger als Rechtsanwalt beigeordnet. Das Verfahren endete durch Gerichtsbescheid vom 7.6.2016, gegen den Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt wurde. Mit Schriftsatz vom 26.9.2016 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung für das Klageverfahren iHv 714 EUR festzusetzen und setzte dabei ua eine Terminsgebühr VV 3106 RVG gem. VV Vorbem. 3 III RVG iHv 280 EUR an. Hinsichtlich der Terminsgebühr verwies er auf ein Schreiben vom 7.3.2016 an die Beklagte. Auf Nachfrage der Urkundsbeamtin vom 6.12.2016 teilte die Beklagte am 7.12.2016 mit, sich an die Dauer des Telefonats mit der Rechtsanwaltskanzlei nicht erinnern zu können. Als Telefonvermerk sei lediglich aufgenommen, der Rechtsanwalt habe mitgeteilt, es ginge vorliegend nicht um eine Weitergewährung, sondern Entziehung der Rente und somit darum, ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Dies sei seiner Meinung nach nicht der Fall und er wolle daher wegen einer vergleichsweisen Einigung anfragen. Man habe auf das anwaltliche Schreiben vom 7.3.2016 mitgeteilt, dass Schriftverkehr im laufenden Klageverfahren nur über das Sozialgericht erfolge und außerhalb des gerichtlichen Verfahrens keine Verhandlungen geführt würden. Der Beschwerdeführer bestätigte mit Schreiben vom 27.12.2016 diesen Vortrag und ergänzte, die Beklagte sei telefonisch kontaktiert worden, um eine vergleichsweise Einigung zu erzielen. Die Beklagtenseite habe zugehört, jedoch nicht ad hoc reagieren können, da sie zum Zeitpunkt des Telefonats nicht alle Einzelheiten parat gehabt habe. Die genaue Dauer des Telefonats sei nicht mehr erinnerlich, es werde aber nicht über 5 Minuten hinausgegangen sein. Mit Beschluss vom 2.3.2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung auf 380,80 EUR fest, ohne eine Terminsgebühr anzusetzen. Das zwischen den Beteiligten geführte kurze Telefonat von nicht mehr als 5 Minuten sei nicht geeignet, eine solche Besprechungsgebühr auszulösen. Am 10.4.2017 legte der Beschwerdeführer wegen der Nicht-Festsetzung der Terminsgebühr Erinnerung ein. Das Sozialgericht wies die Erinnerung als unbegründet zurück. Eine Besprechung, die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sei, setze voraus, dass sich auch die andere Partei des Verfahrens auf Gespräche, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, einlasse. Dies sei aus dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Der Beklagte habe sich weder bei dem kurzen, fünfminütigen Telefonat in der 9. KW 2016 auf Gespräche zu Erledigung des Verfahrens eingelassen noch zu einem späteren Zeitpunkt. Die bloße Anfrage des Beschwerdeführers bei der Beklagten, ob für diese eine vergleichsweise Einigung denkbar sei, erfülle schon den Tatbestand der Besprechung nicht. Dazu wäre es erforderlich, dass zwischen den Parteien zumindest ansatzweise die Bereitschaft zu einer Erledigung des Verfahrens durch Vergleich bestanden habe und Möglichkeiten eines solchen Vergleichs erörtert worden seien. Dies liege nach dem übereinstimmenden Vortrag des Beschwerdeführers und der Beklagten nicht vor. Gegen den Beschluss des Sozialgerichts richtete sich die Beschwerde des Beschwerdeführers. Die Beschwerde hatte vor dem LSG Bayern keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das Sozialgericht habe zu Recht in seinem Beschluss vom 6.7.2017 die Entstehung einer Besprechungsgebühr verneint, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von VV Vorbem. 3 III 1 Alt. 3, 3 Nr. 2 RVG nicht erfüllt seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen nehme der Senat auf die dort genannten ausführlichen und zutreffenden Gründe vollinhaltlich Bezug. Der Beschwerdeführer habe auch im Beschwerdeverfahren keine Gründe vorgetragen, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten. Lediglich ergänzend werde ausgeführt, dass der Ansatz einer Besprechungsgebühr zumindest eine Gesprächsbereitschaft der anderen Seite voraussetze. Der Gegner müsse bereit sein, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Die Terminsgebühr in Form der Besprechungsgebühr scheide daher aus, wenn der Gegner sich inhaltlich schon nicht auf ein Gespräch einlasse mit der Begründung, zum Zeitpunkt des Telefonats nicht alle Einzelheiten parat zu haben. Die bloße telefonische Anfrage des Beschwerdeführers, ob eine vergleichsweise Einigung möglich sei, löse noch keine Besprechungsgebühr aus.

Praxistipp

Die Grenzziehung zwischen einer bloßen telefonischen Nachfrage und einer die Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung auslösenden Besprechung ist vielfach schwierig; entscheidend ist die Bereitschaft, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung einzutreten (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, VV Vorbem. 3 Rn. 69; OVG Münster NJW 2014, 1465 mAnm Mayer FD-RVG 2014, 355816). So fällt eine Terminsgebühr an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt (BGH NJW-RR 2007, 286 f. m. Bespr. Mayer RVG-Letter 2007, 6). Da auf Beklagtenseite keine Bereitschaft vorhanden war, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung einzutreten, hat das LSG Bayern im konkreten Fall zutreffend entschieden. Auffällig an der Entscheidung ist im Übrigen, dass das Gericht in den amtlichen Leitsätzen nach wie vor von Besprechungsgebühr spricht, einem Begriff, der noch aus den Zeiten der BRAGO stammt und den es seit 1.7.2004 gebührenrechtlich nicht mehr gibt.

Redaktion beck-aktuell, 5. Januar 2018.