OLG Frankfurt a. M.: Haftung zwischen Mietern

ZPO § 97 Abs. 1, § 522 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 713; BGB § 94 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 903, § 906

Für einen Schaden an der Tapete durch eingedrungenes Wasser besteht kein Ersatzanspruch gegenüber einem anderen Mieter.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 07.09.2018 - 10 U 8/18, BeckRS 2018, 22708

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 20/2018 vom 11.10.2018

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Sachverhalt

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung, die Beklagte Mieterin der darüber liegenden Wohnung. Am 19.05.2015 trat Wasser aus dem Leitungssystem des Hauses aus und drang in die Wohnung des Klägers ein. Der Kläger hat behauptet, das Wasser sei unkontrolliert aus dem Wasserhahn im Bad/WC der Wohnung der Beklagten ausgelaufen, weil die Beklagte eine unsachgemäße Reparatur des Wasserhahns vorgenommen habe. Das Wasser sei vom Boden der Wohnung der Beklagten über die Decken und Wände in seine Wohnung eingedrungen. Dadurch seien Schäden an seinen Tapeten entstanden. Mit der Klage hat er die Kosten für eine Neutapezierung gemäß einem Kostenvoranschlag von 6.557,25 € nebst Zinsen und Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein vertraglicher Anspruch bestehe nicht, da der Mieter durch den Abschluss eines Mietvertrags allein mit dem Vermieter vertragliche Beziehungen begründe. Von einem solchen Mietvertrag gingen regelmäßig auch keine Schutzwirkungen gegenüber anderen Mietern des Gebäudes aus. Ferner scheide eine Haftung der Beklagten aufgrund entsprechender Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB) im Verhältnis zwischen Mietern aus. Der Kläger habe auch keinen deliktischen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB, da er nicht dargetan habe, dass die Tapeten, deren Beschädigung in Frage stehe, in seinem Eigentum stünden. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch aufgrund einer Verletzung des Rechts zum Besitz scheide aus, da der berechtigte Besitzer keinen Ersatz von Substanzschäden verlangen könne. Eine Besitzverletzung sei auch nicht als sogenannter Haftungsschaden zu bejahen, da zwischen Kläger und Vermieter kein Vertrag bestünde, wonach der Kläger dem Vermieter für zufällige bzw. von Dritten verursachte Beschädigungen der Mietsache hafte. Insbesondere stelle die Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen keine solche Verpflichtung dar, denn diese umfasse nicht die Beseitigung eines Leitungswasserschadens, zumal wenn sie von einem Dritten verursacht worden sei. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Rechtliche Wertung

Die Berufung ist erfolglos. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch. Der Senat folgt der Ansicht des Landgerichts, dass ein Anspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt ausscheide, dass der Mietvertrag zwischen dem Vermieter und der Beklagten Schutzwirkung zu seinen Gunsten habe. Es sei anerkannt, dass auch ein Untermieter nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen ist und daraus nicht Ansprüche wegen vom Vermieter verursachter Schäden gegen diesen erheben kann. Der Untermieter sei nicht schutzbedürftig, weil ihm eigene vertragliche Ansprüche gegenüber dem Hauptmieter zustehen. Das gleiche müsse im Verhältnis mehrerer Mieter im selben Gebäude untereinander gelten. Der Kläger sei durch eigene Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter ausreichend geschützt. Eine entsprechende Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB scheide aus. Dieser Ausgleichsanspruch habe seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis und sei Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlich sei. In einem solchen grundstücksbezogenen Regelungszusammenhang seien Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an den Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB ginge, sondern müssten im Mietrecht angesiedelt werden. Dass das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden habe, könne nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Dass es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann, könne dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein. Zudem bedürfe es keiner spezifischen Regelung, zumal der Mieter vom Vermieter eine von Mitmietern ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen könne. Darüber hinaus bestünde kein deliktischer Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB, da der Kläger sein Eigentum an den Tapeten nicht dargetan habe. Nach § 93 BGB können Bestandteile einer Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein, wenn sie nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile). Nach § 94 Abs. 2 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Demgemäß seien Tapeten grundsätzlich wesentliche Bestandteile des Gebäudes, weil sie von der Wand nicht mehr abgelöst werden können, ohne dass sie in einer Weise beschädigt würden, die eine wirtschaftliche Zerstörung darstelle. Der Kläger habe auch nicht etwa dargelegt, dass in seinem Fall die betroffenen Tapeten solche seien, die von der Wand einfach abzuziehen seien und auf eine andere Wand angebracht werden könnten. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des berechtigten Besitzes des Klägers habe das Landgericht ebenso zutreffend verneint. Zwar sei grundsätzlich der so genannte Haftungsschaden ersatzfähig, wenn der Besitzer wegen Beschädigung der Mietsache durch Dritte selbst Ansprüchen ausgesetzt sei. Solche Ansprüche des Vermieters gegenüber dem Kläger ergeben sich jedoch aus der Beschädigung der Tapeten nicht. Insbesondere habe das Landgericht zutreffend einen Anspruch des Vermieters aufgrund seines Rechts auf Schönheitsreparaturen abgelehnt.

Praxishinweis

Der Entscheidung der Kammer ist zuzustimmen. Insbesondere kommt eine analoge Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht in Betracht. § 906 BGB ist Teil des bürgerlich-rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 bis 924 BGB. Der von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gewährte Ausgleichsanspruch und seine Fortentwicklung durch die Rechtsprechung hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (st. Rspr. BGH Urteil vom 28.09.1962 - V ZR 233/60, NJW 1962, 2341; BGH Urteil vom 22.02.1991 - V ZR 308/89, NJW 1991, 1671; BGH Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03, NJW 2004, 775). Dass diese Normen nicht auf Streitigkeiten zwischen Mietern Anwendung finden sollen, ergibt sich zum einen daraus, dass der Gesetzesgeber erkennt hat, dass es auch zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann und gleichwohl keine dem Charakter des § 906 BGB entsprechende Vorschrift geschaffen hat. Zum anderen bedarf es auch keiner spezifischen Regelung, denn die Grenzen, die ein Mieter bei der Nutzung der gemieteten Räume einzuhalten hat, ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter, das häufig näher ausgestaltete Verhaltensregeln in Hausordnungen, die Bestandteil des Mietvertrags sind, bereithält (BGH NJW 2004, 775 f). Diese Regelungen geben den Mietern ein eigenes Recht gemäß § 328 BGB von den anderen Mietern die Einhaltung der Bestimmungen der Hausordnung zu verlangen (OLG München NJW-RR 1992, 1097). Im Übrigen hat der Mieter gegen den Vermieter einen Anspruch gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ungestörte Gebrauchsgewährung, insbesondere bei Störungen durch Dritte, also auch Mitmieter (Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl., § 535 BGB Rn. 28). Im vorliegenden Fall hätte sich der klagende Mieter somit zunächst an den Vermieter wenden und ihn zur Mängelbeseitigung auffordern müssen, § 536c Abs. 1 Satz 1 BGB. Zusätzlich stehen dem Mieter, unter den Voraussetzungen des § 536 Abs. 1 BGB, auch ein Minderungsrecht sowie u.U. ein Schadensersatzanspruch gemäß § 536a BGB gegen den Vermieter zu; unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB könnte der Mieter den Mangel selbst beseitigen und vom Vermieter den Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen. Unterlässt jedoch der von der Beschädigung betroffene Mieter die Mängelanzeige an den Vermieter und versucht er – wie vorliegend - vergeblich sich an den mangelverursachenden Mieter zu halten, so macht er sich u.U. seinerseits dem Vermieter gegenüber schadensersatzpflichtig gemäß § 536c Abs. 2 Satz1 BGB. 

Redaktion beck-aktuell, 16. Oktober 2018.