VG hielt auch geänderte Untersagungsverfügung für ermessensfehlerhaft
Eine derartige Untersagungsverfügung hatte die Stadt Schwerte auf das entsprechende Mindestabstandsgebot nach § 22 Glücksspielverordnung Nordrhein-Westfalen gestützt und zunächst angeführt, dass sich knapp 200 Meter von dem seit 2013 betriebenen Wettbüro der Antragstellerin ein Kindergarten und ein Kinderhort befinden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte diese Begründung im Eilverfahren für rechtlich nicht tragfähig gehalten. Nach Eröffnung eines Wohnprojekts für minderjährige jugendliche Flüchtlinge im November 2015 mit Zustimmung der Stadt in etwa 50 Metern Entfernung zum Wettbüro stützte die Ordnungsbehörde ihre Untersagungsverfügung auch hierauf und suchte beim VG um eine erneute gerichtliche Entscheidung wegen veränderter Umstände nach. Auch die geänderte Untersagungsverfügung hielt das Gericht für ermessensfehlerhaft.
OVG: Keine ausreichende gesetzliche Grundlage
Das OVG wies die Beschwerde der Stadt jetzt zurück. Überwiegendes spreche dafür, dass Vermittlungsstellen für Sportwetten in Nordrhein-Westfalen keinen Mindestabstand zu Schulen sowie Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen einhalten müssten, weil § 22 Abs. 1 Glücksspielverordnung Nordrhein-Westfalen nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhe, heißt es in der Begründung. Der parlamentarische Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen habe den Verordnungsgeber, in diesem Fall den Innenminister, nicht zu einer so weitreichenden Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit von Wettbürobetreibern ermächtigt.
Rechtlich geschützte Investitionen nicht berücksichtigt
Abgesehen davon habe die Ordnungsbehörde rechtlich geschützte Investitionen in das baurechtlich genehmigte Wettbüro ebenso zu Unrecht unberücksichtigt gelassen wie den Umstand, dass das Wohnprojekt für jugendliche Flüchtlinge erst nach dem Wettbüro entstanden sei.
Wettvermittlungserlaubnis spricht nicht gegen Bestandsschutz
Von fehlendem Bestandsschutz des Wettbüros der Antragstellerin sei auch nicht deshalb auszugehen, weil sie über keine Wettvermittlungserlaubnis verfüge. Sie habe eine solche Erlaubnis bisher nicht erhalten können, sodass das Fehlen der Erlaubnis sie nicht daran hindere, Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln.
Zweifel an Möglichkeit flächendeckender Untersagung nicht erlaubter Angebote
Obwohl das europarechtswidrige Sportwettenmonopol im Jahr 2012 für eine siebenjährige Experimentierphase durch ein Konzessionsmodell ersetzt worden sei, seien als Voraussetzung für Wettvermittlungserlaubnisse in Deutschland auch nach mehr als vier Jahren keine Sportwettkonzessionen erteilt worden. Zwar hätten die Ministerpräsidenten der Länder kürzlich eine Nachbesserung des allgemein als gescheitert angesehenen Konzessionsmodells vereinbart. Der Senat äußerte aber im Anschluss an sein Urteil vom 23.01.2017 (BeckRS 2017, 101452) erhebliche Zweifel daran, ob die aktuell anstehende Ratifizierung des am 15.03.2017 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichneten Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags durch die Länderparlamente den Glücksspielaufsichtsbehörden den Weg zur flächendeckenden Untersagung nicht erlaubter Angebote eröffnet.