LG München I: Beschluss über die Vergütung eines Rechtsanwalts

WEG §§ 21 IV, 27 II Nr. 4, III 1 Nr. 6

1. Ein in unzulässiger Weise auf den Teil eines Beschlusses beschränkter Anfechtungsantrag ist im Zweifel als Anfechtung des ganzen Beschlusses auszulegen. Dabei hindert der Ablauf der Frist aus § 46 Abs. 1 S. 2 WEG den Kläger nicht daran, nach gerichtlichem Hinweis auf die Unzulässigkeit einer Teilanfechtung klarzustellen, den gesamten Beschluss anfechten zu wollen.

2. Soweit ein Beschluss zu Vergütungsvereinbarungen ermächtigt, die über § 27 Abs. 3 Nr. 6 WEG i.V.m. § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG hinausgehen, entspricht er nur bei Vorliegen besonderer Gründe ordnungsgemäßer Verwaltung. Diese können sich aus der besonderen fachlichen Qualifikation eines Rechtsanwaltes, des besonderen Vertrauensverhältnisses der Eigentümer zu ihm, vor allem aufgrund zuvor erfolgter Beauftragungen und auch aus einer bereits erfolgten Beauftragung in selbiger Sache ergeben.

3. Wird die Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwalts dem Verwalter überlassen, spricht dies grundsätzlich gegen die Annahme solcher besonderer Gründe. (Leitsätze der Redaktion)

LG München I, Urteil vom 12.07.2017 - 1 S 15254/16  WEG (AG München), BeckRS 2017, 123565

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 19/2017 vom 28.09.2017

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Sachverhalt

Der Kläger und die Beklagten sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Anfechtungsklage gegen den in der Eigentümerversammlung vom 15.12.2015 gefassten Beschluss zu TOP 1 c), der mit

Vergemeinschaftung der Unterlassungsansprüche wegen zweckbestimmungswidriger Nutzung der Einheit 25 sowie Verstöße gegen die Hausordnung (Ruhestörungen in der Einheit und den Außenflächen entgegen der festgelegten Ruhezeiten); Klagebeschluss

überschrieben ist und mit dem die Eigentümer den folgenden Antrag mehrheitlich angenommen haben:

Die Gemeinschaft zieht alle Nutzungsunterlassungsansprüche ihrer Mitglieder gegen den Eigentümer der Einheit Nr. 25 (Laden mit WC) und deren Nießbraucher und Pächter wegen der Nutzung als Gaststätte bzw. Bar „an sich“ und macht die Anspruchsverfolgung zur gemeinsamen Sache. Die Verwalterin wird beauftragt und ermächtigt, außergerichtlich und gerichtlich Nutzungsunterlassungsansprüche gegen den Eigentümer, die Nießbrauchberechtigten und den Pächter geltend zu machen, hierzu einer Rechtsanwaltskanzlei (Prozess-) Vollmacht zu erteilen und mit dieser eine Vergütungsvereinbarung (€ 260,00 netto/Stunde zzgl. Umsatzsteuer; mindestens RVG in gerichtlichen Auseinandersetzungen) abzuschließen. Im Außenverhältnis ist die Befugnis der Verwalterin unbeschränkt, im Innenverhältnis hat sie für die Art und Weise der Vorgehensweise die Zustimmung der Mehrheit der amtierenden Mitglieder des Verwaltungsbeirates einzuholen. Der Verwalter muss den Beschluss nicht vollziehen, wenn ihm bis zum 31.01.2016 eine verbindliche Bestätigung des Eigentümers, der Nießbrauchberechtigten und des Pächters vorliegt, dass die Einheit Nr. 25 ab dem 01.07.2017 nicht mehr als Gaststätte und/oder Bar genutzt wird. Bei einem Verstoß müssen sich der Eigentümer, die Nießbrauchberechtigten und der Pächter gesamtschuldnerisch verpflichten, je angefangenen Monat ab dem 01.07.2017 EUR 5.000,00 an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlen. Weitergehende Ansprüche bleiben hiervon unberührt“. Das Amtsgericht München hat die Klage mit Urteil vom 04.08.2016 abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Beschluss zu TOP 1 c) war insgesamt für ungültig zu erklären.

Die materiellen Ausschlussfristen des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG zur Erhebung und Begründung der Anfechtungsklage hat die Klagepartei eingehalten. Insbesondere richtete sich der in der Klageschrift vom 15.01.2016 gestellte Antrag, wie die Auslegung nach dem erkennbaren Willen und wohlverstandenen Interesse des Klägers ergibt, gegen den in der Eigentümerversammlung vom 15.12.2015 zu TOP 1 c) gefassten Beschluss insgesamt und war nicht auf die in den Sätzen 2 bis 5 des Beschlusses getroffenen Regelungen beschränkt. Zum einen handelt es sich hierbei um einen nicht abtrennbaren Teil eines einheitlichen Beschlusses, der nicht isoliert angegriffen und für ungültig erklärt werden kann. Zum anderen ist eine in unzulässiger Weise beschränkte Anfechtungsklage indes im Zweifel als Anfechtung des ganzen Beschlusses auszulegen, da eine Auslegung dahingehend, dass nur eine Teilanfechtung gewollt ist, von vornherein keinen Erfolg haben kann; dies verstößt gegen den Auslegungsgrundsatz, wonach eine Partei mit ihrer Prozesshandlung im Zweifel das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht.

Der in der Eigentümerversammlung vom 15.12.2015 zu TOP 1 c) gefasste Beschluss ist fehlerhaft, da es im konkreten Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, den Verwalter zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit einem Rechtsanwalt über „260 EUR netto/Stunde zzgl. Umsatzsteuer, mindestens RVG in gerichtlichen Auseinandersetzungen“ zu ermächtigen.

Zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft und zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist der Verwalter nicht kraft Gesetzes berechtigt. Vielmehr bedarf er hierfür einer Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer. Diese kann gemäß § 27 Abs. 3 S.1 Nr. 7 WEG durch Vereinbarung oder Beschluss erfolgen. Dabei umfasst ein Beschluss, der den Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. im Namen der Eigentümergemeinschaft ermächtigt, regelmäßig auch die Ermächtigung, einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu beauftragen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Wohnungseigentümer die Auswahl, welcher Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Verfolgung beauftragt werden soll, grundsätzlich nicht selbst treffen müssen, sondern dies auf den Verwalter delegieren können. Der Verwalter darf in diesem Fall mit dem Rechtsanwalt gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 6 WEG wegen eines Rechtsstreites gemäß § 43 Nr. 2 oder Nr. 5 WEG auch eine Vereinbarung i.S. des § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG über die Höhe des Streitwertes treffen, ohne dass es hierzu einer eigenen Ermächtigung durch Vereinbarung oder Beschluss bedürfte.

Soweit der Verwalter aber eine über § 27 Abs. 3 Nr. 6 WEG i.V. mit § 27 II Nr. 4 WEG hinausgehende Vergütungsvereinbarung treffen will, insbesondere wenn ein Stundenhonorar vereinbart werden soll, bedarf es hierfür wiederum einer ausdrücklichen Ermächtigung durch Vereinbarung oder Beschluss (§ 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG). Soweit ein Beschluss zu Vergütungsvereinbarungen ermächtigt, die über § 27 Abs. 3 Nr. 6 WEG i.V. mit § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG hinausgehen, entspricht er jedoch nur bei Vorliegen besonderer Gründe ordnungsgemäßer Verwaltung. Zwar dürfen für das Vorliegen solcher besonderen Gründe nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Vielmehr können sich solche aus der besonderen fachlichen Qualifikation eines Rechtsanwaltes, des besonderen Vertrauensverhältnisses der Eigentümer zu ihm, vor allem aufgrund zuvor erfolgter Beauftragungen und auch aus einer bereits erfolgten Beauftragung in selbiger Sache ergeben. Der vorliegende Beschluss lässt aber solche besonderen Gründe gerade nicht erkennen. Hätten die Wohnungseigentümer eine bestimmte Anwaltskanzlei beauftragen wollen, so hätte es nahe gelegen, diese in dem Beschluss ausdrücklich zu benennen, was nicht geschehen ist.

Praxishinweis

Das LG München I führt mit der vorliegenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 15.03.2017 – 1 S 10106/16  WEG, ZWE 2017, 325) fort, wonach die allgemeine Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Beratung und Vertretung der WEG außerhalb gerichtlicher Verfahren ohne näher einzugrenzen, auf welche rechtlichen Fragen, Problembereiche und Zielsetzungen sich die Beratungstätigkeit beziehen soll, insbesondere in Verbindung mit der Vereinbarung eines Stundenhonorars nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Das LG München I setzt mit der vorliegenden Entscheidung konsequent den Grundsatz des Wohnungseigentumsrechts um, dass die Wohnungseigentümer über das „Ob“ und das „Wie“ von tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen bestimmen.

Der Rechtsanwalt, der mit einer Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, eine Vergütungsvereinbarung über ein Zeithonorar schließen möchte, sollte den Verwalter auf die vorliegende Entscheidung hinweisen, damit er am Ende auch sein Honorar erhält. Überschreitet der Verwalter nämlich seine Vertretungsmacht, ist der Verband nicht verpflichtet (§ 177 BGB). Dasselbe gilt gem. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WEG für Passivprozesse. Auch für diese enthält § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WEG keine Befugnis des Verwalters, Vereinbarungen über die Vergütung von Stundenhonorar mit einem Rechtsanwalt zu treffen (a.A. Suilmann ZWE 2008, 113). Auch hierfür bedarf es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer.

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2017.