OLG Nürnberg: Terminsgebühr für die telefonische Besprechung nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses

VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG

Auch eine Besprechung nach Eintritt eines – nicht zuvor erörterten – erledigenden Ereignisses kann auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Denn der Eintritt des erledigenden Ereignisses „erledigt" verfahrensrechtlich den Rechtsstreit nicht automatisch. Deshalb führt ein Telefonat der Prozessbevollmächtigten über die Möglichkeiten, auf die neue prozessuale Situation zu reagieren, zu einer Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung. (Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.06.2017 - 3 W 923/17, BeckRS 2017, 114014

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 14/2017 vom 12.07.2017

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Sachverhalt

In einem Rechtsstreit gab der Antragsgegner die begehrte Unterlassungserklärung ab. Danach kam es zu einem Telefonat der Prozessbevollmächtigten der Parteien, bei dem kurz darüber gesprochen wurde, wie der Antragsteller adäquat auf die neue prozessuale Situation (nach Abgabe der Unterlassungserklärung) reagieren könne. Im sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren machte der Antragsteller eine 1,2 Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG geltend. Das Landgericht setzte die beantragte Terminsgebühr fest, der Antragstellervertreter habe schriftlich glaubhaft dargelegt, dass das vorgetragene Telefonat der Prozessbevollmächtigten der Parteien nach der abgegebenen Unterlassungserklärung nicht nur formelle Absprachen zum Gegenstand gehabt habe. Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er beanstandete, dass die Rechtspflegerin von einem Telefonat zur Erledigterklärung durch beide Prozessbevollmächtigte ausgegangen sei. Der Rechtsstreit sei nämlich bereits durch die Abgabe der Unterlassungserklärung durch den Antragsgegner erledigt gewesen, allein der Antragsteller habe entscheiden müssen, wie er mit dieser prozessualen Situation umgehen wolle, eine Absprache sei hierzu nicht getroffen worden, die Terminsgebühr gemäß VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG sei daher nicht angefallen. Die Rechtspflegerin half der Beschwerde nicht ab, die sofortige Beschwerde hatte vor dem OLG Nürnberg keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Zutreffend sei die Rechtspflegerin davon ausgegangen, dass die Terminsgebühr nach VV Vorbem. 3 II 3 Nr. 2 RVG ua für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen entstehe. Ausreichend hierfür sei jede auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung. Mit der Regelung der Terminsgebühr solle nämlich ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Anwalt nach seiner Bestellung in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitrage. Hierfür könnten grundsätzlich telefonische Besprechungen ausreichend sein, wobei unerheblich sei, ob das Gespräch zunächst aus anderem Anlass begonnen wurde und bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit einer Erledigung des Verfahrens erörtert werde. Eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung könne eine Terminsgebühr auch schon dann auslösen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen über die Erledigung ausgetauscht werden. Dabei sei ausreichend, wenn sich der Gesprächspartner an der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits interessiert zeige, auch komme es nicht darauf an, ob die Besprechung erfolgreich oder der Anruf ursächlich für eine spätere Verfahrensbeendigung war.

Nach diesen Maßgaben ist nach dem OLG Nürnberg eine Terminsgebühr wegen der telefonischen Besprechung vom 30.8.2016 angefallen. Wie der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners in der Beschwerdebegründung ausführe, sei anlässlich dieses Telefonats kurz darüber gesprochen worden, wie der Antragsteller adäquat auf die neue prozessuale Situation (nach Abgabe der Unterlassungserklärung) reagieren könne. Dies reiche für den Anfall einer Terminsgebühr gemäß VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG aus, unabhängig davon, ob das Gespräch zu einer Absprache geführt habe oder ursächlich für die spätere Verfahrensbeendigung war. Der Gebührentatbestand erfordere lediglich, dass eine Besprechung, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet sei, stattfinde. Dem stehe nicht entgegen, dass mit Abgabe der Unterlassungserklärung das erledigende Ereignis bereits vor dem Anruf des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers eingetreten sei. Denn gebührenrechtlich müsse zwischen dem erledigenden Ereignis und den prozessrechtlichen Erledigungserklärungen nicht unterschieden werden. Eine Besprechung könne in beiden Fällen auf eine „Erledigung des Verfahrens" gerichtet sein. Dies gelte zwanglos für die Erörterung eines noch herbeizuführenden erledigenden Ereignisses. Aber auch eine Besprechung nach Eintritt eines – nicht zuvor erörterten – erledigenden Ereignisses könne auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Denn der Eintritt des erledigenden Ereignisses „erledige" verfahrensrechtlich den Rechtsstreit nicht automatisch. Hierzu bedürfe es noch eines Einverständnisses beider Prozessbeteiligter. Der Streitgegenstand reduziere sich erst mit beiderseitiger Erledigungserklärung gem. § 91 a ZPO auf die Kosten. Eine Beendigung des Verfahrens trete erst mit übereinstimmender Erledigungserklärung beider Parteien ein. Damit habe es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht allein dem Antragsteller oblegen, wie mit der Erledigungslage umzugehen sei. Denn der Antragsgegner sei nicht gezwungen sich einer Erledigungserklärung anzuschließen. Hätte er dies nicht getan, wäre die Hauptsache Streitgegenstand geblieben und das Verfahren fortzusetzen gewesen.

Praxistipp

Das OLG Nürnberg liegt mit seiner – zutreffenden – Entscheidung auf der Linie des Kammergerichts (NJOZ 2007, 4386). Eine Terminsgebühr kann auch dann anfallen, wenn nach Eintritt eines den Rechtsstreit erledigenden Ereignisses der Klägervertreter fernmündlich mit dem Beklagtenvertreter die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO bespricht. Die Grenzziehung in diesem Bereich ist jedoch schwierig. So entsteht keine Terminsgebühr, wenn lediglich über das beabsichtigte weitere prozessuale Vorgehen informiert wird (KG NJOZ 2007, 4390 mAnm Mayer FD-RVG 2007, 240275; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2016, 52926 mAnm Mayer FD-RVG 2016, 382266). Entscheidend ist, ob die Bereitschaft vorliegt, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung einzutreten (OVG Münster NJW 2014, 1465 mAnm Mayer FD-RVG 2014, 355816; BeckRS 2016, 50360).

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2017.