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Die aktuelle Ausgabe | April 2024

Einen Gang hochschalten

Liebe Leserinnen und Leser,

die Digitalisierung der Justiz ist längst zum geflügelten Wort geworden. Kaum eine rechtspolitische Rede kommt ohne die Vokabel der Stunde aus. Doch hält die Realität mit der hochtourigen Rhetorik Schritt? Der Richterbund hat sich in Gerichten und Staatsanwaltschaften umgehört, wie es vor Ort um die Digitalisierung steht. 1286 Kolleginnen und Kollegen haben sich an der Umfrage beteiligt – die DRiZ stellt erste Ergebnisse vor.

Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Antworten: Der Umstieg auf den elektronischen Rechtsverkehr und die E-Akte wird voll befürwortet, niemand will zurück zur Papierakte. Die konkrete Umsetzung in den Gerichten und Behörden bewerten viele Praktiker aber als unbefriedigend – die Digitalisierung läuft noch zu schleppend. Es fehlen IT-Fachleute und die stark geforderten Geschäftsstellen sind vielfach zu dünn besetzt. Auch veraltete, fehleranfällige oder umständliche Softwarelösungen sowie chronisch überlastete Datennetze bremsen die Arbeit mitunter aus. Medienbrüche und schier endlose Scan-Schleifen kommen erschwerend hinzu. Derweil sind brauchbare KI-Werkzeuge, um Prozessstoff zum Beispiel in Massenverfahren schneller durchdringen zu können, für den Regelbetrieb in der Fläche noch nicht in Sicht.

Die Justiz setzt darauf, dass Bund und Länder das Digitalisierungstempo deutlich erhöhen. Nur dann wird der Umstieg auf die E-Akte und eine medienbruchfreie digitale Kommunikation der Justiz mit Behörden, Verbrauchern und Unternehmen – wie politisch geplant – bis Anfang 2026 überall gelingen können. Es bräuchte Investitionen in Milliardenhöhe für Hardware und Software der neuesten Generation, für besser besetzte Geschäftsstellen und IT-Support, für den Netzausbau und smarte KI-Assistenz, wie es der E-Justice-Rat von Bund und Ländern vorgerechnet hat. Allein der Bund müsste eine Milliarde Euro beisteuern, so der Rat. Die Pläne der Ampel sind davon meilenweit entfernt. Im März hat der Bundestag eine weitere Tranche von 17,5 Millionen Euro für die Bund-Länder-Digitalinitiative freigegeben, bis 2027 sollen projektbezogen in Häppchen insgesamt 200 Millionen Euro fließen.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Sven Rebehn,
Chefredakteur

 

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