Untersuchungsausschuss hört Ministeriums- und Bankmitarbeiter zu Cum/Ex-Deals

Das Bundesfinanzministerium hat die sogenannten Cum/Ex-Deals, mit denen eine nur einmal abgeführte Steuer doppelt erstattet werden konnte, für illegal gehalten und alles versucht, sie zu verbieten. Wie der parlamentarische Pressedienst am 20.01.2017 berichtete, erklärten dies zwei ehemalige Staatssekretäre des Ministeriums in der öffentlichen Sitzung des zum Thema Cum/Ex einberufenen Untersuchungsausschuss des Bundestages. Mit der Vernehmung von Axel Nawrath und Jörg Asmussen verlagerte der Ausschuss seine Zeugenbefragung auf die politische Ebene. Das Gremium tagte unter dem Vorsitz von Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU).

Cum/Ex-Praxis sollte mit Jahressteuergesetz 2007 ausgehebelt werden

Nawrath war von 2006 bis 2009 als Staatssekretär unter anderem zuständig für Steuern. In diese Zeit fallen die erfolglosen Versuche des Ministeriums, die Cum/Ex-Praxis zu unterbinden. Nach seinen Worten war ihm Cum/Ex zu seiner Zeit als Staatssekretär kein Begriff. Das Problem der mehrfach ausgestellten Steuerbescheinigungen zu Lasten des Fiskus sei allerdings bekannt gewesen und sei auch mit dem Jahressteuergesetz 2007 aufgegriffen worden.

Ministerium hatte keine Anhaltspunkte für Lücken in Neuregelung

Damals sei versucht worden, eine Lösung für die unbefriedigenden Urteile des Bundesfinanzhofs mit Blick auf die Frage des Eigentums zu finden. Der BFH habe versucht, die Vorgaben des Gesetzgebers zu umgehen. Mit dem Jahressteuergesetz habe man eine technische Lösung dagegen setzen wollen, ohne die Frage des Eigentums neu zu deuten. Zur nachträglichen Kritik an dem Gesetz sagte Nawrath, es habe während des Gesetzgebungsverfahrens zu keiner Zeit Hinweise oder Bedenken gegeben, dass damit Cum/Ex-Geschäfte nicht völlig unterbunden werden könnten. "Hätten wir das gewusst, hätten wir was anderes gemacht." Trotzdem seien jene, die geglaubt hätten, das Gesetz ermuntere solche Deals, heute strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Denn es stehe fest, dass ausländische Banken nicht steuererstattungsberechtigt sind.

Verhältnis zum BFH war getrübt

Das Verhältnis zum BFH war laut Nawrath getrübt. Es sei gewesen, "wie ein Treffen von Nord- und Südkorea an der Demarkationslinie". Jedesmal, wenn ein Gesetz gemacht worden sei, habe der BFH es ausgehebelt. Dabei würden Gesetze "für Menschen gemacht, die gesetzestreu sind, und nicht für Menschen mit krimineller Energie", sagte Nawrath. Das sei das Dilemma im Steuerrecht gewesen.

Ramackers als "untadeliger Mitarbeiter" bekannt

Zur umstrittenen Beschäftigung des Steuerexperten Arnold Ramackers in der Steuerabteilung des BMF sagte Nawrath, er habe nicht gewusst, dass dieser während seiner Beurlaubung von 2008 bis 2009 für die Bankenverbände gearbeitet habe und von diesen bezahlt worden sei. Ramackers sei ein "untadeliger Mitarbeiter" gewesen, diese ihm jetzt bekannt gewordene Konstellation überrasche ihn.

Asmussen verneint Zuständigkeit

Auch Asmussen bezeichnete die Cum/Ex-Deals als "immer klar illegal". Er sei beruflich 2009 das erste Mal mit dem Thema konfrontiert worden. Anlass sei das BMF-Schreiben von 2009 zur Steuergestaltung bei Leerverkäufen gewesen, sagte er vor dem Ausschuss. Mit dem Schreiben war die Berufsträgerbescheinigung eingeführt worden, um die Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, was letztlich erst mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz von 2011 klappte. Das Schreiben sei aber nicht in seine Zuständigkeit gefallen, sondern in die der Steuerabteilung. "Für mich ist das Ganze ein Steuerthema", sagte er. In seinem Bereich habe es keine Steuerkompetenz gegeben. Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sagte er, er habe der Behörde keine Weisung in Bezug auf mögliche Missstände gegeben.

Landesbank Baden-Württemberg: Cum/Ex-Geschäfte wurden 2009 beendet

Hans-Jörg Vetter, bis November 2016 Vorstandsvorsitzender der baden-württembergischen Landesbank LBBW, gab zu Protokoll, dass das Institut von 2007 bis 2009 Cum/Ex-Geschäfte gemacht habe. Vetter hatte die Bank 2009 mitten in der Finanzkrise übernommen und erfolgreich saniert. Von dem Thema Cum/Ex habe er erstmals Mitte 2009 erfahren, und ab diesem Zeitpunkt habe es keine derartigen Geschäfte mehr gegeben. Ein Jahr später habe Cum/Ex dann auf der Agenda gestanden, und es seien Gutachten beauftragt worden. Anfang 2013 sei das Thema erneut aufgegriffen worden, und er habe die Vorgänge erneut überprüfen lassen. Auslöser sei unter anderem ein Urteil des Finanzgerichts Hessen gewesen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse seien an die Staatsanwaltschaft und die Finanzbehörden gemeldet worden, und es seien 150 Millionen Euro Körperschaftsteuer nachbezahlt worden. Dabei sei es um die Reputation der LBBW gegangen.

Beschäftigte der Bank unter Verdacht

Zurzeit laufe ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Bank, sagte Vetter. Bisher sei bekannt, dass die zweite Führungsebene in die Geschäfte verwickelt sei. Er gehe aber davon aus, dass auch der Vorstand eingeweiht war. Bei den internen Untersuchungen seien auch Cum/Ex-Gutachten von KPMG und PwC aus den Jahren 2007 und 2008 sowie eines von Freshfields von 2011 gefunden worden. Generell habe er sich von Geschäften dieser Art zurückgehalten. Zum ähnlich gelagerten Thema Cum/Cum sagte Vetter, dazu könne er angesichts der vielen Varianten nichts sagen, bevor er nicht von der BaFin eine Definition dieser Geschäfte bekommen habe. "Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir da was gemacht haben", sagte Vetter.

WestLB: Kein Cum/Ex, aber Dividendenstripping

Zuvor hatte der Ausschuss den früheren Leiter des Aktieneigenhandels der WestLB, Markus Bolder, vernommen. Bolder, der 2007 aus der Bank ausgeschieden war, sagte aus, dass Cum/Ex-Geschäfte, wie sie in der Presse dargestellt würden, seines Wissens in der WestLB nicht getätigt worden sein. Cum/Ex sei für ihn kein Begriff gewesen. Das Thema Dividendenstripping sei ihm allerdings bekannt gewesen, da die Bank schon im Jahr 2000 Arbitrage-Geschäfte ausgeführt habe. Dass dabei Steuerbescheide doppelt ausgestellt worden seien, sei im Handel kein Thema gewesen. Von den Handelspartnern habe keiner gesagt, dass er sich die Kapitalertragsteuer auch erstatten lasse. Es sei deshalb so gut wie unmöglich gewesen, solche Transaktionen zu erkennen.

Cum/Ex-Transaktionen möglicherweise ohne Kenntnis der Bank

Für die Arbitrage-Geschäfte habe er jedes Jahr ein Budget bekommen, dass seine Mitarbeiter zum Kauf von Aktien eingesetzt hätten. Es treffe zu, dass alle Mitarbeiter im Bilde waren, aber dies betreffe die Arbitragegeschäfte. Cum/Ex-Transaktionen seien es nicht gewesen, denn dies impliziere, dass man von den doppelten Steuererstattungen wusste. "Dem ist nicht so", erklärte Bolder. Solche Geschäfte wären auch nicht genehmigt worden. Zudem sei die Bank immer auf der Käuferseite aufgetreten, "dass es plötzlich Leerverkäufe gab, konnten wir nicht sehen." Daher sei es durchaus möglich, "dass wir Käufer eines Cum/Ex-Geschäfts waren".

Existenz diverser Gutachten zu Cum/Ex-Geschäften bestätigt

Es habe allerdings einen Fall gegeben, bei dem er Anzeichen für ein solches Geschäft bemerkt habe. Auf Nachfrage sei ihm jedoch gesagt worden, dass alles in Ordnung sei und von einem BFH-Urteil gedeckt wäre. Da sei er wohl "blauäugig" gewesen, sagte Bolder, der auch die Existenz diverser Gutachten zu Cum/Ex-Geschäften bestätigte. Letztendlich müssten sich die ausländischen Banken, die von diesen Deals profitiert hätten, dazu äußern. "Der Schlüssel ist die ausländische Bank."

Taiber verweigert Auskunft

Der ebenfalls als Zeuge geladene Werner Taiber, von 2006 bis 2012 Mitglied des Vorstands der WestLB, machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Sein Anwalt verwies zur Begründung auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen mehrere Vorstände der Bank im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften.

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2017.