BAG: Bestimmtheit einer Änderungskündigung

BGB §§ 145, 623, 611 I; KSchG §§ 1 I, 23 I

Ein mit einer Änderungskündigung übermitteltes Vertragsangebot muss so konkret gefasst sein, dass der Arbeitnehmer es ohne Weiteres annehmen kann.

BAG, Urteil vom 26.01.2017 - 2 AZR 68/16 (LAG Nürnberg), BeckRS 2017, 103511

Anmerkung von 
Rechtsanwältin Dr. Elena Wilke, Gleiss Lutz, Düsseldorf

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 17/2017 vom 04.05.2017

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Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten als Elektrotechniker tätig. Das vertraglich vereinbarte Aufgabengebiet umschloss auch die Softwareerstellung. Bei einem Verkehrsunfall erlitt der Kläger schwere Kopfverletzungen. Die Beklagte führte einen Arbeitstest durch und ging aufgrund des Ergebnisses dieses Tests davon aus, der Kläger könne keine komplexen Programmiertätigkeiten auf dem Gebiet Sicherheits-SPS mehr durchführen. Daher erklärte sie eine Änderungskündigung, wonach der Kläger „als Elektrotechniker“ tätig werden solle. Das Aufgabengebiet umschließe „alle Arbeiten im Lager“, die näher aufgeführt waren. Der Kläger erkläre sich außerdem im Rahmen seiner Tätigkeit mit „Einsätzen auf Baustellen“ einverstanden. Für seine Tätigkeit sollte der Kläger (anstatt wie zuvor 2.709 EUR brutto monatlich) einen Stundenlohn von 8,50 brutto EUR erhalten.

Der Kläger nahm das Angebot unter Vorbehalt an. Das ArbG und das LAG wiesen seine Klage ab; hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidung

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und stellte fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Zu Unrecht habe das LAG angenommen, der Kläger sei dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen – nach den Feststellungen des LAG könne der Kläger lediglich einen Teilbereich des vereinbarten Leistungsspektrums nicht mehr abdecken.

Es habe außerdem nicht geprüft, ob das mit der Kündigung verbundene Vertragsangebot so konkret gefasst sei, dass der Kläger es ohne Weiteres habe annehmen können, und aufgrund welcher Umstände die Absenkung der Vergütung gerechtfertigt sein sollte. Tatsächlich habe der Kläger nicht ausreichend erkennen können, welche Arbeitsleistung er fortan schulden solle. Hinsichtlich der vorbehaltenen „Einsätze auf Baustellen“ sei das Änderungsangebot nicht bestimmt genug gefasst – ob der Kläger hier auch die aufgeführten Hilfstätigkeiten im Lager oder ggf. Tätigkeiten eines Elektrotechnikers ausüben sollte, werde nicht klar. Angesichts dessen, dass im Betrieb der Beklagten kein kollektives Entgeltschema gelte, habe der Kläger auch aus dem angebotenen Stundenlohn nicht auf eine bestimmte Tätigkeit schließen können. Entscheidungserheblicher weiterer Vortrag der Beklagten stehe nicht zu erwarten, da die Beklagte auch bisher nicht behauptet habe, dem Kläger vor Übergabe der Kündigung erläutert zu haben, welche Arbeitsaufgaben ihm genau zugewiesen werden sollten.

Praxishinweis

Das BAG setzt mit dieser Entscheidung seinen Kurs fort, an die mit Änderungskündigungen verbundenen Vertragsangebote hohe Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit dieser Angebote zu stellen. Arbeitgeber, die eine Änderungskündigung aussprechen wollen, werden in Zukunft sehr viel genauere Angaben zum Tätigkeitsbereich machen müssen als dies bei Neueinstellungen nötig ist. Hätte man den Kläger neu eingestellt, hätte die Bezeichnung als „Elektrotechniker“, „Lagerist“ oder „Bauarbeiter“ angesichts des im Übrigen bestehenden Direktionsrechts des Arbeitgebers ohne Zweifel ausgereicht, um den Vertragsgegenstand als Teil der essentialia negotii hinreichend zu beschreiben – mit derartigem Inhalt sind jahrzehntelang Arbeitsverträge geschlossen worden, ohne dass jemand ihr Zustandekommen in Frage gestellt hätte. Bei Ausspruch einer Änderungskündigung sollen aber offenbar andere Regeln gelten. Das leuchtet – jedenfalls mit der vom BAG gegebenen notdürftigen Begründung – nicht ein, sondern könnte allenfalls vor dem Hintergrund des Kündigungsrechts zutreffen.

Auch im Übrigen hatte der Zweite Senat des BAG keine Sternstunde, als es die besprochene Entscheidung verfasste. Er schließt daraus, dass eine Partei bisher keinen Vortrag zu in den Vorinstanzen nicht entscheidungserheblichen Tatsachen gemacht hat, darauf, diese Partei werde auch in Zukunft hierzu trotz der nun gegebenen Entscheidungserheblichkeit nicht vortragen. Dass dies mit dem Recht der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör vereinbar ist, darf bezweifelt werden.

Redaktion beck-aktuell, 10. Mai 2017.