BGH: Erfüllung baurechtlicher Vorgaben beim Sondereigentum

1. Es ist grundsätzlich Sache des jeweiligen Sondereigentümers, etwaige das Sondereigentum betreffende bauordnungsrechtliche Vorgaben, wie etwa den in einer Wohnung erforderlichen Einbau einer Toilette und einer Badewanne bzw. Dusche, auf eigene Kosten zu erfüllen.

2. Die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis ist auch dann Aufgabe aller Wohnungseigentümer, wenn der Nachweis bei einer Aufteilung gemäß § 3 WEG nicht oder nicht vollständig geführt worden ist. (Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urteil vom 09.12.2016 - V ZR 84/16 (LG Aurich), BeckRS 2016, 114113

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 05/2017 vom 16.03.2017

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Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Beklagten steht das Sondereigentum an der im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Wohnung Nr. 1 sowie das Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Einheit Nr. 3 zu. Sondereigentümerin der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung Nr. 2 ist nunmehr die Klägerin.

Nach dem Aufteilungsplan besteht die Einheit Nr. 3 aus zwei Zimmern sowie einem großen Bodenraum; anders als bei den beiden anderen Einheiten sind Küche und Bad in dem Aufteilungsplan nicht eingezeichnet. Die Wohnnutzung dieser Einheit ist bauordnungsrechtlich nicht genehmigt. Der Beklagte stellte im Jahr 2014 einen Bauantrag bei der Stadt. Diese gab dem Beklagten u.a. auf, einen Standsicherheits- und einen Brandschutznachweis zu erbringen. Zudem wies sie darauf hin, dass es aufgrund der geänderten Gebäudeklasse vermutlich erforderlich sein werde, einen Dispens hinsichtlich der Feuerwiderstandsklassen von Decken und Treppen zu erwirken. Weiter sei für die neue Wohnung ein PKW-Stellplatz nachzuweisen oder ein Verzicht zu beantragen.

In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2014 wurden folgende Beschlüsse gefasst:

„TOP 2: Die Miteigentümergemeinschaft ermächtigt [den Beklagten], auf Kosten der Gemeinschaft Fachleute zu beauftragen, die unter Ermittlung der angemessenen Kosten klären, welche Sanierungsmaßnahmen am Haus (...) durchgeführt werden müssen, um einen bauordnungsgemäßen Zustand herbeizuführen. Soweit erforderlich, soll dieses in Abstimmung mit dem Sachbearbeiter des Bauordnungsamtes der Stadt (...) erfolgen.

TOP 6 (1): Da ein Stellplatz nicht geschaffen werden kann, wird an die Stadt Oldenburg zum spätest möglichen Zeitpunkt ein Ablöseantrag gestellt.

TOP 6 (2): Den Ablösebetrag tragen die Miteigentümer im Verhältnis ihrer Eigentumsanteile.“

Die Klägerin, die sich nicht gegen die Maßnahmen als solche, sondern gegen ihre Beteiligung an den Kosten verwehrt, hat die zu TOP 2 und zu TOP 6 (2) gefassten Beschlüsse angefochten. Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat teilweise Erfolg.

Der Beschluss zu TOP 2 entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, soweit er sich auf das Gemeinschaftseigentum beziehe; entsprechend § 139 BGB sei er hingegen nichtig, soweit er das Sondereigentum betrifft. Soweit geklärt werden solle, welche "Sanierungsmaßnahmen" für die Herbeiführung eines bauordnungsgemäßen Zustands erforderlich seien, sei der Beschluss nicht zu beanstanden. Zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung gehöre gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierzu zählten sowohl die erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums als auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum. Vorliegend sei zu klären, welchen bauordnungsrechtlichen Anforderungen das gemeinschaftliche Eigentum genügen müsse, wenn die im Dachgeschoss gelegene Wohnung bewohnbar gemacht werde. Dabei gehe es insbesondere um brandschutzrechtliche Vorgaben. Sollte das Dachgeschoss künftig bewohnt werden, ändere sich u. a. die Gebäudeklasse i.S.v. § 2 Abs. 3 NBauO. Die Kosten für die Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum hätten gem. § 16 Abs. 2 WEG die Wohnungseigentümer zu tragen - auch für die Kosten der Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen. Etwas anderes gelte in Bezug auf das Sondereigentum. Insoweit sei der Beschluss nichtig. Es sei nämlich Sache des jeweiligen Sondereigentümers, etwaige das Sondereigentum betreffende bauordnungsrechtliche Vorgaben - etwa der Einbau einer Toilette und einer Badewanne bzw. Dusche, vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 NBauO - auf eigene Kosten zu erfüllen.

Die unter TOP 6 (2) beschlossene Kostenregelung entspreche der gesetzlichen Kostenregelung gem. § 16 Abs. 2 WEG und sei nicht zu beanstanden. Es handle sich um Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Senat habe bereits entschieden, dass die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis Aufgabe aller Wohnungseigentümer sei, wenn der Bauträger bei der Errichtung der Wohnanlage und der Teilung nach § 8 WEG von den der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Plänen abgewichen sei und dadurch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung bestehe, weitere Stellplätze zu schaffen. Nichts anderes gelte, wenn die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis bei einer Aufteilung gem. § 3 WEG nicht oder nicht vollständig erfüllt worden seien. Hier wie dort betreffe die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen die erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums, die auf die bauliche Anlage und nicht auf eine einzelne "Einheit", vgl. § 47 Abs. 1 NBauO, bezogen sei.

Praxishinweis

Der BGH setzt mit der vorliegenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 26.02.2016 - V ZR 250/14, BeckRS 2016, 10839) fort, wonach die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist, wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen. Vorliegend bestand ein Anspruch auf erstmalige Herstellung, da die Wohnanlage nach der Zweckbestimmung vervollständigt wurde (vgl. im Einzelnen Staudinger/Bub, BGB, 2005, § 21 WEG, Rn. 187). Da der Begriff der ordnungsgemäßen Instandsetzung über den Wortlaut extensiv auszulegen ist, gehören zu den Instandsetzungskosten gem. § 16 Abs. 2 WEG auch die Kosten der erstmaligen Herstellung, die von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind.

Der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 4 und Abs. 5 WEG, der auch den Anspruch auf erstmalige Herstellung des plangemäßen Zustands der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan und der Teilungserklärung umfasst, ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 27.04.2012 - V ZR 177/11, BeckRS 2012, 11670 m Anm. Bub/Bernhard FD-MietR 2012, 333549) unverjährbar.

Nicht prüfen musste der BGH vorliegend, ob der Beschluss zu TOP 2 hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums die Aufgaben des Verwalters abbedingt und daher nichtig ist. Gem. § 27 Abs. 4 WEG dürfen die in § 27 Abs. 1 bis Abs. 3 WEG genannten Aufgaben und Befugnisse des Verwalters weder durch Vereinbarung entzogen noch beschränkt werden; dies gilt erst recht für Mehrheitsbeschlüsse (Merle ZWE 2010, 2, 7; Staudinger/Bub, BGB, 2005, § 27 WEG, Rn. 23). Gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter gegenüber den Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen; § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG betrifft aber nur die laufenden Maßnahmen, d.h. normale Verschleißreparaturen, die regelmäßig und in kürzeren Abständen widerkehren (Palandt/Bassenge, BGB, 76. Auflage, § 27 WEG, Rn. 26). Nur für die Vergabe entsprechender Aufträge hat er nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 WEG Vertretungsmacht, die nicht abbedungen werden darf. Vorliegend handelt es sich bei der Feststellung welche Sanierungsmaßnahmen am Haus erforderlich sind, um einen bauordnungsgemäßen Zustand herbeizuführen, nicht um eine laufende Maßnahme, so dass die Wohnungseigentümer mit ihrem Beschluss § 27 Abs. 3 Nr. 3 WEG auch nicht abbedungen haben.

Redaktion beck-aktuell, 16. März 2017.