BGH: Erbringung von Werkleistungen als möglicherweise zur Anfechtung führende Leistungen

InsO § 135 II

Erfüllt der Schuldner einen Werkvertrag, für den ein Dritter eine Anzahlungsbürgschaft übernommen hat, liegt darin gegenüber dem Gesellschafter, der dem Dritten für die Bürgschaft eine Sicherheit gestellt hat, keine Rückgewähr einer gleichgestellten Forderung. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 26.01.2017 - IX ZR 125/15 (OLG Koblenz), BeckRS 2017, 102132

Anmerkung von

Rechtsanwalt Dr. Pascal Schütze, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 06/2017 vom 24.03.2017

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Insolvenzrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Insolvenzrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Die Schuldnerin hatte nach dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über eine atypisch stille Gesellschaft eine Einlage von 1.000.000 EUR zu erbringen. Als Sicherheit für den der Schuldnerin eingeräumten Avalkreditrahmen verpfändete die Beklagte der Bank ein Kontoguthaben über 1.000.000 EUR. Die Bank übernahm zugunsten einzelner Auftraggeber, mit denen die Schuldnerin verschiedene Werkverträge abschloss, für die von diesen geleisteten Anzahlungen entsprechende Bürgschaften für die Schuldnerin. Die Bank verbürgte sich darin jeweils für die Rückzahlung eines bestimmten Anzahlungsbetrages aus einem einzelnen Werkvertrag. Die Bank zahlte nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin und der Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter auf drei Bürgschaften insgesamt 635.286 EUR. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte in Höhe der Differenz des Avalkreditrahmens über 1.000.000 EUR zu den geleisteten Zahlungen, also iHv 364.715 EUR, von ihren gewährten Anzahlungsbürgschaften frei geworden ist und verlangt von der Beklagten Rückzahlung hinsichtlich der freigewordenen Avalbeträge nach § 135 II InsO.

Sowohl das LG als auch das Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Der Neunte Zivilsenat des BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Entscheidung

Nach dem BGH sei die Beschwerde unbegründet, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Es fehle für die gegenüber der Beklagten allein geltend gemachten Anfechtung nach § 135 II InsO jedenfalls daran, dass die Schuldnerin einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung gewährt oder Leistungen auf Forderungen eines Dritten erbracht habe, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen würden. Dies scheide im Streitfall im Verhältnis zur Bank schon deshalb aus, weil die Schuldnerin weder eine Darlehensforderung, noch eine einem Darlehen gleichgestellte Forderung der Bank erfüllt habe. Die von der Schuldnerin erbrachten Werkleistungen, auf die der Kläger seine Anfechtung stütze, seien im Streitfall keine zur Anfechtung nach § 135 II InsO führenden Leistungen auf die allein von der Beklagten besicherten Ansprüche der Bank. Die Anzahlungsbürgschaften der Bank würden nur den bedingten Anspruch auf Rückgewähr der von dem Auftraggeber geleisteten Anzahlungen sichern. Es gehe um den Fall des Scheiterns der Vertragserfüllung. Der Anspruch auf Rückzahlung einer Vorleistung oder einer Abschlagszahlung sei ein aufschiebend bedingter Anspruch. Soweit die Schuldnerin die den jeweiligen Dritten geschuldeten Werke fertiggestellt habe und die Vertragserfüllung nicht gescheitert sei, seien die von den Anzahlungsbürgschaften gesicherten Forderungen nicht entstanden. In der Fertigstellung der Werke liege daher keine Erfüllung eines hinsichtlich der Anzahlungsbürgschaften bestehenden Rückzahlungsanspruchs oder eines Befreiungs- oder Regressanspruchs der Bank. Es könne dahinstehen, ob in der Werkleistung die Rückzahlung einer einem Darlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung des Auftraggebers gesehen werden könne. Diese Forderung sei von der Beklagten nicht besichert worden.

Praxishinweis

Der Streitfall behandelt eine durchaus kreative, aber im Ergebnis erfolgslose Anfechtung eines Insolvenzverwalters mit Schnittstelle zum Baurecht. Der BGH konnte die aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Erbringung einer Werkleistung in den Anwendungsbereich des § 135 II InsO fällt, unter Verweis auf sein Urt. v. 27.5.2003 (BeckRS 2003, 05240) hier unentschieden lassen. Danach handelt es sich bei dem über die Bürgschaften gesicherten Rückgewähranspruch der Anzahlungen um einen aufschiebend bedingten Anspruch. Bei Fertigstellung der Werkleistungen durch die Schuldnerin sind die von den Bürgschaften gesicherten Forderungen aber gar nicht erst entstanden und konnten somit auch nicht erfüllt werden.

Redaktion beck-aktuell, 28. März 2017.