BGH: Alleinige Inhaberin des Anspruchs auf Zahlung des Wohngeldes ist die Wohnungseigentümergemeinschaft

WEG §§ 21 IV, 28 II, V

1. Alleinige Inhaberin des Anspruchs auf Zahlung des Wohngeldes ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.

2. Erfüllt ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung des Wohngeldes nicht, kommen gegen ihn nur Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht aber der einzelnen Wohnungseigentümer in Betracht.

BGH, Urteil vom 10.02.2017 - V ZR 166/16 (LG Saarbrücken), BeckRS 2017, 109303

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 10/2017 vom 25.5.2017

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de


Sachverhalt

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohngeldschulden des Beklagten aus der von den Wohnungseigentümern genehmigten Jahresabrechnung 2009 und aus den ebenfalls genehmigten Wirtschaftsplänen 2010 und 2011 betrugen 14.341,68 EUR. Weil die Verwaltervergütung nicht gezahlt worden war, legte die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ihr Amt zum 31.12.2011 nieder. Der Rückstand für die Lieferung des Allgemeinstroms belief sich für das Jahr 2012 auf 443 EUR. Zur Abwendung der angekündigten Sperrung der Wasserversorgung verhandelte der Kläger mit dem Versorgungsunternehmen und erreichte eine Stundung der rückständigen Wasserkosten um 50 % mit der Folge, dass der Wasserversorger gegen Zahlung von 2.197,22 EUR bereit war, von der Sperre der Wasserversorgung abzusehen. Die von dem Kläger daraufhin unter den Wohnungseigentümern durchgeführte Sammlung, an der sich der Beklagte mit einem Betrag von 315 EUR beteiligte, erbrachte lediglich einen Gesamtbetrag von 1.260 EUR. Der Kläger überwies den Betrag am 26.03.2012 an den Wasserversorger. Vor April 2012 stellten die Versorgungsunternehmen die Lieferung von Allgemeinstrom und Wasser wegen Zahlungsrückständen der Wohnungseigentümergemeinschaft ein.

Der Kläger, der seine Eigentumswohnung vermietet hatte, verlangt von dem Beklagten gestützt auf die Behauptung, ihm seien im Zeitraum April 2012 bis August 2012 wegen der Sperrung der Wasserversorgung Mieteinnahmen von 1.300 EUR entgangen, Schadensersatz in entsprechender Höhe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat Erfolg.  Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 286 BGB - der einzigen ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - zu.

Der Beklagte habe durch die Nichtzahlung des Hausgelds keine Pflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Denn der Anspruch auf Zahlung von Hausgeld stehe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu und sei Teil des Verwaltungsvermögens (§ 10 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 WEG). Der einzelne Wohnungseigentümer sei auch nach den Grundsätzen der actio pro socio nicht zur Geltendmachung dieses Anspruchs im eigenen Namen befugt. Durch die Nichtzahlung habe der Beklagte ferner nicht seine Pflichten aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis verletzt. Nach § 10 Abs. 7 Satz 3, § 16 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 und 5 WEG habe ausschließlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Zahlung von Hausgeld. Mit dieser Kompetenzverteilung wäre es unvereinbar, wenn die Pflicht zur Zahlung des Hausgelds als Bestandteil der gegenseitigen Treuepflicht qualifiziert werden würde und die Nichtzahlung Schadensersatzansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer zur Folge haben könnte. Dass (auch) die Wohnungseigentümer ein Interesse an der rechtzeitigen Erfüllung der Hauswohngeldforderungen hätten, könne die mit einer Schadensersatzverpflichtung verbundene Haftungserweiterung des Säumigen nicht rechtfertigen. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf die Grundsätze der Drittschadensliquidation berufen. Denn es fehle an einer zufälligen Schadensverlagerung. Erfülle ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung des Hausgelds nicht, kämen gegen ihn von vorneherein nur Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Betracht. Erleide ein Wohnungseigentümer aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden und beruhe dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Hausgeldansprüche, könne ihm allerdings ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen.

Praxishinweis

Der BGH entscheidet vorliegend, dass dem einzelnen Wohnungseigentümer kein Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Wohnungseigentümer zusteht, wenn er die beschlossenen Wohngelder nicht zahlt (so aber noch LG Saarbrücken, Urteil vom 07.09.2012 - 5 S 23/11, BeckRS 2012, 19284, mit Anm. Bub/von der Osten FD-MietR 2012, 337987; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Auflage, § 16 WEG Rn. 43).

In einem obiter dictum führt der BGH vorliegend aus, dass bei einer drohenden Versorgungssperre wegen Deckungslücken in Folge Zahlungsausfällen der Verwalter dafür sorgen muss, dass eine Änderung des laufenden Wirtschaftsplans beschlossen und auf diese Weise die Pflicht zur Zahlung weiterer Beträge gemäß § 28 Abs. 2 WEG begründet wird, um die Deckungslücke zu schließen (sog. Sonderumlage, vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 15. Juni 1989 - V ZB 22/88, BGHZ 108, 44, 47). Ist - wie hier - kein Verwalter bestellt, kann der einzelne Wohnungseigentümer eine solche Beschlussfassung auf der Grundlage seines Anspruchs aus § 21 Abs. 4 WEG erzwingen.

Wie der BGH ausführt, kann dem Wohnungseigentümer ein Schadensersatzanspruch gegen den Verband bestehen, wenn er aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden erleidet und dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Wohngeldansprüche beruht (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11, NJW 2012, 2955). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein einzelner Wohnungseigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum erleidet, weil eine Beschlussfassung über die sofortige Vornahme derartiger Instandsetzungsmaßnahmen unterblieben ist; in diesem Fall trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht den rechtsfähigen Verband, sondern diejenigen Wohnungseigentümer, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben (BGH, Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375). Insoweit ist also zu differenzieren, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft einen bereits gefassten Beschluss nicht umsetzt oder ob die Wohnungseigentümer schuldhaft untätig bleiben und einen Beschluss über erforderliche Maßnahmen nicht fassen.

Redaktion beck-aktuell, 26. Mai 2017.