Gebührenrecht
Keine Terminsgebühr bei Telefonat mit dem Richter
Wenn ein Rechtsanwalt für eine außergerichtliche Verhandlung über ein Ende des Verfahrens eine Terminsgebühr möchte, muss er auch mit der Gegenseite sprechen. Ein einseitiges Telefonat mit dem Gericht kann nach Ansicht des OLG Bamberg (18.1.2024 - 2 WF 177/23, BeckRS 2024, 1842) keine Terminsgebühr auslösen.
Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens war die Festsetzung einer Terminsgebühr in Höhe von 736,80 EUR netto in einem Kostenfestsetzungsbeschluss für ein Telefonat mit dem Richter. In der Sache hatten Schwiegereltern ihre Schwiegertochter auf Rückzahlung eines Darlehensbetrags verklagt. Diese zahlte nach Zustellung des Antrags. Daraufhin rief der Anwalt des Paars bei Gericht an, um die Frage zu klären, wie dieses - sowie ein weiteres - Verfahren ohne anfallende Verfahrenskosten für seine Mandanten beendet werden könnten. Die Schwiegertochter wurde nicht beteiligt. Unter Bezugnahme auf das Gespräch erklärte der Bevollmächtigte am nächsten Tag das Verfahren für erledigt. Dem widersprach die Frau nicht und das Familiengericht erlegte ihr die Kosten auf.
Nachdem die Rechtspfegerin zunächst die Festsetzung einer Terminsgebühr abgelehnt hatte, änderte sie nach einer Be- schwerde der Schwiegereltern und einer dienstlichen Erklärung des Richters ihre Einschätzung. Die sofortige Beschwerde der Schwiegertochter hatte Erfolg.
Das OLG Bamberg hob den Abhilfebeschluss des AG auf und stellte klar: Eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG iVm Vorb. 3 Abs. 3 VV-RVG sei hier nicht angefallen. Ein Telefongespräch zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten der Partei und dem zuständigen Richter könne ohne Einbeziehung der Gegenseite keine Terminsgebühr auslösen. Die zusätzliche Einschaltung des Gerichts bei Gesprächen der Parteien über eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens sei unschädlich. Es könne aber nicht eine Seite ersetzen, da nur die Beteiligten selbst über den Verfahrensgegenstand bestimmen dürften.
Die Rechtsbeschwerde wurde vom Bamberger Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Schulrecht
Ersatzhaft für zwei Mütter wegen Verweigerung der Schulanmeldung
Zwei Mütter müssen jeweils für drei Tage in Ersatzhaft, weil sie ihre Söhne nicht zur Schule angemeldet haben. Im Interesse der Kinder müssten das Erziehungsrecht der Mütter und ihr Recht auf persönliche Freiheit hintanstehen, so das VG Schleswig. Die Festsetzung eines Zwangsgelds hatte zuvor keine Wirkung gezeigt.
Die Mütter hätten die Zwangsgelder in Höhe von je 800 Euro nicht gezahlt, erläuterte das Gericht. Vollstreckungsversuche seien erfolglos geblieben. Damit seien die Zwangsgelder uneinbringlich und die Voraussetzungen der Ersatzzwangshaft lägen vor, so das VG (Beschlüsse v. 26.1.2024 - 9 E 3/23 und 9 E 4/23). Andere Zwangsmittel wie die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Ersatzvornahme seien untauglich beziehungsweise schieden aus, weil die Schulanmeldung ein Teil der (höchstpersönlichen) elterlichen Sorge sei und daher einen un- vertretbaren Charakter habe.
Das VG hält die Ersatzzwangshaft auch für verhältnismäßig. Sie sei das letzte Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgerinnen und Bürgern durchzusetzen. Mit Blick auf die weitere Entwicklung der Kinder und die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu erlangen, sei eine kurzzeitige Freiheitsentziehung der Mütter angemessen, um den staatlichen Erziehungsauftrag durchzusetzen. Den Müttern stehe es immerhin noch offen, der Haft durch rechtstreues Ver- halten zu entgehen.
Das OVG Schleswig (19.2.2024 – 3 O 6/24, BeckRS 2024, 2513) hat jedoch in der Sache 9 E 4/23 die von der Mutter an- gefochtene Entscheidung aufgehoben, da der Antrag des Schulamts nicht in elektronischer Form (§ 55d S. 1 VwGO) gestellt worden war und im Übrigen Bedenken hinsichtlich der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes, die allein mit dem Vorhandensein eines Pfändungsschutzkontos begründet worden war, angemeldet.
Nachrichten
Mehr pädagogische Betreuungskräfte in Kita-Einrichtungen
Die Zahl der pädagogisch tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen ist in den vergangenen zehn Jahren um 51 % gestiegen. Rund 702.200 Betreuungskräfte arbeiteten zum 1.3.2023 in Kindertageseinrichtungen, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 24.1.2024 mitgeteilt hat. Im Jahr 2013, als der Rechtsanspruch auf Betreuung für ein- bis dreijährige Kinder in Kraft trat, waren noch 465.000 Personen pädagogisch tätig. Die Zahl der betreuten Kinder in Tageseinrichtungen ist im selben Zeitraum um 22 % gestiegen – von 3,21 Millionen im Jahr 2013 auf 3,93 Millionen in 2023. Der Anstieg ist vor allem auf den Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger zurückzuführen: 721.600 Kinder unter drei Jahren wurden zuletzt in Tageseinrichtungen betreut, das waren 43 % mehr als zehn Jahre zuvor (503.900).
Obwohl die Zahl der pädagogischen Betreuungskräfte binnen zehn Jahren stärker gestiegen ist als die Zahl der betreuten Kinder, gilt die Personalsituation in vielen Kitas als angespannt. Das liegt unter anderem am stärkeren Anstieg der Zahl unter Dreijähriger in Betreuung, die eine intensivere Betreuung brauchen als ältere Kinder. So kamen 2022 in Gruppen mit Kindern unter drei Jahren auf eine Betreuungskraft im Schnitt 4,0 Kinder, in Gruppen ab drei Jahren bis zum Schuleintritt waren es fast doppelt so viele Kinder pro Betreuungskraft (7,8).
Ein weiterer Grund für die personelle Notlage vieler Kitas dürfte darin liegen, dass der Anteil der Kita-Betreuungskräfte in Vollzeit vergleichsweise gering ist: 66 % des pädagogischen Kita-Personals im Jahr 2023 arbeiteten weniger als 38,5 Stunden pro Woche (2013: 65 %).
In der Tagespfege waren 2023 rund 41.200 Tagesmütter und Tagesväter tätig, 6 % weniger als im Jahr 2013. Dagegen nahm die Zahl der betreuten Kinder in der öffentlich geförderten Tagespfege im selben Zeitraum um 19 % auf 166.700 zu. Darunter waren 135.500 Kinder unter drei Jahren (+43 % gegenüber 2013).
Eckpunkte Verantwortungsgemeinschaft
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat am 5.2.2024 Eckpunkte für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft vorgelegt. Die Verantwortungsgemeinschaft soll in einem neuen Gesetz - dem Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft - geregelt werden.
Eine Verantwortungsgemeinschaft soll aus maximal sechs volljährigen Vertragspartnern, zwischen denen ein persönliches Näheverhältnis existieren soll, bestehen können. Voraussetzung ist ein notariell zu beurkundender Vertrag. Eine Verantwortungsgemeinschaft soll keine Auswirkungen auf das Verhältnis von Eltern zu Kindern haben. Sie soll auch keine steuer-, erb- oder aufenthaltsrechtlichen Folgen haben.
Für die Rechtsfolgen ist ein Stufenmodell geplant. In der Grund- stufe soll die Verantwortungsgemeinschaft nur einige wenige Rechtsfolgen haben. Wenn die Parteien mehr Verantwortung füreinander übernehmen wollen, dann können sie – in der Aufbaustufe – zwischen verschiedenen Modulen (Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten; Zusammenleben; Pfege und Fürsorge; Zugewinngemeinschaft) auswählen und diese frei miteinander kombinieren. Im Herbst will das BMJ einen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen.
Erstmals Gewaltschutz für Frauen in der EU
Der Rat der Europäischen Union (EU) unter belgischer Ratspräsidentschaft und das Europäische Parlament unter Beteiligung der EU-Kommission haben sich am 7.2.2024 auf eine EU- Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geeinigt. Zum ersten Mal wird es EU-weite Regelungen für die Kriminalisierung bestimmter Formen von geschlechtsspezifscher Gewalt sowie einen besseren Zugang zu Justiz, Schutz und Prävention geben.
Die Richtlinie sieht u.a. einen verbesserter Zugang zu Justiz, zB durch vereinfachte und leichter zugängliche Strafanträge, die erstmalige Regelung von gegen Frauen gerichtete Online-Gewalt, darunter Delikte wie „Cyber-Stalking“, Verbreitung von intimen oder manipulierten Bildern, Mobbing im Netz, Versen- den von sog. „Dick Pics“ oder Aufstacheln zu frauenbezogenem Hass und Gewalt, einen verbesserter Schutz für Kinder, die Gewalthandlungen beobachten, EU-weite Standards zur Ahndung von weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsheirat sowie einheitliche Standards zur Unterstützung und Betreuung der Opfer, zum Beispiel Bereitstellung von Hilfsdiensten, vor.
Auch wenn der Tatbestand der Vergewaltigung aufgrund unterschiedlicher Aufassungen zur EU-Rechtsetzungskompetenz keinen Eingang in die Richtlinie gefunden hat, müssen die EU-Mitgliedsstaaten zukünftig geeignete Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt treffen. Damit soll insbesondere das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sexuelle Handlungen ein Einvernehmen voraussetzen und dass sexuelle Handlungen ohne Einvernehmlichkeit strafbar sind. Damit wird ein Teil der Istanbul-Konvention aufgegriffen, wonach sexuelle Handlungen ohne freiwillige Zustimmung nicht erzwungen werden dürfen.
Das Europäische Parlament und der Rat müssen die Vereinbarung noch formell verabschieden. Nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, die Bestimmungen der neuen Richtlinie umzusetzen.
Ergänzend zur EU-Regelung haben sich das federführende Bundesjustizministerium und das Bundesfrauenministerium auf Initiative von Bundesfrauenministerin Lisa Paus auf eine Evaluation des 2016 neu gefassten nationalen Sexualstrafrechts geeinigt, in dem die „Nein heißt Nein“-Lösung verankert ist. Mit der Evaluation soll überprüft werden, ob die aktuell in Deutschland geltende Regelung den Vorgaben der Istanbul-Konvention vollständig entspricht. Die Evaluation soll noch in dieser Legislaturperiode starten.
Heirats- und Scheidungsalter gestiegen
Wer in Deutschland heute zum ersten Mal heiratet, ist deutlich älter als noch vor 20 Jahren. Im Jahr 2022 waren Frauen bei ihrer ersten Heirat im Schnitt 32,6 Jahre alt, Männer 35,1 Jahre – in beiden Fällen ein neuer Höchststand. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Welttag der Ehe am 11. Februar 2024 mit. Binnen 20 Jahren ist das Durchschnittsalter bei der ersten Heirat bei Frauen damit um 3,8 Jahre und bei Männern um 3,3 Jahre gestiegen. Der durchschnittliche Altersunterschied zwischen den Geschlechtern ist somit seit 2002 von 3,0 Jahren auf 2,5 Jahre leicht geschrumpft. Nach der Einführung der Ehe für alle im Oktober 2017 gehen seit dem Berichtsjahr 2018 auch gleichgeschlechtliche Eheschließungen in die Statistik ein.
Von den gut 609.800 Menschen, die im Jahr 2022 zum ersten Mal heirateten, waren 221.400 oder 36 % jünger als 30 Jahre. Im Jahr 2002 waren es noch mehr als die Hälfte (52 %). Vor allem die Zahl und der Anteil derjenigen, die im mittleren und auch noch im höheren Alter zum ersten Mal heiraten, haben deutlich zugenommen: 2022 waren 62.500 oder gut 10 % bei der ersten Eheschließung 40 bis 49 Jahre alt, im Jahr 2002 waren gut 32.600 oder knapp 6 % in diesem Alter. In der Altersgruppe 50+ ist die Zahl auf 41.500 und der Anteil auf knapp 7 % im Jahr 2022 gestiegen. Im Jahr 2002 waren 7.500 oder gut 1 % bei ihrer ersten Heirat 50 Jahre oder älter. Die Ursachen dieser Veränderungen sind zum einen der Anstieg des Alters bei den Erst-Ehen und zum anderen der veränderte Altersaufbau der Bevölkerung im Allgemeinen. So ist auch der Anteil der Altersgruppe 50+ an der Gesamtbevölkerung binnen 20 Jahren gewachsen: von gut 36 % zum Jahresende 2002 auf knapp 45 % Ende 2022.
Insgesamt schlossen 781.500 Menschen im Jahr 2022 eine Ehe. 78 % der Eheschließenden heirateten zum ersten Mal, gut 20 % waren zuvor geschieden und gut 1 % verwitwet. Gut 97 % der Ehen schlossen Paare unterschiedlichen und knapp 3 % Paare gleichen Geschlechts.
Zum Ende des Jahres 2022 waren rund 34,6 Millionen Menschen in Deutschland verheiratet oder lebten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das entspricht einem Anteil von gut 49 % der 70,1 Millionen volljährigen Menschen hierzulande. Am höchsten war der Anteil der Verheirateten an der jeweiligen Bevölkerung bei den 65- bis 69-Jährigen: Knapp 3,5 Millionen der 5,1 Millionen Menschen in diesem Alter und somit gut zwei Drittel (68 %) waren zum Jahresende 2022 verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft.
Auch das Durchschnittsalter bei Scheidungen ist gestiegen und hat mit 44,7 Jahren bei Frauen und 47,8 Jahren bei Männern 2022 einen neuen Höchststand erreicht. Binnen 20 Jahren ist es um 5,8 Jahre bei Frauen (2002: 38,9 Jahre) und um 6,2 Jahre bei Männern (2002: 41,6 Jahre) gestiegen. Zugleich stieg die Durchschnittsdauer einer Ehe bis zur Scheidung 2022 auf 15,1 Jahre, 2002 waren Ehepaare bis zur Scheidung im Schnitt noch 12,9 Jahre verheiratet. 2022 wurden rund 137.400 Ehen geschieden, mit Ausnahme des Jahres 2019 ist die Zahl der Scheidungen seit 2012 kontinuierlich gesunken.