OLG Bremen: Vorbehalt zur Änderung wechselbezüglicher Verfügungen kann von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht werden

BGB §§ 181, 2065, 2270, 2271, 2361; FamFG §§ 58, 59, 61, 63, 64, 81, 84

Die mittels eines sog. Änderungsvorbehaltes in einem gemeinschaftlichen Testament den Ehegatten wechselseitig eingeräumte Befugnis zur Abänderung wechselseitiger Verfügungen kann von der Zustimmung eines Dritten (hier: Testamentsvollstrecker) abhängig gemacht werden. (amtl. Leitsatz)

OLG Bremen, Beschluss vom 30.08.2017 - 5 W 27/16, BeckRS 2017, 126888

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 03/2018 vom 26.03.2018

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Sachverhalt

Die Beteiligten, Töchter des 2013 verstorbenen Erblassers aus seiner Ehe mit seiner 2007 vorverstorbenen Ehefrau, streiten um die Einziehung eines Erbscheins.

Am 10.07.2000 errichteten die Eltern der Beteiligten ein eigenhändig verfasstes gemeinschaftliches Testament. Wie in den früheren gemeinschaftlichen Testamenten setzten sie sich zunächst wechselseitig zu Erben des gesamten Nachlasses ein und bestimmten zu Erben des Letztversterbenden ihre Töchter, die Beteiligten zu 1) und 2), zu 40 % und ihre Enkel zu 20 %. Das Testament enthält außerdem Teilungsanordnungen, eine Pflichtteilsstrafklausel sowie die Anordnung der Testamentsvollstreckung nach dem Tode des zuletzt Versterbenden mit der Benennung von zwei für dieses Amt bestimmten Personen bzw. einer Ersatzperson. Ferner heißt es in dem gemeinschaftlichen Testament: „Der Überlebende von uns kann dieses Testament in allen Punkten ändern und anderweitig letztwillig verfügen, jedoch nur in Übereinstimmung mit den Testamentsvollstreckern“.

Am 27.12.2011 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die Beteiligten zu gleichen Teilen zu seinen alleinigen Erben einsetzte, für die Beteiligte zu 1) aber Nacherbschaft nach der Beteiligten zu 2) anordnete und die Beteiligte zu 2) zur Testamentsvollstreckerin bestimmte. In der Präambel der Urkunde erklärte der Erblasser, dass die im Testament vom 10.07.2000 enthaltene Formulierung, der Überlebende dürfe „nur in Übereinstimmung mit den Testamentsvollstreckern“ verfügen, lediglich die Erwartung der Eheleute zum Ausdruck bringen solle, ein Einvernehmen mit den Testamentsvollstreckern herzustellen, ohne sich aber „deren Diktat“ zu unterwerfen. Eine Abstimmung des Inhalts dieses Testaments zwischen dem Erblasser und den im gemeinschaftlichen Testament vom 10.07.2000 als Testamentsvollstrecker benannten Personen hat nicht stattgefunden.

Gestützt auf dieses notarielle Testament beantragte die Beteiligte 2) die Erteilung eines Erbscheins als Vorerbin sowie die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die im Erbscheinsverfahren u.a. angehörte Beteiligte zu 1) stimmte der Erteilung zu, so dass der Erbschein 2014 erteilt wurde.

Mit Antrag ihres Verfahrensbevollmächtigten beantragte die Beteiligte zu 1) 2016 die Einziehung des Erbscheins und des Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zwar sei die in der Änderungsklausel enthaltene Bindung an die Zustimmung der Testamentsvollstrecker gemäß § 2065 BGB unwirksam, doch führe dies nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Änderungsklausel, sondern nur zur Unwirksamkeit des Zustimmungsvorbehalts.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das Amtsgericht nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Rechtliche Wertung

Der Senat gibt der Beschwerdeführerin Recht und weist das Nachlassgericht zur Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 6.05.2014 gemäß § 2361 S. 1 BGB an.

Das notarielle Einzeltestament vom 27.11.2011 sei gemäß § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, weil die wechselbezüglichen Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament vom 10.07.2000 nur im Rahmen des darin enthaltenen Änderungsvorbehalts durch eine neue letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten widerrufen werden konnte. Dieses Recht zur Abänderung könne von den Beteiligten mit beliebigen Einschränkungen erteilt werden.

Nach Auffassung des Senats ist sowohl die Erbeinsetzung der beiden Töchter der Erblasser als auch ihrer Enkel zu Erben eine wechselbezügliche Verfügung i.S.d. §§ 2270, 2271 BGB.

Das gemeinschaftliche Testament behalte jedoch eindeutig dem Überlebenden das Recht vor, „das Testament „in allen Punkten [zu] ändern und letztwillig neu [zu] verfügen“. Die Bedenken des Nachlassgerichts, der Änderungsvorbehalt verletze § 2065 BGB, weil er die Verfügungsbefugnis des Überlebenden von der „Übereinstimmung“ der - zukünftigen - Testamentsvollstrecker abhängig mache, teilt der Senat nicht.

Das Recht zur Abänderung der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung könne von beliebigen Einschränkungen abhängig gemacht werden. Das lasse sich damit begründen, dass das Gesetz im Grundsatz von der Bindungswirkung der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen ausgehe. Der - vereinbarte - Änderungsvorbehalt stelle sich im Verhältnis dazu als eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung dar, die wegen der Testierfreiheit der Erblasser zu akzeptieren sei. Wenn aber die Testierenden dem Überlebenden schon die volle Freiheit einräumen könnten, die im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen zu beseitigen, dann könnten sie erst recht diese Freiheit auch wieder einschränken. Die Bindung der Änderungsbefugnisse an die Zustimmung eines Dritten erweise sich daher nicht als Fall des Verstoßes gegen das Gebot der Höchstpersönlichkeit bei der Abfassung von letztwilligen Verfügungen (§ 2065 Abs. 1 BGB), sondern als Einschränkung einer Rechtsposition, auf die der Betreffende von Gesetzes wegen ohnehin keinen Anspruch habe. Damit sei es den Testierenden grundsätzlich möglich gewesen, die Änderung von wechselbezüglichen Verfügungen von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen.

Die hier getroffene Regelung sei – so der Senat weiter - auch nicht deshalb bedenklich, weil die Testamentsvollstreckung nach der insoweit klaren Formulierung im Testament erst mit dem Tode des zuletzt Versterbenden eintreten sollte. Zwar könne das in dem Fall, in dem der Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung noch nicht benannt sei, problematisch werden, doch seien im vorliegenden Testament die Personen bereits benannt worden. Deshalb stünden sie dem überlebenden Ehegatten bereits zu dessen Lebzeiten als „Ansprechpartner“ zur Verfügung.

Der Änderungsvorbehalt sei daher wirksam.

Praxishinweis

Es handelt sich um eine originelle Entscheidung des OLG Bremen. Soweit ersichtlich ist eine solche Lösung in Rechtsprechung und Literatur noch von niemandem vertreten worden, auch nicht von Kanzleiter im Staudinger, BGB, 2014, § 2271 Rn. 56, den der Senat als Beleg seiner Auffassung heranzieht.

Allerdings ist im Grundsatz unbestritten, dass der Änderungsvorbehalt in einem gemeinschaftlichen Testament ebenso wie in einem Erbvertrag umfassend sein, aber auch von frei bestimmbaren Umständen abhängig gemacht werden kann (vgl. etwa OLG Koblenz DNotZ 1998, 218 [triftige Gründe]; OLG München BeckRS 2008, 20568 [Veranlassung gegeben]). Allerdings ist noch niemand so weit gegangen, den Testierenden auch zu erlauben, die Änderungsbefugnis mit einem Zustimmungsvorbehalt anderer Personen zu verknüpfen.

Dies hat einen guten Grund, nämlich das Gebot der Höchstpersönlichkeit gemäß § 2065 Abs. 1 BGB. Der Erblasser muss danach Geltung und Inhalt aller erbrechtlichen Verfügungen eigenverantwortlich festlegen, also seinen Willen vollständig und abschließend selbst bilden. Er darf daher keinem anderen die Entscheidung überlassen, ob und wann eine Verfügung gelten soll, wer Zuwendungsempfänger ist und welchen Gegenstand dieser erhalten soll. Zur Testierfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG gehört allerdings grundsätzlich auch das Recht zur Verlagerung der Entscheidung auf einen anderen (Frey, Flexibilisierung der Nachlaßgestaltung im Lichte von § 2065 BGB, 1999, 76 f. mit weiteren Nachweisen). Die Rechtfertigung der durch § 2065 BGB angeordneten Einschränkung dieser Freiheit ist dabei höchst umstritten. Die Begründungsversuche (ausführliche Darstellung bei Goebel DNotZ 2004, 101, 104 ff.) reichen vom Schutz des gesetzlichen Erbfolgerechts (Helms ZEV 2007, 1, 4 f.; Grossfeld JZ 1968, 113, 118) und/oder der Familie (Leipold AcP 180 [1980], 160, 195) über die Sicherung der Entscheidungshoheit des Erblassers (Lange/Kuchinke ErbR § 27 I 3) bzw. die persönliche Verantwortlichkeit des Vermögensinhabers (MüKoBGB/Leipold Rn. 1) bis hin zur Verhinderung von Erbschleicherei (Schäfer BWNotZ 1961, 188, 190). Bereits während der Gesetzesberatungen wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen (Mugdan Prot. 30), im Interesse der Rechtssicherheit zu vermeiden, dass mangels Erbenbestimmung die Durchsetzung von Rechten durch oder gegen den Nachlass wesentlich erschwert wird (Schlüter ErbR 95 f.; F.Wagner, Der Grundsatz der Selbstentscheidung bei Errichtung letztwilliger Verfügungen – eine gesetzgeberische Unentschlossenheit?, 1997, 59, 100; Frohnmayer, Geschiedenentestament, 2004, 52 ff.; Schäfer BWNotZ 1961, 188, 204; Lange ErbR § 27 Rn. 11; vgl. auch Lange/Kuchinke ErbR § 27 I 3; Staudinger/Otte, 2013, Rn. 4 [Macht ohne Verantwortung]). Zum Schutz der Erben und der Gläubiger muss danach der Erblasser eine Einschränkung seiner Testierfreiheit hinnehmen und akzeptieren, dass er sein Recht nicht auf andere verlagern darf.

Hieran muss sich auch der vom Senat des OLG Bremen beschrittene Weg messen lassen. Ein Zustimmungsvorbehalt, gleich welcher Ausgestaltung, erschwert die Erbenbestimmung in einer mit dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit nicht zu vereinbarenden Art und Weise. Dies fängt bereits bei der Ermittlung der Person an, von deren Zustimmung die Wirksamkeit der Abänderung, abhängig sein soll. Der Senat tut sich deshalb schon schwer mit der Formulierung, dass dies die Testamentsvollstrecker nach dem Schlusserbfall sein sollen, weil diese bis zum zweiten Erbfall doch noch gar nicht im Amt sind. Er behilft sich deshalb mit einer ergänzenden Auslegung dahin, dass die im Testament namentlich aufgeführten Personen „Ansprechpartner“ hierfür sein sollen. Doch dies ist nur der Anfang einer ganzen Reihe von Fragen, die sich bei Wirksamkeit eines derartigen Zustimmungsvorbehalts stellen würden:

  • Weil die Zustimmung sowohl in der Form der (vorherigen) Einwilligung als auch in der der (nachträglichen) Genehmigung rechtlich möglich ist, könnte der Dritte auch noch nach dem Tode des ändernden Erblassers darüber entscheiden, welche letztwillige Verfügung gelten soll und welche nicht.
  • Es müsste geklärt werden, ob eine derartige Zustimmung formfrei erklärt werden kann oder in analoger Anwendung der Vorschriften über den Erbverzicht der notariellen Beurkundung bedarf, weil auch ein Zuwendungsverzicht des Bedachten dieser Form bedarf (vgl. BGH NJW 1989, 2618).
  • Offen ist auch, wer Adressat der Einwilligung bzw. nachträglichen Genehmigung ist.
  • Ungelöst ist schließlich die Wirkung einer Untätigkeit des Dritten sowie die Rechtslage in der Interimszeit.

Diese Andeutungen zeigen auf, wohin die Zulassung solcher Zustimmungsvorbehalte im Rahmen von Änderungsvorbehalten in Testamente und Erbverträgen führen würde.

Die ratio legis des Höchstpersönlichkeitsgrundsatzes verbietet es daher, die Änderungsbefugnis von wechselbezüglichen oder vertragsmäßigen letztwilligen Verfügungen von der – wie auch immer ausgestalteten – Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt bezüglich der Erbeinsetzungen. Für Vermächtnisse gilt gemäß §§ 2151, 2152 BGB insoweit etwas anderes, da eine „erbenlose“ Zwischenzeit dabei nicht entstehen kann.

Das vom Senat in diesem Zusammenhang vorgetragene argumentum a maiore ad minus trägt die Entscheidung nicht. Es geht in dabei nämlich nicht um ein Mehr oder ein Weniger an Gebundenheit des überlebenden Beteiligten, sondern es geht um die schutzwürdigen Interessen der Erbprätendenten ebenso wie der Gläubiger. Inhaltliche Einschränkungen liegen deshalb auf einer anderen Ebene als Zustimmungsvorbehalte anderer Personen. Zustimmungsvorbehalte sind demgegenüber ein aliud. Letztlich überantworten sie nämlich Dritten die eigentliche Entscheidung darüber, ob die grundsätzlich änderbare letztwillige Verfügung im gemeinschaftlichen Testament bzw. Erbvertrag oder die ändernde Verfügung von Todes wegen gelten soll. Damit aber bringt ein solcher Änderungsvorbehalt die von § 2065 Abs. 1 BGB nicht gewollte Verlagerung der Verantwortung für die Geltung der Verfügung vom Erblasser auf einen Dritten mit sich.

Mit Nachdruck muss deshalb davor gewarnt werden, auf Grund dieser Entscheidung entsprechende Gestaltungen für Änderungsvorbehalte in gemeinschaftlichen Testamenten oder Erbverträgen vorzuschlagen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass andere Gerichte dem Senat des OLG Bremen in dieser Frage folgen werden. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit in der für die Gesellschaft so wichtigen Frage der Universalsukzession beim Tod eines Menschen wäre einfach zu groß.

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2018.