OLG Frankfurt a. M.: Abzug eines Freibetrages vom Verkehrswert eines Grundstücks bei der Wertfestsetzung in Ehesachen

FamGKG § 43

Der Auffassung, selbstbewohnte Eigenheime in Anlehnung an das Schonvermögen nach § 90 II Nr. 8 SGB XII bei der Wertfestsetzung in Ehesachen gänzlich unberücksichtigt zu lassen, folgt der Senat nicht. Ebensowenig schließt sich der Senat derjenigen Auffassung an, wonach der Verkehrswert des Grundstücks ohne jeglichen Freibetrag in die Wertbemessung einzufließen habe. Vielmehr erscheint es sachgerecht, es den Ehegatten durch die Einräumung eines Vermögensfreibetrages zu ermöglichen, eine durchschnittliche Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens zu treffen. Angesichts der im Zuständigkeitsbereich des Senats im Vergleich zu anderen Gerichten als eher moderat anzusehenden Immobilienpreise erscheint ein Ansatz in der Größenordnung von 20.000 EUR je Ehegatten angebracht. (Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 24.05.2017 - 2 WF 93/17, BeckRS 2017, 115043

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 15/2017 vom 26.07.2017

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Sachverhalt

Die Ehe der Beteiligten wurde durch Beschluss des Familiengerichts geschieden. Zugleich führte das Amtsgericht den Versorgungsausgleich hinsichtlich der drei Anrechte der Beteiligten durch und setzte den Verfahrenswert auf 12.623,79 EUR (9.710,61 EUR für die Scheidung und 2.913,18 EUR für den Versorgungsausgleich) fest, ausgehend von einem Monatseinkommen des Antragstellers von 2.436,87 EUR und der Antragsgegnerin von 800 EUR (Scheidung: 2.436,87 EUR + 800,00 EUR x 3 = 9.710,61 EUR; Versorgungsausgleich: 9.710,61 EUR : 10 x 3).

Gegen die Streitwertfestsetzung legte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Beschwerde ein und beantragte die Erhöhung des Verfahrenswertes auf 22.048,79 EUR (16.960,61 EUR + 5.088,18 EUR). Hierzu trug er vor, dass die Beteiligten Miteigentümer einer Immobilie mit einem Verkehrswert von 210.000 EUR seien, welche mit noch rund 25.000 EUR Schulden belastet sei, sodass sich der Wert für das Scheidungsverfahren um 7.250,00 EUR (210.000 EUR - 25.000 EUR - 40.000 EUR Freibetrag = 145.000 EUR; hiervon 5%) erhöhe, was sich auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich auswirke.

Das Amtsgericht hob die Verfahrenswerte antragsgemäß an. Gegen den Beschluss legte der Antragsteller Widerspruch ein. Das Amtsgericht half dem Rechtsmittel nicht ab. Die Akten wurden dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, der Einzelrichter übertrug die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat in voller Besetzung. Die Beschwerde hatte vor dem OLG Frankfurt a. M. teilweise Erfolg.

Rechtliche Wertung

Gemäß § 43 I FamGKG sei der Verfahrenswert der Scheidungssache u.a. unter Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Eheleute zu bestimmen, wobei hinsichtlich letzterer nach § 43 II FamGKG auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten abzustellen ist.

Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Immobilienvermögen bei der Festsetzung des Werts der Ehesache sei allerdings sehr uneinheitlich.

Überwiegend werde das von den Ehegatten genutzte Hausgrundstück grundsätzlich mit dem Verkehrswert in Ansatz gebracht. Hiervon würden meist Freibeträge für Ehegatten und unterhaltsberechtigte Kinder abgezogen. Die Immobilie werde dann mit einem bestimmten Prozentsatz des verbleibenden Wertes berücksichtigt.

Teilweise werde insoweit ein Freibetrag (jeweils je Ehegatte) von 64.000 EUR angenommen, aber auch Beträge von 60.000 EUR, von 30.000 EUR, von 25.000 EUR von 20.000 EUR oder von 15.000 EUR würden in Abzug gebracht. Der nach Bereinigung um die jeweiligen Freibeträge verbleibende Wert werde sodann überwiegend mit 5 % bei der Wertfestsetzung berücksichtigt, teilweise würden auch zehn Prozent angesetzt. Die vom Amtsgericht gewählten Rechengrößen seien nicht zu beanstanden, weshalb es insoweit keiner Korrektur bedürfe. Angesichts der im Zuständigkeitsbereich des Senats im Vergleich zu anderen Gerichten als eher moderat anzusehenden Immobilienpreise erscheine bei einer Bandbreite von 15.000 EUR bis 60.000 EUR ein Ansatz im unteren Bereich, mithin in der Größenordnung von 2 x 20.000 EUR angebracht.

Soweit einige obergerichtliche Entscheidungen in Anlehnung an das Schonvermögen nach § 90 II Nr. 8 SGB XII selbstbewohnte Eigenheime bei der Wertfestsetzung gänzlich unberücksichtigt ließen, folge dem der Senat nicht, weil die vorgenannte Vorschrift, die gem. § 113 I FamFG iVm § 115 III ZPO bspw. im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe zu beachten sei, lediglich dazu dienen solle, konkrete Vermögensarten vor dem Einsatz zur Finanzierung der eigenen Lebenshaltungskosten bzw. der Verfahrenskosten zu schützen. Es erscheine jedoch nicht gerechtfertigt, im Rahmen der Verfahrenswertbestimmung je nachdem, ob die Beteiligten ihr Vermögen in einer Immobilie oder anderweitig angelegt hätten, wodurch ihre grundsätzliche Leistungsfähigkeit gleichsam zum Ausdruck komme, erhebliche Unterschiede zu machen. Vielmehr sei es naheliegend zu berücksichtigen, dass die finanziellen Verhältnisse einer Familie, in deren Eigentum sich eine Wohnimmobilie befinde, in der Regel besser seien als diejenigen einer Familie, die nur über gemieteten Wohnraum verfüge.

Der Senat schließe sich ebensowenig derjenigen Auffassung an, wonach der Verkehrswert des Grundstücks ohne jeglichen Freibetrag in die Wertbemessung einzufließen habe. Vielmehr erscheine es sachgerecht, es den Ehegatten durch die Einräumung eines Vermögensfreibetrages zu ermöglichen, eine durchschnittliche Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens zu treffen.

Hinsichtlich der Festsetzung des Wertes für die Folgesache Versorgungsausgleich sei die Beschwerde demgegenüber begründet, weil § 50 I 1 FamGKG vorsehe, dass sich der Verfahrenswert insoweit allein an dem Dreimonatsnettoeinkommen der Eheleute orientiere und für jedes Anrecht insoweit 10 % in Ansatz zu bringen seien, weshalb es diesbezüglich bei der ursprünglichen Wertfestsetzung zu verbleiben habe.

Praxistipp

Die Auffassung der Oberlandesgerichte, welche Freibeträge bei der Festsetzung des Werts einer Ehesache anzusetzen seien, gehen nicht unerheblich auseinander (s. hierzu näher die Übersicht von Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Anhang I, Verfahrenswerte im Familienrecht, Rn. 26; vgl. auch Hagen Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, FamGKG § 43 Rn. 40).

Ferner lehnt das OLG Frankfurt a. M. die Auffassung des OLG Brandenburg (BeckRS 2016, 04621 mAnm Mayer FD-RVG 2016, 376820), ohne Freibeträge zu arbeiten, welche zu einer gewissen Vereinheitlichung der Streitwertfestsetzung führen würde, ab.

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2017.