VGH Mannheim: Keine Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz

RVG § 1 III; AsylG § 80

Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erstreckt sich in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz auch nach Einführung von § 1 III RVG auf die Festsetzung des Gegenstandswerts als Nebenverfahren. Dass sich an dem Willen des Gesetzgebers, für Asylverfahren spezielle gerichtliche Vorschriften zu treffen und insbesondere Rechtsmittel jeglicher Art zu beschränken, durch Einführung des § 1 III RVG etwas geändert haben sollte, findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. (von der Schriftleitung bearbeiteter Leitsatz des Gerichts)

VGH Mannheim, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 S 271/17, BeckRS 2017, 103950

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 06/2017 vom 22.03.2017

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Vergütungs- und Kostenrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Vergütungs- und Kostenrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Vergütungs- und Kostenrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

In einer Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Festsetzung des Gegenstandswerts gem. § 32 II RVG im eigenen Namen Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht hatte dem Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach § 33 III 1 RVG der Vorschrift des § 80 AsylG vorgehe. Die Beschwerde wurde vom VGH Mannheim verworfen.

Rechtliche Wertung

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Festsetzung des Gegenstandswerts sei als unzulässig zu verwerfen. Denn bei dem zugrundeliegenden Verfahren handele es sich um eine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz. Entscheidungen in derartigen Verfahren könnten nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylG). Dieser Beschwerdeausschluss gelte auch für alle gerichtlichen Entscheidungen in Nebenverfahren. Der vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf einen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg (BeckRS 2016, 49773) vertretenen Rechtsauffassung, dass die Vorschrift des § 1 III RVG seit ihrer Einführung durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.8.2013 den „älteren“ Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG verdränge, ist nicht zu folgen. Nach § 1 III RVG gingen die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Schon der Wortlaut spreche dafür, dass sich der Vorrang des RVG allein auf Beschwerdevorschriften in den Verfahrensvorschriften der einzelnen Gerichtszweige – wie VwGO oder SGG oder FGO – beziehe. Die vom Gesetzgeber mit § 1 III RVG beabsichtigte einheitliche Regelung unabhängig vom Gerichtszweig gelte ohnehin nicht ausnahmslos. Soweit eine spezielle Regelung des RVG wegen einer Erinnerung oder Beschwerde auf Vorschriften eines anderen Gesetzes verweise, bleibe es – abweichend von § 1 III RVG – bei der Anwendung dieser Verfahrensvorschriften. Weit gewichtiger sei jedoch, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes zum 1.7.1992 in Abschnitt 9 des Gesetzes (§§ 74-83 c AsylVfG 1992) weitgehende, von der VwGO abweichende spezielle Regelungen für das gerichtliche Verfahren getroffen habe. Bei Einführung des § 80 AsylG (damals AsylVfG 1992), welcher trotz der weitreichenden Einschränkung des Rechtsschutzes bei Eilverfahren zu unmittelbar drohenden Abschiebungen weder gegen Art. 19 IV GG noch gegen das allgemeine Rechtsstaatsprinzip verstoße, habe es dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entsprochen, dass der Rechtsmittelausschluss dieser Ausnahmevorschrift weit und umfassend zu verstehen sei und daher auch sämtliche Nebenentscheidungen davon erfasst sein sollten. Dass sich an dem Willen des Gesetzgebers, für Asylverfahren spezielle gerichtliche Vorschriften zu treffen und insbesondere Rechtsmittel jeglicher Art zu beschränken, durch Einführung des § 1 III RVG etwas geändert haben sollte, findet in den Gesetzgebungsmaterialien keine Stütze. Dort heiße es zunächst (nur), dass der vorgeschlagene neue Absatz der Klarstellung diene. Ergänzend werde auf die Begründung zu Artikel 1 § 1 VI GNotKG-E verwiesen, wo es heiße, dass die gelegentlich auftretende Frage nach dem Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Kostenrechts zu den Verfahrensvorschriften der für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften dahingehend geklärt werden solle, dass die kostenrechtlichen Vorschriften als die spezielleren Vorschriften vorgingen. Ein Wille des Bundesgesetzgebers, dass durch Einführung des § 1 III RVG die spezielle asylrechtliche Vorschrift des § 80 AsylG (damals AsylVfG 1992) verdrängt werden solle, lasse sich den Gesetzesmaterialien ersichtlich nicht entnehmen.

An der somit im vorliegenden Fall fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde ändere der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt habe, wonach § 33 III 1 RVG der Vorschrift des § 80 AsylG vorgehe. Denn ein durch das Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel könne auch durch richterliche Entscheidung nicht zugelassen werden.

Praxistipp

Das Verhältnis des Beschwerdeausschlusses in § 80 AsylG zu der Regelung in § 1 III RVG ist in der Rechtsprechung umstritten. Nach dem OVG Berlin-Brandenburg (BeckRS 2016, 49773) und dem VG Kassel (BeckRS 2016, 53951) ist gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach § 55 RVG auch in asylrechtlichen Streitigkeiten die Beschwerde statthaft, § 80 AsylG werde durch § 1 III RVG verdrängt. Der VGH Mannheim nimmt in der berichteten Entscheidung die Gegenposition ein. Die Begründung überzeugt jedoch nicht; sowohl der Wortlaut von § 1 III RVG als auch die Gesetzesbegründung sind eindeutig; die „gelegentlich“ auftretende Frage nach dem Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Kostenrechts zu den Verfahrensvorschriften der für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften soll im Sinne eines Vorrangs der kostenrechtlichen Vorschriften geklärt werden (BT-Drucks. 17/11471 (neu), 144). Zu verlangen, dass in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich zum Ausdruck hätte kommen müssen, dass der Gesetzgeber auch beabsichtigte, ua bei § 80 AsylG eine Einschränkung vorzunehmen, heißt, die Anforderungen an eine Gesetzesbegründung zu überspannen (vgl. auch Lotte Thiel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017 RVG § 30 Rn. 14).

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2017.