OLG Brandenburg: Ausschluss des überlebenden Elternteils von der Vermögenssorge nach Trennung der Eltern (Geschiedenentestament)

BGB §§ 1629 I, 1638 I, 1909 I 1

1. Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung muss nicht ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genügt, dass der Wille des Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der letztwilligen Verfügung - wenn auch nur unvollkommen - zum Ausdruck kommt.

2. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein genügt für den Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge aber nicht. (Leitsätze der Redaktion)

OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2019 - 9 WF 265/18, BeckRS 2019, 4980

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 04/2019 vom 24.04.2019

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Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.

Die Erben des 2016 verstorbenen Vaters entstammen der 2012 geschiedenen Ehe mit der Beteiligten zu 1. Der Kindesvater hinterließ noch zwei weitere Kinder.

Mit handschriftlichem Testament aus dem Jahr 2012 hatte der Erblasser seine beiden Töchter L… und Li… als Erben zu je ½ eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Ferner bestimmte er, dass seine geschiedene Ehefrau den Minimalpflichtteil aus dem Nachlass erhält und sie kein Wohnrecht an dem Haus besitzt.

Mit Beschluss vom 19.03.2018 hat das AG Eisenhüttenstadt den Testamentsvollstrecker wegen Untätigkeit entlassen. Die im Testament - für den Fall des Todes des Testamentsvollstreckers - weiter benannte Person lehnte die Übernahme des Amtes ab.

Im vorliegenden Verfahren hat das AG Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 08.10.2018 für beide betroffenen Kinder eine Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 2. zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Verwaltung des ererbten Vermögens nach dem Erblasser.

Gegen diesen Beschluss hat die Mutter Beschwerde eingelegt, mit der sie dessen Aufhebung erstrebt. Der Ergänzungspfleger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidung: Das Amtsgericht hat zu Unrecht für die minderjährigen Kinder eine Ergänzungspflegschaft hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses ihres verstorbenen Vaters angeordnet.

Die Beteiligte zu 1. ist für die betroffenen Kinder allein sorgeberechtigt (§ 1680 Abs. 1 BGB). Ihr steht damit auch die Sorge für das gesamte Vermögen der Kinder zu, zu dem auch der Nachlass des verstorbenen Kindesvaters gehört. Die Vermögenssorge der Mutter ist nicht aufgrund testamentarischer Anordnung ausgeschlossen; sie kann die Kinder bezüglich des ererbten Vermögens vertreten.

Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

Die letztwillige Verfügung enthält jedoch keine ausdrückliche Bestimmung, wonach das Vermögensverwaltungsrecht der Mutter beschränkt sein soll.

Allein aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung lässt sich nicht entnehmen, dass die Vermögensverwaltung der Mutter gemäß § 1638 BGB ausgeschlossen sein sollte. Beide Anordnungen können nebeneinander getroffen werden; sie schließen sich nicht aus. Ein Wille des Erblassers, die Mutter der Kinder von der Vermögensverwaltung auszuschließen, lässt sich nicht ausmachen. Es lässt sich weder aus dem Inhalt des Testaments noch aus anderen Umständen schließen, dass die Testamentsvollstreckung aus Misstrauen der geschiedenen Ehefrau gegenüber erfolgte. Die testamentarischen Anordnungen, welche die Mutter der Erbinnen betreffen, lassen nur erkennen, dass diese nicht selbst Nutznießerin des Vermögens des Erblassers werden sollte. Der Fall, dass sowohl der eingesetzte Testamentsvollstrecker als auch die hilfsweise - für dessen Todesfall - eingesetzte Person nicht für das Amt zur Verfügung stehen würden, ist vom Erblasser nicht bedacht worden. Dass für diesen Fall aus Sicht des Erblassers Gründe bestehen könnten, die Mutter der Erbinnen von der Vertretung auszuschließen, ist nicht festzustellen.

Schließlich gibt es auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter die Vermögensverwaltung nicht im Interesse und zum Wohle der betroffenen Kinder ausführen wird. Ein Eingriff in die elterliche Sorge nach §§ 1666, 1666a BGB scheidet aus, sodass sich die angeordnete Ergänzungspflegschaft auch aus diesem Grund nicht rechtfertigen lässt.

Praxishinweis

Im Mittelpunkt dieser Entscheidung steht die Fallgruppe des Geschiedenentestaments, das infolge der zunehmenden Zahl von patch-work-Familien in der erbrechtlichen Beratungspraxis immer häufiger nachgefragt wird. Mit einem „Geschiedenentestament“ will der Erblasser seinen früheren Ehe- oder Lebenspartner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unter allen erdenklichen Umständen von der Teilhabe am eigenen Vermögen ausschließen, also auch in dem seltenen Fall, dass das gemeinsame Kind nach dem Erbfall, aber vor dem ehemaligen Partner stirbt. Die gestalterische Herausforderung besteht darin, dem Kind das Recht vorzubehalten, sowohl durch lebzeitiges Rechtsgeschäft als auch durch Verfügung von Todes wegen den Nachlass zwischen seinem Ehepartner und den eigenen Abkömmlingen möglichst frei verteilen zu können.

Auch wenn der Senat in der vorliegenden Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kindsvater seine Ex-Ehefrau nicht in dieser Weise ausschließen wollte, so bietet der Fall doch Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass zu einem derartigen Testament 3 Elemente gehören, nämlich:

  1. der Ausschluss des Ex-Partners von der gesetzlichen Erbfolge nach den (minderjährigen) Kindern,
  2. der Entzug der elterlichen Sorge des überlebenden Elternteils für die Verwaltung des Nachlassvermögens und
  3. die Regelung der Verwaltung des Nachlassvermögens durch eine aus Sicht des Erblassers vertrauenswürdige Person

1. Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge beim Tod des gemeinsamen Kindes

Mit der Anordnung der Nacherbschaft kann der Erblasser selbst den weiteren Weg des Nachlasses nach dem Tod des gemeinsamen Kindes bestimmen: Der Vorerbe kann ermächtigt werden, aus dem Kreis seiner gesetzlichen Erben frei auszuwählen, wer Erbe seines eigenen Nachlasses und damit zugleich auch Nacherbe werden soll. Dabei werden aber der andere Elternteil und dessen eigene Abkömmlinge als Nacherben ausgeschlossen. Nach h.M. ist diese Art der Nacherbeneinsetzung zwar kein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsgebot des § 2065 BGB (MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, BGB § 2065 Rn. 18 f. m.w.Nw.), doch ist dies kein verlässlicher Schutz vor abweichenden Gerichtsentscheidungen (vgl. OLG Frankfurt a.M., DNotZ 2001, 143 f. mit ablehnender Anmerkung  Kanzleiter; dagegen auch Ivo, DNotZ 2002, 260, 263 ff.). Auch die Sicherung der lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Vorerben bereitet dieser Konstruktion Probleme, weil dieser durch § 2136 BGB Grenzen gezogen werden, die nur eingeschränkt erweitert werden können (ausführlich dazu BeckOKBGB/Litzenburger, Stand: 1.2.2019, BGB § 2136 Rn. 2 ff.). Das eigentliche Ziel des „superbefreiten Vorerben“ (Zawar, DNotZ 1989, 116, 141) wird mit dieser Lösung deshalb letztlich verfehlt. Daher ist die Anordnung eines aufschiebend bedingten Universalvermächtnisses für den Fall, dass bei dessen Tod Nachlassgegenstände an den anderen Elternteil fallen, der befreiten Vorerbschaft unter diesem Aspekt regelmäßig vorzuziehen (zur Zulässigkeit Schnabel, Das Geschiedenentestament, 2000, 141 f.). Doch schematische Antworten auf diese Gestaltungsfragen sind sicher fehl am Platz.

Im vorliegenden Fall hat der Kindsvater diese Probleme entweder nicht gesehen oder eine Ersatzerbfolge der Mutter seiner Kinder bewusst in Kauf genommen. Im zuletzt genannten Fall würde dies das Ergebnis des Senats stützen, dass der Erblasser mit seinem Testament seine Ex-Ehefrau nicht in jeder Hinsicht ausschließen wollte.

2. Entzug der Vermögenssorge

Der ausdrückliche Ausschluss der Vermögenssorge gemäß § 1638 BGB ist unverzichtbarer Bestandteil jedes Geschiedenentestaments. Mit Recht hat es der Senat vorliegend abgelehnt, aus der Anordnung der Verwaltungstestamentsvollstreckung auf einen Entzug der Vermögenssorge über den Nachlass zu schließen. Beide Verfügungen stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander, auch wenn für die Dauer der Verwaltungstestamentsvollstreckung der Entzug der Vermögenssorge über den Nachlass praktisch verdrängt wird. Im Falle der Unwirksamkeit oder Beendigung der Testamentsvollstreckung erlangt der Entzug der Vermögenssorge gemäß § 1638 BGB dann aber wieder Relevanz.

3. Verwaltungstestamentsvollstreckung

Mit der Anordnung der Verwaltungstestamentsvollstreckung hat der Erblasser die Möglichkeit, sowohl eine über die Volljährigkeit hinausreichende Nachlassverwaltung zu sichern, als auch die Person des Verwalters verbindlich zu bestimmen. Der vorliegende Fall zeigt jedoch auch die Risiken auf, wenn alle vom Erblasser benannten Personen das Amt ablehnen.  Hat der Erblasser für diesen Fall das Amtsgericht nicht um Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers ersucht, wird die Testamentsvollstreckung wirkungslos und es kommt auf die selbstständig zu prüfende Frage an, ob der überlebende Elternteil gemäß § 1638 BGB von der Vermögenssorge für den Nachlass ausgeschlossen sein soll.

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2019.