LG Frankfurt a.M.: Verwirkung eines Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung

BGB §§ 254 I, 1004; WEG §§ 14 Nr. 1, 22 I 2

1. Die Vermietung eines “Sondereigentums an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten (Teileigentum)“ im Keller an Musikgruppen kann nicht untersagt werden.

2. Der Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ist verwirkt, wenn sie sämtlichen Wohnungseigentümern bei Durchführung der Arbeiten bekannt ist und diese erst drei Jahre später den Rückbau der Maßnahme verlangen.

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.09.2017 - 2-13 S 10/15 (AG Dieburg), BeckRS 2017, 149906

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 17/2018 vom 30.08.2018

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Sachverhalt

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Unterlassung der Nutzung in seinem Sondereigentum stehender Kellerräume als Proberäume, Beseitigung einer von ihm auf dem Dach des Gebäudes errichteten Solaranlage sowie Rückbau einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch Einbau einer Kellertreppe in Anspruch. Die dem Beklagten zustehende Einheit im Keller ist durch Teilungserklärung vom 22.03.2002 im Wege der Aufteilung aus einer der mit Teilungserklärung vom 19.05.1993 gebildeten Einheiten entstanden. In der Teilungserklärung vom 19.05.1993 werden die dem Beklagten zugewiesenen Räumlichkeiten als „Teileigentum an den im Kellergeschoss ... gelegenen Räumlichkeiten“ beschrieben. Die Teilungserklärung vom 22.03.2002 beschreibt die Einheit des Beklagten als „Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten (Teileigentum)“. Im Übrigen regelt § 2 Nr. 6 der Teilungserklärung vom 19.05.1993, dass die Sondereigentümer zu baulichen Veränderungen an ihrem Sondereigentum und den ihrem Sondernutzungsrecht unterfallenden Gebäudeteilen berechtigt sind. Im Jahr 2010 hat der Beklagte den Kellerzugang umgebaut. Aus dem Schreiben der Kläger vom 17.05.2010 ergibt sich, dass die Baumaßnahme den Beklagten bereits während ihrer Vornahme bekannt geworden war und sie diese als erhebliche Störung und Belästigung im Gebrauch ihres Sondereigentums angesehen hatten. Dennoch haben sie nichts unternommen.

Das Amtsgericht hat den Anträgen der Kläger auf Unterlassung einer Nutzung der Räumlichkeiten des Beklagten als Proberaum sowie auf Rückbau der von ihm auf dem Gebäudedach errichteten Solaranlage stattgegeben und den auf Rückbau eines Kellereingangs gerichteten Antrag abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Die Berufung der Beklagten war in Bezug auf den Unterlassungsanspruch der Kläger erfolgreich.

Die Kläger können nicht nach § 1004 BGB i.V.m. § 14 WEG beanspruchen, dass der Beklagte eine Nutzung der ihm durch die Teilungserklärung zugewiesenen Räume im Kellergeschoß an Musikgruppen vermietete Proberäume als gewerblich unterlässt.

Die Teilungserklärung vom 19.05.1993 regelt keine Beschränkung der Nutzungsart, es liege vielmehr eine bloße Beschreibung der Lage der Räume vor. Auch die Teilungserklärung vom 22.03.2002 gibt keine Hinweise auf eine Beschränkung des Nutzungszwecks der Räumlichkeiten, sondern unterstreicht eher noch zusätzlich, dass die dem Beklagten zugewiesene Einheit keinen Einschränkungen ihrer Nutzung als allenfalls dem Ausschluss einer Nutzung zu Wohnzwecken unterworfen werden sollten. Ob die somit grundsätzlich zulässige Nutzung als Proberaum im Einzelfall nach Art oder Umfang für die Beklagten unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärm mit sich bringt, kann dahin stehen. Diese Frage liegt außerhalb des auf Untersagung einer Nutzung als Proberaum gerichteten Antrags der Kläger.

Hingegen bleibt die Berufung ohne Erfolg, soweit das Amtsgericht den Beklagten auf Beseitigung der auf dem Dach des Gebäudes errichteten Solaranlage verurteilt hat. Es handele es sich um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums. Diese sei nicht durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft genehmigt worden und gehe schon in optischer Hinsicht über eine nach § 14 WEG duldungspflichtige Beeinträchtigung hinaus. Für die Annahme einer Verwirkung des Beseitigungsanspruchs der Kläger fehle es an dem erforderlichen Zeitmoment. An Art und Umfang der Baumaßnahme gemessen, sei die Zeitspanne zwischen der Errichtung der Solaranlage im Jahre 2011 und der klageweisen Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs im Februar 2014 hierfür zu gering gewesen. Aus § 2 Nr. 6 der Teilungserklärung ergebe sich nichts anderes, da das Dach des Gebäudes weder Teil des Sondereigentums des Klägers noch Gegenstand eines ihm zugewiesenen Sondernutzungsrechts ist.

Die Klage auf Rückbau des von dem Beklagten geschaffenen Kellerzugangs sei hingegen unbegründet. Dem Anspruch der Kläger stehe entgegen, dass diese Umbaumaßnahme bereits 2010 vorgenommen worden war. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Kläger nicht frühzeitig um einstweiligen Rechtsschutz ersucht oder auf Unterlassung geklagt hätten. Die Umbaumaßnahme habe ihrer Art nach einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen und sei zweifelsfrei zur Kenntnis der Kläger gelangt. Es stelle sich als treuwidrig dar, wenn die Kläger dennoch erst drei Jahre später den Rückbau der Maßnahme verlangten. Dies sei ihnen mit der Folge eines Ausschlusses ihres Beseitigungsanspruchs als Verletzung ihrer Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 BGB anzulasten. Bei der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sei jedoch der Kläger mit 1/3 der anfallenden Beseitigungskosten zu berücksichtigen.

Praxishinweis

Das LG Frankfurt a.M. entscheidet vorliegend, dass der Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung verwirkt ist, wenn sie sämtlichen Wohnungseigentümern bei Durchführung der Arbeiten bekannt ist und diese erst drei Jahre später Rückbau der Maßnahme verlangen. Dem kann nicht gefolgt werden. Verwirkung setzt voraus, dass ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment gegeben sind. Der Ablauf einer längeren Zeitspanne seit der baulichen Veränderung allein ist deshalb nicht ausreichend, um den Verwirkungstatbestand zu erfüllen. Vielmehr müssen besondere Umstände (Umstandsmoment) darauf schließen lassen, dass der Anspruchsinhaber seinen Anspruch nicht mehr geltend machen wird. Eine relativ kurze Zeitspanne genügt dem Zeitmoment nicht, und zwar schon gar nicht, wenn sie unter der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist liegt (BGH, Urteil vom 21.10.2005 - V ZR 169/04, NZM 2006, 192). Die übrigen Wohnungseigentümer dürfen nämlich bis zum letzten Tag der Verjährungsfrist warten, bis sie etwas unternehmen. Trotz der vom Gericht angenommenen Verwirkung, besteht für den Beklagten kein Grund zur Freude. Auch nach der Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB bleibt der von dem Störer geschaffene Zustand rechtswidrig; er kann von dem Gestörten daher auf eigene Kosten beseitigt werden (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 141/10, NZM 2011, 327). Gleiches muss im Falle der Verwirkung gelten, da auch hier der geschaffene Zustand rechtswidrig bleibt.

Redaktion beck-aktuell, 4. September 2018.