Verbot oder nicht? – Karlsruhe verkündet Urteil im NPD-Verfahren

Wegen der Gefahr eines erneuten Scheiterns war der zweite Anlauf für ein Verbot der rechtsextremen NPD von Anfang an hochumstritten – am 17.01.2017 stellt sich heraus, ob das riskante Unterfangen der Länder sich auszahlt. Am Vormittag um 10.00 Uhr verkündet der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe nach monatelangen Beratungen im Geheimen sein Urteil in dem Verfahren (Az.: 2 BvB 1/13). Bis zuletzt ist unklar, ob es für ein Verbot reicht. In der Verhandlung im März 2016 hatten die Richter die Beweissammlung der Länder drei Tage lang kritisch durchleuchtet. Skepsis war vor allem bei der Frage zu spüren, ob der tatsächliche politische Einfluss der NPD eine so scharfe Maßnahme wirklich rechtfertigt.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister zuversichtlich

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) zeigte sich jedoch überzeugt, dass die NPD verboten wird. "Ich bin tatsächlich weiter zuversichtlich, dass am Ende des Verfahrens ein Verbot der NPD steht", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Ausgabe vom 16.01.2017) und fügte hinzu: "Ich vertraue auf Karlsruhe." Die rechtsextreme Partei sei vielerorts unvermindert darauf aus, in aggressiv-kämpferischer Weise die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es sei den Landesregierungen gelungen, "die nötigen Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD beizubringen", sagte der CDU-Politiker, der den Verbotsantrag maßgeblich mit vorangetrieben hatte.

AfD läuft NPD den Rang ab

Die finanziell klamme Partei mit ihren gut 5.000 Mitgliedern hat jedoch auch in der Flüchtlingskrise nicht an ihre Wahlerfolge der 2000er Jahre anknüpfen können. Vor allem der rasante Aufstieg der AfD hat die Rechtsextremen zuletzt an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt. Seit der Karlsruher Verhandlung ist die NPD in Mecklenburg-Vorpommern bei der Wahl im Herbst 2016 auch noch aus dem letzten Landtag geflogen.

Bundesrat hatte Verbotsantrag gestellt

Der Bundesrat, der den Verbotsantrag gestellt hat, will erreichen, dass die Richter die NPD wegen ihrer demokratiefeindlichen Parolen und Ziele als verfassungswidrig einstufen. Laut Grundgesetz erfüllen dieses Kriterium Parteien, die "darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden".

Neue Verbotsmaßstäbe erwartet

Beim Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956 hat das Gericht dieses "darauf ausgehen" festgemacht an einer aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung. Das Verbreiten verfassungsfeindlicher Ideen wäre also zu wenig. Aber dieses letzte Verbotsurteil ist mehr als 60 Jahre alt und fiel im politischen Klima der jungen Bundesrepublik. Beobachter erwarten mit Spannung, welche Maßstäbe der Senat für die heutige Zeit entwickelt.

Einziehung des Parteivermögens und Mandatsverlust wären Folge eines Verbots

Erklären die Verfassungsrichter die Auflösung der NPD, dürften die Rechtsextremen keine Ersatzorganisationen gründen. Karlsruhe kann außerdem die Einziehung des Parteivermögens anordnen. Gewählte Volksvertreter verlieren nach den deutschen Gesetzen ihre Mandate. Bei der NPD beträfe das aktuell etwa 340 Kommunalmandate und den EU-Parlamentarier Udo Voigt. Gegen ein Verbot wehren könnte sich die NPD vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Erster Verbotsantrag 2003 gescheitert

Der Druck, der auf dem Verfahren lastet, ist auch deshalb so groß, weil 2003 schon einmal ein Verbotsanlauf gegen die NPD gescheitert war. Damals zog Karlsruhe die Reißleine, als ans Licht kam, dass die Partei mit Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt war.

Chef der Innenministerkonferenz: Verfahren auf jeden Fall nützlich

Der neue Chef der Innenministerkonferenz, Sachsens Ressortchef Markus Ulbig (CDU), hält das Verfahren bei allen Unwägbarkeiten für nützlich. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wird zeigen, wie weit Parteien in unserem Rechtsstaat gehen dürfen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Die Bundesratspräsidentin und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte, die Länder seien von der Verfassungsfeindlichkeit der NPD überzeugt.

Maas: Kampf gegen Rechtsextremismus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mahnte, den Kampf gegen den Rechtsextremismus unabhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fortzusetzen. "Klare Haltung gegen rechte Hetze zu zeigen, bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Für die Politik, für die Sicherheitsbehörden und für die Zivilgesellschaft", sagte Maas der "Welt" (Ausgabe vom 16.01.2017).

Redaktion beck-aktuell, Anja Semmelroch, 16. Januar 2017 (dpa).