OLG Celle: Eidesstattliche Versicherung eines Vorsorgebevollmächtigten reicht beim Erbscheinsantrag aus

BGB § 1896; BGB a.F. §§ 2354, 2356

Grundsätzlich hat der Antragsteller die Richtigkeit seiner im Erbscheinsantrag gemachten Angaben zwar höchstpersönlich an Eides statt zu versichern. Ist der Vertretene jedoch nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Lage, kann diese nicht nur von einem Betreuer, sondern auch von einem Vorsorgebevollmächtigten abgegeben werden, weil nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB durch die Vorsorgevollmacht gerade die Anordnung einer Betreuung ersetzt werden soll. (Leitsatz der Redaktion)

OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018 - 6 W 78/18, BeckRS 2018, 13277

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 07/2018 vom 23.07.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des monatlich erscheinenden Fachdienstes Erbrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Erbrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Erbrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de


Sachverhalt

Die 95-jährige an Demenz erkrankte Beteiligte zu 1 hat, vertreten durch den mit notarieller General- und Vorsorgevollmacht versehenen Bevollmächtigten 2018 beim Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge gestellt, der sie als Alleinerbin des Erblassers, ihres Ehemannes, ausweist.

Der Bevollmächtigte hat vor dem Nachlassgericht an Eides statt versichert, dass ihm nichts bekannt ist, was der Richtigkeit seiner zur Begründung des Erbscheinsantrags gemachten Angaben entgegensteht. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins mit der Begründung abgelehnt, der Bevollmächtigte sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als gewillkürter Vertreter nicht berechtigt. Es bedürfe zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eines gesetzlichen Vertreters, also eines Betreuers.

Dagegen wendet die Beteiligte sich mit ihrer Beschwerde. Das Betreuungsgericht habe es abgelehnt, für die Beteiligte eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung einzurichten, weil die Beteiligte eine Vorsorgevollmacht erteilt habe und der Bevollmächtigte die Angelegenheiten für die Betroffene regeln könne. Zudem könne ein Fremdbetreuer zu dem vorliegenden Fall keine konkreten Angaben machen oder entsprechende Informationen auch nur bei dem Bevollmächtigen einholen.

Den ablehnenden Beschluss hat die Beteiligte mit der Beschwerde angefochten.

Rechtliche Wertung

Die Beschwerde ist nach Ansicht des Senats begründet, weil der Bevollmächtigte der Beteiligten berechtigt sei, die Richtigkeit der zur Begründung des Erbscheinsantrags erforderlichen Angaben an Eides statt zu versichern (§§ 2354 Abs. 1 Nrn. 3 - 5, 2356 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F.).

Grundsätzlich habe der Antragsteller die Richtigkeit seiner im Erbscheinsantrag gemachten Angaben zwar selbst an Eides statt zu versichern, weil es sich dabei um eine höchstpersönliche Erklärung handele, bei der eine Vertretung durch einen gewillkürten Vertreter unzulässig sei. Sei der Vertretene jedoch nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Lage, könne sein gesetzlicher Vertreter, z. B. ein Betreuer, die Erklärung abgeben (Litzenburger ZEV 2004, 450, 451). Dabei stehe ein Vorsorgebevollmächtigter einem gesetzlichen Vertreter gleich, weil nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB durch die Vorsorgevollmacht gerade die Anordnung einer Betreuung ersetzt werden solle.

Der Bevollmächtigte ist nach Ansicht des Senats aufgrund der ihm von der Beteiligten am 29.07.2010 erteilten, notariell beurkundeten General- und Vorsorgevollmacht zur Abgabe der Versicherung an Eides statt berechtigt. Ihm sei nach § 2 der erteilten Generalvollmacht gestattet, „in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, bei denen eine Stellvertretung rechtlich zulässig ist, .. Erklärungen aller Art abzugeben und entgegenzunehmen sowie Anträge zu stellen, abzuändern, zurückzunehmen“ und „den Vollmachtgeber gegenüber Gerichten zu vertreten“. Ferner soll er nach § 1 der vorgenannten Urkunde befugt sein, alle Erklärungen, Entscheidungen, Maßnahmen etc. abzugeben bzw. zu treffen, „zu denen gemäß § 1896 I BGB ein gerichtlich bestellter Betreuer berechtigt ist“. Er sei insoweit einem Betreuer gleichzusetzen.

Zweifel an der Wirksamkeit der dem Bevollmächtigten am 29. Juli 2010 erteilten notariellen General- und Vorsorgevollmacht seien vom Amtsgericht im angefochtenen Beschluss nicht geäußert worden und dem Senat auch sonst nicht ersichtlich.

Praxishinweis

Es handelt sich – soweit ersichtlich – um die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob ein Vorsorgebevollmächtigter befugt ist, einen Erbschein für den geschäftsunfähigen Antragsteller zu beantragen, ohne dass ein eigens dafür bestellter Betreuer die Richtigkeit der Angaben im Antrag an Eides statt versichert. Völlig zu Recht verweist der Senat darauf, dass es Sinn der Vorsorgevollmacht sei, Betreuungsverfahren zu vermeiden. Ein besonders krasser Verstoß gegen dieses in § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelte Subsidiaritätsprinzip wäre es, wenn allein zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eigens ein Betreuer bestellt werden müsste. Folgerichtig hat der Senat im vorliegenden Fall auch die Notwendigkeit der Anordnung einer Betreuung abgelehnt.

Stattdessen hat der Senat eine eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten verlangt, ohne dies näher zu begründen. Das Gesetz verlangt jedoch ausdrücklich die Versicherung durch den Antragsteller – nicht aber des Vertreters. Deshalb muss die Frage gestellt werden, was den Senat zu dieser Lösung des Problems bewogen hat.

Während nach mittlerweile allgemeiner Auffassung eine Bevollmächtigung zur Abgabe dieser eidesstattlichen Versicherung ausscheidet, herrscht Einigkeit darüber, dass ein gesetzliche Vertreter (z.B. Eltern, Betreuer) auf Grund seiner Rechtsstellung für einen Handlungsunfähigen eine eigene Versicherung abgeben kann, die - wenn sie falsch ist - zu seiner Bestrafung führt, nicht aber zu der des Vertretenen.

Die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers ist jedoch keine zwingende Antragsvoraussetzung. Es steht gemäß § 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG (= § 2356 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts auf deren Abgabe zu verzichten. Dabei hat sich das Gericht am Zweck der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren zu orientieren, nämlich die besondere Sachverhaltskenntnis des Antragstellers dazu zu nutzen, den Umfang der amtlichen Ermittlungen des Nachlassgerichts zu begrenzen.

Anhand dieser Kriterien hat das Nachlassgericht zu entscheiden, ob es die eigene eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten zulässt und dabei zugleich auf die Abgabe durch den Antragsteller verzichtet (vgl. BayObLGZ 1967, 247, 249). Ein Verzicht ist vor allem dann geboten, wenn der Bevollmächtigte (Ehepartner, Kinder usw.) mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zum Betreuer ernannt werden müsste. Eine solche Förmelei ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch, dass dem Nachlassgericht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt wird, dass der Antragsteller so schwer erkrankt ist, dass er auf absehbare Zeit außer Stande ist, die Versicherung höchstpersönlich abzugeben. Die bloße Behauptung der Erklärungsunfähigkeit durch den Bevollmächtigten ist nicht ausreichend. Auf der anderen Seite ist die Forderung nach Vorlage eines amtsärztlichen Attestes überzogen. Ein einfaches ärztliches Zeugnis über die Handlungsunfähigkeit muss genügen. Es liefert dem Nachlassgericht bei seiner Ermessensentscheidung über den Verzicht auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers eine hinreichend verlässliche Grundlage und schützt vor einem Missbrauch dieser Ausnahmeregelung. Legt der Bevollmächtigte ein solches Zeugnis eines Arztes vor, so kann seine eigene eidesstattliche Versicherung an Stelle derjenigen des Antragstellers zugelassen werden. Das Nachlassgericht kann – was der Senat übersehen hat – aber auch gänzlich darauf verzichten, vor allem dann, wenn er keine sachverhaltsbezogenen Kenntnisse besitzt.

Es ist zu wünschen, dass sich sämtliche Nachlassgerichte in Deutschland an dieser Entscheidung des OLG Celle orientieren. Betreuungsverfahren allein zum Zwecke der Erbscheinserteilung sind vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt und würden von der rechtssuchenden Bevölkerung auch nicht verstanden.

Redaktion beck-aktuell, 25. Juli 2018.