Selbstständige Buchhalter nicht zur Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen berechtigt
BFH-Urteil vom 7.6.2017, II R 22/15
Die in § 6 Nr. 4 StBerG genannten Personen sind auch dann nicht zur Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen berechtigt, wenn diese aufgrund des verwendeten Buchführungsprogramms automatisch erfolgt.
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Problemstellung Eine selbstständige Buchhalterin (Bürokauffrau mit der Qualifizierung zur Diplom-Kauffrau (FH) und zur Steuerfachangestellten) erbringt Leistungen nach § 6 Nrn. 3 und 4 StBerG. Ihre Tätigkeit umfasst u.a. die laufende Finanzbuchhaltung mit digitaler Archivierung und die laufende Lohnbuchhaltung. Zur Bearbeitung setzt sie das Buchführungsprogramm D ein. Für ihren Auftraggeber A verbuchte sie alle Belege im Zusammenhang mit dessen gewerblichem Unternehmen. Die von ihr über D erstellten monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen übermittelte sie spätestens seit April 2013 auf elektronischem Weg an das seinerzeit zuständige Finanzamt. Begründung der selbstständigen Buchhalterin: Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe das Programm automatisch erstellt. Zur Eingabe der Buchungsdaten in das von ihr genutzte Programm D sei sie berechtigt gewesen. Das Finanzamt wies die selbstständige Buchhalterin als Bevollmächtigte des A zurück (unter Verweis auf § 80 Abs. 5 AO in der seinerzeit geltenden Fassung; heute sinngemäß: § 80 Abs. 7 AO). Begründung: Durch die Übermittlung der monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe sie geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet, ohne dazu befugt zu sein. Die selbstständige Buchhalterin sei zwar zur laufenden Buchführung und – isoliert betrachtet – auch zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen an das zuständige Finanzamt berechtigt gewesen, nicht aber zu deren Erstellung. Die Verwendung des Buchführungsprogramms D ändere daran nichts.
Lösung Die Hilfeleistung in Steuersachen umfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG auch die Mitwirkung bei der Anfertigung und Abgabe von Steuererklärungen. Dies ist selbstständigen (Bilanz-)Buchhaltern versagt. Auf der anderen Seite sind selbstständige (Bilanz-)Buchhalter gemäß § 6 Nr. 4 StBerG – mit ausreichender Ausbildung und beruflicher Erfahrung – befugt für:
Die Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen sei weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des § 6 Nr. 4 StBerG erfasst, so der BFH.
Bezugnahme des BFH auf die von Pruns in der Zeitschrift BC vertretenen Ansichten In seiner Urteilsbegründung geht der BFH auch ausführlicher auf die Argumentation von Pruns in BC 2017, 37 ff. (Heft 1), und BC 2017, 75 ff. (Heft 2), ein. Der BC-Autor und -Beirat hat seinerzeit die Verfassungswidrigkeit des Verbots des Anfertigens der Umsatzsteuer-Voranmeldung durch Buchhalter, geprüfte Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte deutlich gemacht. Dem widerspricht der BFH: „Die Umsatzsteuervoranmeldungen können den Lohnsteuer-Anmeldungen nicht gleichgestellt werden. Ihre richtige Erstellung erfordert eine umfassende Kenntnis des Umsatzsteuerrechts. Es gibt keine wesentliche Vorschrift des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die bei der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen nicht grundsätzlich beachtet werden muss. Das schließt nicht aus, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen sich keine rechtlichen Besonderheiten ergeben und die Umsatzsteuervoranmeldung daher ohne besondere Schwierigkeiten erstellt werden kann. Die Entscheidung der Frage, ob es mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen den steuerberatenden Berufen vorzubehalten, kann aber nicht von den Schwierigkeiten abhängig gemacht werden, die die jeweils im Einzelfall zu erstellende Anmeldung bietet. Diese Frage kann vom Gesetzgeber nur einheitlich entschieden werden …“ Die Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen werde vom Anwendungsbereich des § 6 Nr. 4 StBerG auch dann nicht erfasst, wenn das verwendete Buchführungsprogramm es ermöglicht, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund der Buchführung automatisch zu erstellen. Die bloße unkritische Übernahme der Ergebnisse der Buchführung ohne eigene rechtliche Prüfung genüge nicht den Anforderungen, die das Gesetz an eine Umsatzsteuer-Voranmeldung stelle. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Umsatzsteuer-Voranmeldung dürfe nicht auf den Buchführer übertragen werden, der dann auch die Unterordnung (Zuordnung) der Geschäftsvorfälle unter die einschlägigen Bestimmungen des UStG vorzunehmen hätte. Ein Buchführungsprogramm könne diese persönliche Tätigkeit bei der Überprüfung der Buchführung nicht ersetzen. Es könne beispielsweise nicht erkennen, ob die in § 15 UStG bestimmten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und in welchem Voranmeldungszeitraum der Abzug gegebenenfalls vorzunehmen ist.
[Anm. d. Red.]
BC 8/2017 |