BAG: Unzulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage mit Vergangenheitsbezug

ZPO § 256 I

Das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist für eine Elementenfeststellungsklage nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Begehrt der Kläger die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses, ist die Klage nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. (Orientierungssatz der Richterinnen und Richter des BAG)

BAG, Urteil vom 03.12.2019 - 9 AZR 54/19 (LAG Schleswig-Holstein), BeckRS 2019, 40413

Anmerkung von
RA Dr. Stefan Lingemann, Gleiss Lutz, Berlin

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 17/2020 vom 30.04.2020

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Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1980 als Elektromechaniker beschäftigt. Seit Jahren gestattet die Beklagte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern, ihren Jahresurlaub ohne Vorliegen eines Übertragungsgrundes bis zum 30. September des Folgejahres zu nehmen. Krankheitsbedingt konnte er den für die Zeit vom 31. August bis einschließlich 29.9.2017 von der Beklagten bereits genehmigten Resturlaub aus dem Jahr 2016 nicht antreten.

Vor Ablauf des Jahres 2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, ihm stünden noch 22 Arbeitstage Resturlaub aus dem Jahr 2016 zu. Die Beklagte erwiderte, sein Urlaub sei mit Ablauf des 30.9.2017 verfallen.

Der Kläger beantragte für die Zeit vom 26. Februar bis zum 27.3.2018 Urlaub mit der Maßgabe, zunächst eventuell noch vorhandenen Resturlaub aus dem Jahr 2016 aufzubrauchen. Die Beklagte gewährte dem Kläger Urlaub für den beantragten Zeitraum.

Daraufhin leitete der Kläger ein Urteilsverfahren ein, in dem er zuletzt beantragte festzustellen, dass es sich bei dem von der Beklagten gewährten Urlaub im ersten Quartal des Jahres 2018 um 22 Resturlaubstage aus dem Jahr 2016 handelte. Das ArbG hat der Klage teilweise stattgegeben. Das LAG hat sie insgesamt abgewiesen.

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Es handele sich um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage mit Vergangenheitsbezug. Ihr fehle das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 I  ZPO.

Dieses liege nur vor, wenn die Entscheidung über den Feststellungsantrag imstande sei, für Rechtsfrieden zwischen den Parteien zu sorgen. Erforderlich sei, dass der Streit durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden könne.

Insbesondere bei einer Elementenfeststellungsklage mit Vergangenheitsbezug müsse die begehrte Feststellung mit Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft verbunden sein. Anderenfalls verlange der Kläger ein Rechtsgutachten für einen in der Vergangenheit liegenden und bereits abgeschlossenen Sachverhalt, was nicht dem Aufgabenbereich der Gerichte zuzuordnen sei.

Hieran fehlt es vorliegend nach dem BAG. Denn der von dem Kläger verfolgte Feststellungsantrag sei auf die Entscheidung über eine vorgreifliche Rechtsfrage mit Vergangenheitsbezug gerichtet, deren alleinige Klärung weder zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien noch zu Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft führe.

Mit einer der Klage stattgebenden Entscheidung sei lediglich geklärt, ob und in welchem Umfang es sich bei dem von der Beklagten vom 26. Februar bis zum 27.3.2018 gewährten Urlaub um einen solchen aus dem Jahr 2016 handele. Die Folgen dieser Feststellung für die gegenwärtigen Urlaubsansprüche des Klägers blieben hingegen offen. Denn sie hingen nicht nur von der begehrten Feststellung ab, sondern insbesondere auch vom Bestand und Umfang der Urlaubsansprüche aus den Folgejahren. Die Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Jahr 2017 sowie diejenigen aus dem Jahr 2018 könnten jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen bereits erloschen sein. Zu diesen Fragen gebe es weder Feststellungen des LAG noch Sachvortrag des Klägers.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine die Parteien interessierende Rechtsfrage zu einem in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt gutachterlich zu klären.

Die Entscheidung fügt sich in die bestehende Rechtsprechung des BAG (BeckRS 2019, 20113; BeckRS 2016, 67135) ein.

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2020.