BGH: Aufrechnungsmöglichkeiten mit einem Erstattungsanspruch

InsO § 143 I, II; BGB §§ 99, 100, 102

Der Anfechtungsgegner kann mit seinem Anspruch auf Erstattung von Fruchtgewinnungskosten nur gegenüber dem Anspruch der Masse auf Herausgabe der vereinnahmten Mieten oder auf Wertersatz für diese Früchte aufrechnen, nicht aber gegenüber dem Wertersatzanspruch der Masse wegen einer unmöglich gewordenen Herausgabe der Immobilie. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 24.01.2019 - IX ZR 121/16 (OLG Hamburg), BeckRS 2019, 3519

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Tobias Hirte, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 08/2019 vom 12.04.2019

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Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass der Mutter der Beklagten und macht ihr gegenüber Anfechtungsansprüche geltend. Die Erblasserin war Eigentümerin von Immobilien und übertrug der Beklagten in 2004 ein Mietshaus und eine von der Beklagten selbst bewohnte Wohnung. Vertraglich war dabei vereinbart worden, dass die Beklagte als „Gegenleistung“ auch weiterhin die Grundstücksverwaltung für weitere Grundstücke der Erblasserin übernimmt, das bislang vereinbarte Entgelt für die Verwaltung aber entfällt. Die Erblasserin verstarb 2006. Nach Ausschlagung der Erbschaft stellte der Nachlasspfleger 2007 Insolvenzantrag. 2008 veräußerte die Beklagte das ihr im Jahr 2004 übertragene Mietshaus zu einem Kaufpreis in Höhe von ca. 2,8 Mio. EUR. Der Kläger verlangt nach § 134 I InsO Rückübertragung der Wohnung bzw. Wertersatz für das veräußerte Objekt und im Wege der Stufenklage Herausgabe der aus der Vermietung gezogenen Nutzungen. Die Beklagte wandte ein, der Wertersatz sei um den Wert der erbrachten Verwaltungsleistungen für das Mietshaus zu mindern. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil die Beklagte zur Zahlung von Wertersatz in Höhe von ca. 2 Mio. EUR, zur Rückübertragung der Wohnung und zur Auskunftserteilung verurteilt. Der BGH hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die von ihr zur Anrechnung geltend gemachten Verwaltungsleistungen bis zu einem Betrag von ca. 113.000 EUR.

Entscheidung: Aufrechnungsmöglichkeiten mit einem Erstattungsanspruch

Die Revision hatte Erfolg. Durch Versäumnisurteil wurde das Teilurteil im angefochtenen Umfang aufgehoben und zurückverwiesen. Verfahrensfehlerhaft habe das Berufungsgericht über die von der Beklagten erbrachten Verwaltungsleistungen entschieden. Wie diese Leistungen rechtlich einzuordnen sind, sei auch für den noch nicht entschiedenen Teil der Stufenklage entscheidungsreif. Der BGH wies für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

Abzugrenzen seien die Verwendungen auf die Immobilie iSd §§ 994 ff. BGB von den Kosten für die Gewinnung von Früchten aus der Immobilie iSd § 102 BGB. Eine Einordnung zur Fruchtgewinnung, also Mieteinnahmen käme in Betracht ua für eigene geldwerte Arbeitsleistung, Anbahnung, Betreuung und Abwicklung von Mietverträgen, auf die Immobilie bezogener Kontakt mit Behörden und Versorgungsbetrieben, sofern im Schwerpunkt ein Zusammenhang mit oder bei der Fruchtziehung selbst liege. Diese Aufwendungen dürften nach Auffassung des BGH nur durch Aufrechnung gegen den Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Mieten oder auf den an dessen Stelle getretenen Wertersatzanspruch berücksichtigungsfähig sein. Ein unmittelbarer Abzug des Wertes der Aufwendungen bei der Bemessung des bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs der Masse gem. § 818 II, III BGB scheide allerdings aus. Lediglich ein selbständiger Gegenanspruch aus Verwendungskondiktion gem. § 812 I 1 Fall 2 BGB komme in Betracht.

Der BGH erkennt in der Erklärung der Beklagten, ihre Verwaltungsleistungen müsste mindernd berücksichtigt werden, eine konkludente Aufrechnungserklärung. Dieser stehe auch nicht § 96 I 1 InsO entgegen. Vielmehr könne der Anspruch auf Erstattung von Kosten Masseverbindlichkeiten nach § 55 I 3 InsO begründen. Dieser Anspruch solle eine ungerechtfertigte Bereicherung des Fruchtgläubigers in Gestalt derjenigen Kosten abschöpfen, deren Aufwendung die Gewinnung der dem Fruchtgläubiger schuldrechtlich zugewiesenen Früchte erst ermöglicht habe. Der Bereicherungsgläubiger dürfe diesen wieder aus der Masse abziehen. Die Masse erlange den Wert der ersparten Kosten allerdings erst mit Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder mit Zahlung des Wertersatzes.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt auf, dass ein Anfechtungsgegner zwar auf der einen Seite verpflichtet sein kann, in anfechtbarer Art und Weise erlangtes Vermögen herauszugeben bzw. Wertersatz zu leisten. Auf der anderen Seite kann der Anfechtungsgegner mit seinem Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen oder Kosten aufrechnen, allerdings nur gegenüber dem Anspruch der Masse auf Herausgabe vereinnahmter Mieten (Früchte), nicht jedoch gegenüber dem Wertersatz der Masse wegen einer unmöglich gewordenen Herausgabe der Immobilie; warum das so sein soll, dazu macht der BGH keine weiteren Ausführungen.

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2019.