AnwG Hamm: Kein mit dem Berufsrecht zu ahndender Verstoß bei Abschluss einer mündlichen Vergütungsvereinbarung

BRAO § 43; RVG §§ 3 a, 4 b

Der Abschluss einer mündlichen Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten stellt keinen mit dem Berufsrecht zu ahnenden Verstoß gemäß § 43 BRAO dar. (Leitsatz des Gerichts)

AnwG Hamm, Beschluss vom 11.05.2017 - 2 AnwG 52/16, BeckRS 2017, 118711

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 17/2017 vom 23.08.2017

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Sachverhalt

Der Betroffene vertrat seinen früheren Mandanten in einem Wiederaufnahmeverfahren. Bevor er mit Schriftsatz vom 6.12.2013 den Antrag auf Wiederaufnahme eines gegen seinen Mandanten geführten Strafverfahrens stellte, übermittelte er seinem Mandanten mit Datum vom 29.8.2013 eine Honorarrechnung über 2.500 EUR einschl. Umsatzsteuer. Textlich war in der Rechnung vermerkt: „Der Rechnungsbetrag entspricht hierbei der bereits mündlich getroffenen Vergütungsvereinbarung." Die Rechnung wurde von dem Mandanten des Betroffenen bezahlt. Der Betroffene räumte ein, seinem ehemaligen Mandanten eine Rechnung aufgrund einer nur mündlich getroffenen Honorarvereinbarung gestellt zu haben und vertrat die Auffassung, dass darin ein berufsrechtlicher Verstoß nicht zu sehen ist. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer erteilte dem Betroffenen eine Rüge. Dabei stellte der Vorstand fest, dass die getroffene Vergütungsvereinbarung nicht den Anforderungen gem. § 3 a RVG entsprach. Er sah ferner einen berufsrechtlichen Verstoß in dem Umstand, dass der betroffene Rechtsanwalt eine formell unwirksame Vergütungsvereinbarung getroffen habe. Dabei diene § 3 a RVG dem Schutz des Mandanten und ein Verstoß hiergegen stelle zugleich auch einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch begründete der betroffene Rechtsanwalt im Wesentlichen damit, dass der Mandant freiwillig und ohne Vorbehalt eine Zahlung vorgenommen habe. Er meinte ferner, § 3 a RVG stellte keine besondere berufsrechtliche Vorschrift dar. Der Einspruch wurde mit Beschluss zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss beantragte der betroffene Rechtsanwalt die Entscheidung des Anwaltsgerichts. Der Antrag hatte vor dem Anwaltsgericht Hamm Erfolg.

Rechtliche Wertung

Zwar habe der betroffene Rechtsanwalt gegen § 3 a I RVG verstoßen, indem er eine mündliche Vergütungsvereinbarung mit seinem Mandanten geschlossen habe. Dies stelle jedoch keinen mit dem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gemäß § 43 BRAO dar. Zwar sei richtig, dass § 43 BRAO als Generalklausel weiterhin eine Überleitungsnorm sei, indem § 43 BRAO die sich aus anderen gesetzlichen Regelungen mit berufsrechtlicher Relevanz ergebenden Pflichten in das anwaltliche Berufsrecht übertrage. Solche Gesetze mit berufsbezogenem Inhalt würden nach § 43 BRAO zum Bestandteil anwaltlichen Berufsrechts. Auch das Gebührenrecht des RVG gehöre nach einer Auffassung dazu.

Eine andere Auffassung meine, dass zwar auch das RVG Berufspflichten enthalte, dass aber dem RVG keine allgemeinen Berufspflichten entnommen werden können, weil das RVG ein Gebührengesetz sei. Auch wenn das RVG an den Anwalt anknüpfe und dieser Statuspflichten unterliege, führe dies nicht zu in dem RVG implantierten Berufspflichten.

Dieser Meinung ist nach dem Anwaltsgericht Hamm zu folgen. Es sei nicht davon auszugehen, dass in jedem Verstoß gegen Regelungen des RVG zugleich über § 43 BRAO ein Berufsrechtsverstoß zu sehen sei. Dabei sei nämlich zu berücksichtigen, ob der von einem Anwalt begangene Gesetzesverstoß über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus geeignet sein müsse, das Vertrauen in die Kompetenz und die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören. Es müsse daher geprüft werden, ob immer allein in dem Umstand, dass eine formell unwirksame Gebührenvereinbarung getroffen worden sei, ein Berufsrechtsverstoß liege. Dies würde nach dem Anwaltsgericht Hamm dann auch bedeuten, dass eine Gebührenvereinbarung, die nicht als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet sei, immer zu einem Berufsrechtsverstoß führen würde werde, weil der betroffene Rechtsanwalt gegen eben eine Vorschrift aus dem RVG verstoßen habe. Dies gehe nach diesseitiger Auffassung zu weit, denn allein der Abschluss einer formunwirksamen Vereinbarung führe nicht in jedem Fall dazu, dass das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft verletzt würde. Zwar müsse von jedem Rechtsanwalt erwartet werden können, dass er in der Lage sei, eine formwirksame Gebührenvereinbarung zu treffen, jedoch stelle ein Verstoß hiergegen eben nicht zugleich einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Die Folgen dieses Verstoßes würden gebührenrechtlich durch § 4 b RVG geregelt, nämlich dem Rechtsanwalt stünden höhere als die gesetzlichen Gebühren dann nicht mehr zu.

Zudem sei es allgemeine Ansicht, dass die Verletzung zivilrechtlicher Pflichten aus dem Mandatsvertrag in der Regel keinen Verstoß gegen Berufspflichten indizierten. So werde demnach die Auffassung vertreten, dass selbst unzulängliche Aufklärung, inhaltlich falsche Beratung und unsachgemäße Vertretung zwar zum Schadensersatz führen könnten, jedoch eine anwaltsgerichtliche Ahndung oder Rüge nicht zulässig sei. Dies führe dann aber im Umkehrschluss dazu, dass allein der Verstoß gegen formelle Regelungen des Gebührenrechts erst recht keinen immer zu ahndenden Berufsrechtsverstoß indiziere. Etwas anderes könne gelten, wenn die Art und Weise und besondere Umstände dazu führten, dass dies keine gewissenhafte Berufsausübung mehr darstelle und mit der Stellung des Rechtsanwaltes nicht mehr zu vereinbaren sei. Vorliegend seien solche besonderen Umstände nicht ersichtlich, weshalb allein der Umstand, dass eine mündliche Gebührenvereinbarung geschlossen wurde, nicht zu einem Berufsrechtsverstoß führe.

Praxistipp

Zu Recht spricht sich das Anwaltsgericht Hamm gegen eine berufsrechtliche „Pönalisierung" des anwaltlichen Gebührenrechts aus. Zwar ist der Verstoß gegen das Textformerfordernis beim Abschluss einer Vergütungsvereinbarung ein ziemlich elementarer Fehler, wenn man aber das Gebührenrecht zum Bestandteil des anwaltlichen Berufsrechts macht, wird die Grenzziehung äußerst schwierig. Denn vielfach sind gebührenrechtliche Fragen in Lit. und Rspr. umstritten. Zu Recht hat das Anwaltsgericht Hamm auch festgestellt, dass das Berufsrecht erst dann eingreifen sollte, wenn die Art und Weise und besondere Umstände dazu führten, dass keine gewissenhafte Berufsausübung mehr vorliegt und die Tätigkeit mit der Stellung eines Rechtsanwaltes nicht mehr zu vereinbaren ist (s. kritisch zu § 43 BRAO auch Römermann/Praß in BeckOK BORA, BRAO § 43 Rn. 3 ff.).

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2017.