BGH: Haftung für die Betreuervergütung bei einem Behindertentestament

BGB §§ 133, 2084, 2100, 2211, 2214, 2216

Ob die durch ein Behindertentestament für den Betroffenen angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung zur Mittellosigkeit des Betroffenen führt, ist durch Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss, BeckRS 2013, 06899).

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 299/15, , BeckRS 2017, 103144

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 03/2017 vom 27.3.2017

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Sachverhalt

Die Staatskasse wendet sich mit ihrer Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung einer Betreuervergütung zu ihren Lasten.

Die Betreuerin wurde für die an Schizophrenie leidende und seit vielen Jahren unter Betreuung stehende Betroffene als Vereinsbetreuerin bestellt. Die Betroffene ist gemeinsam mit ihren drei Schwestern Erbin nach ihrer Mutter. Diese hatte in ihrem Testament angeordnet, dass die Betroffene hinsichtlich ihres Erbteils Vorerbin und die Schwestern insoweit Nacherbinnen sein sollen. Ferner hatte die Mutter im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Betroffenen Testamentsvollstreckung auf deren Lebenszeit angeordnet und den Testamentsvollstrecker angewiesen, der Betroffenen aus dem Erbteil die Mittel für ein möglichst würdevolles und angemessenes Leben zur Verfügung zu stellen. Im Einzelnen hat sie

Taschengeld in angemessener Höhe, Zuwendungen für Kleidung und persönliche Anschaffungen, Mittel zur Ausübung eines Hobbys, ggf. Freizeiten- und Urlaubsaufenthalte, Aufwendungen für ärztliche Behandlungen, die von der Krankenkasse nicht vollständig gezahlt werden, wie z.B. Brille oder Zahnersatz u.ä.“

als aus dem Erbteil zu finanzieren benannt.

Am 07.11.2013 betrug das im Wesentlichen aus diesem Erbteil bestehende Vermögen der Betroffenen rund 49.000 EUR.

Das Amtsgericht hat in getrennten Beschlüssen für die Zeit vom 26.10.2013 bis zum 25.01.2014 und für die Zeit vom 26.01.2014 bis zum 25.04.2014 die Vergütung der Betreuerin auf jeweils 330 EUR festgesetzt und angeordnet, dass diese Vergütung aus dem Vermögen der Betroffenen zu zahlen ist. Auf die von der Betreuerin eingelegte Beschwerde hat das Landgericht die angefochtenen Beschlüsse insoweit aufgehoben, „als dort angeordnet wurde, dass die Vergütung aus dem Vermögen der Betroffenen zu zahlen ist.“

Der landgerichtliche Beschluss vom 25.06.2014 wurde der Staatskasse am 01.06.2015 formlos übersandt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatskasse mit ihrer zugelassenen und am 06.07.2015 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Rechtsbeschwerde.

Rechtliche Wertung

Die Beschwerde hat nur deshalb Erfolg, weil das Landgericht die Höhe der Vergütung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG falsch berechnet hat. In der Sache selbst folgt der Senat dem Landgericht in seiner Auffassung, dass die Vergütung nicht aus dem Nachlass zu zahlen ist.

Der Senat beruft sich dabei zunächst auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH zum sog. Behindertentestament, wonach Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus (BGH, a.a.O., m.w.Nw.).

Die angeordnete Testamentsvollstreckung schränke die Verfügungsbefugnis des Betroffenen gemäß § 2211 BGB ein, so dass sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehörten, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten könnten. Allerdings habe der Betroffene als Erbe einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen i.S.d. § 2216 Abs. 2 BGB umsetze.

Der Senat widerspricht der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Betreuung eine über staatliche Sozialleistungen hinausgehende Vergünstigung und daher nach dem Willen der Erblasserin aus dem Erbe zu finanzieren sei. Das Landgericht hat nach Meinung des Senats zutreffend und unter Beachtung des Wortlauts und des inhaltlichen Zusammenhangs des Testaments so ausgelegt, dass der Betroffenen persönliche Vergünstigungen über die staatliche Grundsicherung hinaus zukommen sollen. Dass das Landgericht die Betreuung insoweit als der staatlichen Grundsicherung ähnlicher einstuft als darüber hinausgehende Vergünstigungen und sie darum nicht als einen von der Bestimmung der Erblasserin erfassten Zweck ansehe, bewege sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Für die Auffassung des Landgerichts spreche im Übrigen, dass die Einrichtung der Betreuung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine staatliche Pflicht im Rahmen des Erwachsenenschutzes sei. Diese Pflicht bestehe gegenüber jedermann unabhängig von dessen Vermögensverhältnissen und stelle somit keine besondere Vergünstigung für die Betroffene, sondern - wie das Landgericht richtig gesehen habe - eher deren Grundversorgung dar. Das Landgericht habe insoweit alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sein Ergebnis nachvollziehbar begründet.

Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung zum Behindertentestament konsequent fort. Die Entscheidung sollte dabei zum Anlass genommen werden, die Verwaltungsanordnungen für die Testamentsvollstreckung, um folgenden Satz zu ergänzen:

„Eine etwaige Betreuervergütung darf nicht aus dem verwalteten Vermögen bezahlt werden.“

Damit erspart der Erblasser dem Testamentsvollstrecker nämlich Rechtsstreitigkeiten dieser Art.

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2017.