AG Brandenburg: Anwaltsvertrag kann Fernabsatzvertrag sein

BGB §§ 611, 675, 312 c ff

Auch ein Anwaltsvertrag kann ein Fernabsatzvertrag sein, der ein Widerrufsrecht begründet. (von der Schriftleitung gekürzter Leitsatz des Gerichts)

AG Brandenburg, Urteil vom 13.10.2017 - 31 C 244/16, BeckRS 2017, 127843

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 22/2017 vom 02.11.2017

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Sachverhalt

Der Kl. – welcher in H. als Rechtsanwalt tätig ist – begehrte von dem Beklagten die Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung. Die Ehefrau des Beklagten hatte mit dem Fahrzeug des Beklagten am 27.2.2016 in ... Bü. einen Verkehrsunfall. Am Morgen des 29.2.2016 nahm der Beklagte dann zusammen mit seiner Ehefrau im „Autohaus ..." in N. ein Mietfahrzeug entgegen. Hierbei wurden dann auch Unterlagen hinsichtlich der Reparatur des Unfallfahrzeuges des Beklagten und der Anmietung des Mietfahrzeugs ausgefüllt und vom Beklagten unterzeichnet. Zugleich wurden durch den Mitarbeiter des Autohauses die Personalien des Beklagten und seiner Ehefrau und deren Handy-Telefonnummer mitaufgenommen. Der Mitarbeiter des „Autohauses ..." in N. empfahl dem in Br... wohnenden Beklagten bei Gelegenheit der Anmietung dieses Mietfahrzeugs dann noch am 29.2.2016 den jetzigen Kl. als Rechtsanwalt (mit Büro in H.) bzgl. des Verkehrsunfalls zu beauftragen. Der Kl. übersandte dann auch noch am 29.2.2016 per Telefax um 11:44 Uhr an das „Autohaus ..." eine vorgedruckte „Prozessvollmacht" des Kl. mit den dort eingefügten Personalien des Beklagten und der Unfallgegnerin. Diese vorgedruckte und ausgefüllte „Prozessvollmacht" des Kl. unterzeichnete der Beklagte dann noch im „Autohaus ...". Noch mit Schreiben vom 29.2.2016 bestätigte der Kl. ggü. dem Beklagten und seiner Ehefrau dann die Übernahme des Mandats anlässlich des Verkehrsunfalls. Mit Schriftsatz vom 29.2.2016 zeigte der Kläger ggü. dem Versicherer der Unfallgegnerin unter Beifügung der auf ihn lautenden Vollmacht zudem noch an, dass er – der Kl.– die Rechtsinteressen des hiesigen Beklagten vertrete. Bereits am 1.3.2016 teilte die Ehefrau des Beklagten dann ggü. dem Rechtsanwaltsbüro des Klägers telefonisch um 11:15 Uhr mit, dass sie doch keine Vertretung durch das Rechtsanwaltsbüro des Kl. möchte, sondern einen Rechtsanwalt in der Heimatstadt beauftrage. Mit E-Mail vom 1.3.2016 um 13:17 Uhr bezog sich die Ehefrau des Beklagten dann auf das bereits erfolgte Telefonat vom 1.3.2016 und entzog dem Kl. das Mandat. Zugleich teilte sie dem Kl. mit dieser E-Mail mit, dass sie einen Anwalt in ihrer Stadt in Anspruch nehme. Mit Kostennote vom 2.3.2016 rechnete der Kläger dann bei einem Geschäftswert von 6.879 EUR seine Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und MwSt. iHv insgesamt 650 EUR brutto ggü. dem Beklagten ab. Am 10.3.2016 meldete sich dann ein vom Beklagten beauftragter Rechtsanwalt bei dem Kl. und erklärte diesem ggü. im Namen des Beklagten, dass eine „konkrete Mandatierung" des Kl. durch den Beklagten nicht erfolgt sei. Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte im Übrigen dann auch nicht. Der Kl. machte dann seine Honorarforderung gegen den Beklagten gerichtlich geltend. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Zwar hätten die Prozessparteien hier am 29.2.2016 einen Anwaltsvertrag in Gestalt eines Geschäftsbesorgungsvertrags gem. § 675 I BGB geschlossen. Dieser Anwaltsvertrag sei aber als Fernabsatzvertrag zu qualifizieren, der von dem Beklagten wirksam widerrufen worden sei.

Ein Fernabsatzvertrag nach § 312 c BGB liege vor, wenn zwischen einem Unternehmer nach § 14 BGB und einem Verbraucher iSd § 13 BGB ein Vertrag unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolge. Das Fernabsatzrecht gelte somit nur nicht ggü. Mandanten, die Unternehmer seien (§ 14 BGB), wenn der Anwalt und der Mandant über die Mandatierung in einem persönlichen Gespräch (also nicht nur telefonisch oder per E-Mail) gesprochen hätten, bevor das Mandat erteilt wurde, und wenn es an einem „Vertriebs- oder Dienstleistungssystem" fehle, das auf den Fernabsatz ausgerichtet sei. Nicht jeder Anwaltsvertrag, bei dem zwischendurch telefoniert werde oder Mails bzw. Telefaxe verschickt werden, sei somit ein Fernabsatzvertrag. Das Gesetz verlange ein erkennbares System der Akquise und/oder der Abwicklung des Anwaltsvertrages über die Distanz der Fernkommunikationsmittel. Zur Anwendung des Fernabsatzrechts genüge es aber, wenn der Rechtsanwalt seinen Betrieb so organisiere, dass Verträge mit Verbrauchern regelmäßig auch im Fernabsatz abgeschlossen und abgewickelt werden könnten. Werde ein Anwaltsvertrag mit einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312 c BGB) abgeschlossen und bediene sich der Anwalt dieser Fernkommunikationsmittel in der Folge auch zur Leistungserbringung, so werde man einen Fernabsatzvertrag nicht verneinen können. Voraussetzung hierfür sei nur, dass sich der Rechtsanwalt Techniken der Kommunikation systematisch zu Nutze mache, um seine Geschäfte insgesamt als Distanzgeschäfte abzuwickeln. Vorliegend seien die Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln durchgeführt worden. Zunächst habe der Kl. am 29.2.2016 per Telefax um 11:44 Uhr an das Autohaus seine vorgedruckte „Prozessvollmacht" mit den ihm zuvor bereits mitgeteilten und dann dort in der Vollmacht eingefügten Personalien des Beklagten und der Unfallgegnerin übersandt. Eine persönliche Beratung des Beklagten bzw. dessen Ehefrau durch den Kl. habe nicht stattgefunden und sei auch nicht geplant gewesen. Dies spreche dafür, dass der Kl. sich die Techniken der modernen Kommunikation zu Nutze mache, um seine Geschäfte über die Distanz von H. nach N. abzuwickeln.

Der zwischen den Parteien vereinbarte Vertrag sei von dem Beklagten aber am 1.3.2016, jedenfalls aber am 10.3.2016 widerrufen worden. Die Widerrufsfrist des § 356 BGB iVm § 246a § 1 bzw. Art. 246b § 2 EGBGB sei hier somit eingehalten worden. Dass eine Widerrufsbelehrung erfolgt sei, sei zudem vorliegend weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, sodass der Beklagte hier spätestens seit dem 10.3.2016 gem. § 355 BGB auch nicht mehr an diesen Anwaltsvertrag gebunden sei.

Praxistipp

Ob der Rechtsanwaltsvertrag aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzvertragsrechts auszunehmen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. in diesem Zusammenhang AG Berlin-Charlottenburg (NJW-RR 2016, 184)). Das AG Brandenburg hat in der berichteten Entscheidung aufgrund der konkreten Form der Mandatsakquise das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages bejaht. Problematisch ist insbesondere die Anwaltsvergütung bei Widerruf im Rahmen eines als Fernabsatzvertrag zu qualifizierenden Anwaltsvertrages (s. hierzu näher Mayer AnwBl. 2014, 908 ff.).

Redaktion beck-aktuell, 8. November 2017.