BAG: Befristung durch Prozessvergleich

TzBfG §§ 14 I 2 Nrn. 3, 8, II 1, 17; ZPO §§ 160 III Nr. 1, 162, 256 I, 278 VI 1, 561; BGB §§ 134, 138, 242; EGB-UNICE-CEEP § 5 Nr. 1

1. Eine Mitwirkung des Gerichts an einem Vergleich gem. § 278 VI 1 Alt. 1 ZPO ist nicht erfüllt und genügt damit nicht den Anforderungen des § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG, wenn sich der Beitrag des Gerichts lediglich auf die Feststellung des Zustandekommens und den Inhalt des Vergleichs beschränkt.

2. Eine Unterbrechung von zwei Jahren schließt aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse und damit einen Rechtsmissbrauch aus. Die Beschäftigung dient dann nicht mehr der Deckung eines ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarfs.

BAG, Urteil vom 21.03.2017 - 7 AZR 369/15 (LAG Sachsen-Anhalt), BeckRS 2017, 109938

Anmerkung von 
Rechtsanwältin Dr. Doris-Maria Schuster, Gleiss Lutz, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 23/2017 vom 15.6.2017

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Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2012 aufgrund Befristung. Die Klägerin war über 12 Jahre wiederholt mit Unterbrechungen aufgrund befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten beschäftigt. Gegen die letzte Befristung vom 19.4. bis 26.5.2012 erhob die Klägerin Befristungskontrollklage. Die Parteien einigten sich auf einen Vergleich, wonach die Klägerin befristet vom 1.7. bis zum 31.12.2012 weiterbeschäftigt werden sollte. Die Klägerin unterbreitete diesen Vorschlag dem Gericht. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz damit einverstanden. Das ArbG stellte daraufhin mit Beschluss vom 21.6.2012 das Zustandekommen des Vergleiches fest. Im Dezember erhob die Klägerin erneut Klage beim ArbG, in der sie geltend machte, dass kein Sachgrund für die Befristung bestehe, da sie nicht auf einem gerichtlichen Vergleich i.S.v. § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG beruhe, sondern diese nach § 278 VI 1 Alt. 1 ZPO zustande gekommen sei. Die Beklagte bestritt dies und meinte, dass es der Klägerin nach Treu und Glauben versagt sei zu klagen. Jedenfalls liege ein Sachgrund nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG vor.

Das ArbG gab der Klage statt, das LAG wies sie ab. Mit der Revision wird die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidung

Die Revision hat Erfolg. Nach § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG kann eine wirksame Befristung durch gerichtlichen Vergleich zustande kommen. Die Voraussetzung des gerichtlichen Vergleichs wird nur durch einen Vergleich nach § 287 VI 1 Alt. 2 ZPO erfüllt. Bei einem Vergleich nach § 287 VI 1 Alt. 1 ZPO fehlt es i.d.R. an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts, da die Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Der gerichtliche Beitrag beschränkt sich dann regelmäßig nur auf eine Feststellungsfunktion. Dass dies nicht genügt, ergibt sich daraus, dass das Gericht die Obliegenheit hat, beim Hinwirken auf einen Vergleich die Schutzinteressen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Zudem sei die Auslegung aufgrund des unionsrechtlichen Ziels, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern, zu gewährleisten. Bei § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG geschieht das durch die Mitwirkung des Gerichts am Vergleichsschluss. Damit lag keine wirksame Befristung nach § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG vor.

Hinsichtlich der Geltendmachung des Bestehens eines Sachgrundes durch die Beklagte entschied das BAG, dass die Gerichte nicht nur das tatsächliche Vorliegen eines Sachgrundes überprüfen müssen, sondern auch, ob nach Berücksichtigung aller Umstände, der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge  zurückgreift, um einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf zu decken. Ob ein Missbrauch vorliegt, bemisst sich nach der Gesamtdauer der befristeten Verträge und der Anzahl der Vertragsverlängerungen. Besteht nach diesen Kriterien die Möglichkeit eines Missbrauchs, ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder tatsächlich die Möglichkeit besteht, ihn unbefristet zu beschäftigen. Ein Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Grenzen des § 14 II 1 TzBfG um mindestens das Vierfache eines der dort genannten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Dagegen schließt eine Unterbrechung von zwei Jahren das Vorliegen aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse und damit einen Missbrauch aus. Bei einer Unterbrechung von dieser Dauer ist davon auszugehen, dass kein dauerhafter Arbeitskräftebedarf durch die befristeten Arbeitsverhältnisse gedeckt werden musste. 

Praxishinweis

Das BAG entscheidet hier grundlegend über die Voraussetzung einer wirksamen Sachgrund-Befristung durch gerichtlichen Vergleich. Wasserdicht ist eine solche Befristung nur, wenn sie auf einem Vergleich nach § 278 VI 1 Alt. 2 ZPO, d.h. auf einem Vergleichsvorschlag des Gerichts, den die Parteien annehmen, beruht.

Redaktion beck-aktuell, 21. Juni 2017.