BGH: Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung

InsO § 129 I

Tilgt der Schuldner eine gegen ihn gerichtete Darlehensforderung durch Barzahlung, wird die darin liegende Gläubigerbenachteiligung beseitigt, wenn der Darlehensgeber dem Schuldner erneut Barmittel zu gleichen Bedingungen wieder zur Verfügung stellt. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 25.01.2018 - IX ZR 299/16, BeckRS 2018, 1030

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 6/2018 vom 16.03.2018

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Sachverhalt

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 17.7.2015 über das Vermögen des Schuldners am 10.8.2015 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Schuldner erteilte der Beklagten, seiner Schwester, in einer mit „Rückzahlungsvereinbarung“ überschriebenen Urkunde vom 23.3.2012 die Bestätigung, ihr insgesamt 23.500 EUR zu schulden und diesen Betrag bis zum 31.12.2015 zu erstatten. Am 11.6.2015 erhielt der Schuldner aus einer Lebensversicherung eine Banküberweisung iHv 25.000 EUR. Den am 12.6.2015 von seinem Konto abgehobenen Betrag von 23.500 EUR händigte der Schuldner am selben Tag der Beklagten aus. Diese behauptete, unter Verwendung der erhaltenen Scheine am 12.6.2015 einen Barbetrag von 16.500 EUR an den Schuldner zurückbezahlt zu haben.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung von 23.500 EUR in Anspruch. Nach Stattgabe der Klage durch das Erstgericht hat das OLG die Berufung der Beklagten gem. § 522 II ZPO zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgte – entsprechend der beschränkten Revisionszulassung durch den Senat – ihr Klagabweisungsbegehren weiter, soweit sie zur Zahlung von 16.500 EUR verurteilt wurde. Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung

Der BGH führte zunächst aus, dass eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sei, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehre oder die Aktivmasse verkürze und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitele, erschwere oder verzögere, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH WM 2014, 1868 mAnm Schütze FD-InsR 2014, 362233). Die von dem Schuldner zugunsten der Beklagten bewirkten Barzahlungen haben infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 I InsO) bewirkt (vgl. BGH WM 2017, 1910).

Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung könne nachträglich dadurch wieder aufgehoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführe. In dieser Weise verhalte es sich nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall.

Die Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung setze voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolge, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wieder zurück zu geben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her müsse es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln (BGH WM 2015, 1996 mAnm de Bra FD-InsR 2015, 373632). Eine solche Rückführung könne etwa darin anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner rückabgetreten oder eine erhaltene Zahlung an ihn zurückgewährt werde.

Soweit nach der Zweckbestimmung der Erstattungsleistung eine vorweggenommene Befriedigung des Rückgewähranspruchs verlangt werde (BGH WM 2015, 1996 mAnm de Bra FD-InsR 2015, 373632), bedeute dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass dem Anfechtungsgegner die Anfechtbarkeit der an ihn bewirkten Zahlung bewusst gewesen sein müsse. Vielmehr genüge es, wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Vermögenswerte zukommen lasse, welche bestimmungsgemäß die angefochtene Leistung vollständig ausgleichen und dem Gläubigerzugriff offenstehen (BGHZ 173, 328).

Treffe die Darstellung der Beklagten zu, sei durch die von ihr gewirkte teilweise Rückzahlung der empfangenen Barmittel die zuvor bei dem Schuldner bestehende Vermögenslage teilweise wieder hergestellt und folglich die eingetretene Gläubigerbenachteiligung (§ 129 I InsO) insoweit ausgeglichen worden.

Die angefochtene Entscheidung könne damit nicht bestehen bleiben. Sie sei teilweise aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die Sache sei an das Berufungsgericht zurückzuweisen, um abschließende Feststellungen zu treffen, ob die Beklagte den empfangenen Bargeldbetrag tatsächlich dem Schuldner iHv 16.500 EUR zurückgewährt habe.

Praxishinweis

Grundsätzlich genügt es, wenn der empfangene Gegenstand dem Werte nach wieder in das Vermögen des Schuldners gebracht wird. Allerdings wird die durch eine Überweisung ausgelöste Gläubigerbenachteiligung seitens des Empfängers nicht mit Hilfe einer zuvor einvernehmlich abgesprochenen Barrückzahlung (Vornahme einer Scheinzahlung) rückgängig gemacht, weil den Gläubigern durch diese Maßnahme der Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert wird. Hierauf wies der BGH in seiner Entscheidung unter Hinweis auf BGH WM 2015, 1996 (mAnm de Bra FD-InsR 2015, 373632) nochmals ausdrücklich hin.

Redaktion beck-aktuell, 19. März 2018.